23.10.2020 Aufrufe

architektur FACHMAGAZIN People 2020

Was macht eine Stadt aus? Wie vielschichtig und facettenreich die Auseinandersetzung mit dem Thema „Die Stadt“ dieser Ausgabe von architektur PEOPLE sein kann, war eigentlich von Anfang an absehbar. So kommen auf den folgenden Seiten Expertinnen und Experten aus den Bereichen Architektur, Stadtstrukturforschung, Metropolenplanung ebenso zu Wort wie aus Verkehr- und Mobilitätsentwicklung, Lichtgestaltung oder Landschaftsplanung.

Was macht eine Stadt aus? Wie vielschichtig und facettenreich die Auseinandersetzung mit dem Thema „Die Stadt“ dieser Ausgabe von architektur PEOPLE sein kann, war eigentlich von Anfang an absehbar. So kommen auf den folgenden Seiten Expertinnen und Experten aus den Bereichen Architektur, Stadtstrukturforschung, Metropolenplanung ebenso zu Wort wie aus Verkehr- und Mobilitätsentwicklung, Lichtgestaltung oder Landschaftsplanung.

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www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

45<br />

Dr. Mathias Mitteregger<br />

Was macht eine Stadt aus?<br />

Durch meinen <strong>architektur</strong>theoretischen<br />

Hintergrund habe ich einen<br />

stark von der Geschichte geprägten<br />

Blick darauf. Für mich ist Stadt<br />

der Inbegriff des Politischen. Stadt<br />

bedeutet Öffentlichkeit und eine arbeitsteilige<br />

Gemeinschaft, die auf<br />

Dichte und Diversität beruht. Das<br />

bringt auch immer ein Konfliktpotenzial<br />

mit sich.<br />

Wie sieht der Verkehr<br />

der Zukunft aus?<br />

Wie wir uns den Verkehr der Zukunft<br />

vorstellen müssen, ist ganz klar davon<br />

geprägt, wie wir als globale<br />

Gesellschaft auf die Klimakrise reagieren.<br />

Der Entscheidungshorizont<br />

hat nun deutliche Grenzen. Gerade<br />

im Verkehrssektor müssen wir jetzt<br />

unverzüglich reagieren. Das ist nicht<br />

nur eine Frage der Verkehrsmittel,<br />

sondern auch eine entscheidende<br />

Frage der Architektur und Raumplanung.<br />

Wir müssen also nicht zwingend<br />

neue Verkehrsmittel erfinden<br />

oder einführen, dazu fehlt uns in vielen<br />

Fällen einfach die Zeit. Die Städte<br />

und der ländliche Raum müssen so<br />

geplant werden, dass wir zuallererst<br />

Verkehr vermeiden.<br />

Wie kann Verkehr<br />

vermieden werden?<br />

Verkehrsprobleme lösen wir nicht<br />

durch den Verkehrssektor alleine,<br />

man muss integriert denken. Davon<br />

ist die Raumplanung, die Architektur<br />

und der Städtebau betroffen. Aber<br />

auch viele andere Sektoren, wie mittlerweile<br />

die Informatik und Energiewirtschaft.<br />

Da muss man bestehende<br />

Grenzen einbrechen und in vielen<br />

Fällen ganz neu denken. Man vermeidet<br />

Verkehr z.B. durch kompakte<br />

Städte oder – wie wir jetzt gerade erleben<br />

– durch virtuelle Treffen. Wobei<br />

hier die CO 2 -Bilanz unklar ist und<br />

das nicht für alle Berufsgruppen ein<br />

gangbarer Weg ist.<br />

Wie wird sich die Mobilität verändern?<br />

Der Schlüssel zu einer erfolgreichen<br />

Mobilitätswende und auch für lebenswerte<br />

Städte ist meiner Ansicht<br />

nach der öffentliche Raum der Straße.<br />

Wir müssen uns dabei ihre historische<br />

Entwicklung präsent halten<br />

und sie anders denken. Es war nicht<br />

immer so, dass Straßen so eindeutig<br />

dem Verkehr zugeordnet waren wie<br />

heute. Bei der Bedeutung des Straßenraumes<br />

als öffentlicher Raum<br />

spielen Straßen und auch Plätze eine<br />

entscheidende Rolle. Es braucht sie,<br />

damit sich eine Öffentlichkeit formieren<br />

kann, die sich kennt, sich austauscht,<br />

die divers ist und mit sich<br />

selbst konfrontiert bleibt. Es geht<br />

nicht darum den Zustand vor dem<br />

Automobil zu rekonstruieren, sondern<br />

darum, neue Straßen zu schaffen,<br />

die hochqualitative und großartige<br />

Aufenthaltsräume in Städten<br />

sein können. Das ist eine unglaublich<br />

reizvolle gestalterische Aufgabe.<br />

Wem soll die Straße in<br />

Zukunft gehören?<br />

Wir haben immer zwei Nutzungsansprüche<br />

an den Straßenraum. Es<br />

gibt die Transportnotwendigkeit.<br />

Städte müssen versorgt und das<br />

Produzierte und Konsumierte muss<br />

auch verteilt bzw. entsorgt werden.<br />

Auf der anderen Seite steht der Anspruch<br />

der Personen, die die Städte<br />

bewohnen, dort arbeiten oder dort<br />

ihre Freizeit verbringen. Wir brauchen<br />

die Straße als Erweiterung des<br />

Raums, der uns innerhalb von Gebäuden<br />

zur Verfügung steht! Beide<br />

Ansprüche müssen berücksichtigt<br />

und auch unterschiedlich gewichtet<br />

werden. Die Notwendigkeit des<br />

Aufenthaltsraumes muss heute viel<br />

stärker berücksichtigt werden. Dies<br />

ist möglich, wenn wir den Verkehr<br />

vermeiden und Fahrten bündeln.<br />

Wie lässt sich das räumlich umsetzen?<br />

Da gibt es ganz interessante Konzepte,<br />

wie etwa den Superblock. Es<br />

geht dabei darum Quartierszentren<br />

zu stärken, indem man den motorisierten<br />

Verkehr explizit draußen<br />

hält. In der Stadt werden Inseln geschaffen,<br />

die sich zu einem Netz<br />

verbinden, in dem das lebenswerte<br />

Quartier im Zentrum steht. Mobilität<br />

von Personen, Gütern und Informationen<br />

wird es immer geben und sind<br />

auch notwendig für das Überleben<br />

von Städten. Sie müssen und können<br />

aber eine lokalere Komponente haben,<br />

damit sie sich stärker im Quartier<br />

abspielen.<br />

Welche Rolle spielen selbstfahrende<br />

Autos in Zukunft?<br />

An der TU Wien haben wir uns in<br />

einem von der Daimler und Benz<br />

Stiftung geförderten Forschungsprojekt<br />

als interdisziplinäres Forschungsteam<br />

angeschaut, was Automatisierung<br />

und Vernetzung für den<br />

Verkehr und auch für die Mobilität<br />

in europäischen Städten bedeutet.<br />

In der technologischen Entwicklung<br />

von selbstfahrenden Autos stehen<br />

wir heute soweit, dass ihnen gewisse<br />

Eigenschaften unterstellt werden.<br />

Die Technologie dazu ist aber noch<br />

nicht in einem Maß entwickelt, wie es<br />

medial kommuniziert wurde. Deshalb<br />

mussten in den letzten Jahren gewisse<br />

Hoffnungen relativiert werden.<br />

Beispielsweise können selbstfahrende<br />

Autos heute nur im geschützten<br />

Areal zum Einsatz kommen und vielleicht<br />

in näherer Zukunft auf Autobahnen.<br />

Das Fahren in belebten innerstädtischen<br />

Räumen bei höheren<br />

Geschwindigkeiten liegt aber noch<br />

viele Jahre in der Zukunft.<br />

Welche anderen Entwicklungen<br />

sind greifbarer?<br />

Am Mobilitätsmarkt gibt es eine<br />

hochdynamische Entwicklung, was<br />

beispielsweise Carsharing, Bikesharing,<br />

E-Scooter-Anbieter und Fahrdienstleister<br />

betrifft. Es gibt überhaupt<br />

neue Organisationsformen,<br />

die sich davon wegbewegen, dass<br />

Mobilität besessen werden muss,<br />

sondern eher als Service konsumiert<br />

wird. Ich bin davon überzeugt, dass<br />

wir in einer Wende leben, die ähnlich<br />

grundlegend verlaufen wird, wie die<br />

der Entwicklung des Automobils vor<br />

etwa einhundert Jahren. Wir müssen<br />

heute von einem grundlegenden<br />

Wandel der Städte ausgehen, der zu<br />

dem jetzigen, frühen Zeitpunkt noch<br />

gestaltbar ist. Diese Verantwortung<br />

muss von der Stadtverwaltung und<br />

Planung gesehen und es muss eine<br />

Position bezogen werden, bevor der<br />

Zug abgefahren ist.<br />

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