23.10.2020 Aufrufe

architektur FACHMAGAZIN People 2020

Was macht eine Stadt aus? Wie vielschichtig und facettenreich die Auseinandersetzung mit dem Thema „Die Stadt“ dieser Ausgabe von architektur PEOPLE sein kann, war eigentlich von Anfang an absehbar. So kommen auf den folgenden Seiten Expertinnen und Experten aus den Bereichen Architektur, Stadtstrukturforschung, Metropolenplanung ebenso zu Wort wie aus Verkehr- und Mobilitätsentwicklung, Lichtgestaltung oder Landschaftsplanung.

Was macht eine Stadt aus? Wie vielschichtig und facettenreich die Auseinandersetzung mit dem Thema „Die Stadt“ dieser Ausgabe von architektur PEOPLE sein kann, war eigentlich von Anfang an absehbar. So kommen auf den folgenden Seiten Expertinnen und Experten aus den Bereichen Architektur, Stadtstrukturforschung, Metropolenplanung ebenso zu Wort wie aus Verkehr- und Mobilitätsentwicklung, Lichtgestaltung oder Landschaftsplanung.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

53<br />

Martin Rauch<br />

Was begeistert Sie an Lehm<br />

als Baumaterial?<br />

Lehm ist eines der ersten Baumaterialien<br />

überhaupt und es ist auf der<br />

ganzen Welt unbegrenzt verfügbar.<br />

Es ist ein sehr ursprüngliches Material,<br />

leicht formbar, nachhaltig und<br />

gesund. Lehm ist sehr verkannt, das<br />

macht es spannend ihn neu zu entdecken.<br />

Inwiefern ist Lehm ein begrenzt<br />

eingesetztes Baumaterial?<br />

Gesellschaftsbedingt und auch<br />

durch die Industrialisierung ist es so,<br />

dass jedes neue Baumaterial besser<br />

angesehen wird als das alte. Das Alte<br />

hat man eigentlich immer wieder<br />

vergessen. Lehm hat natürlich auch<br />

seine Limits. Er ist relativ schwach<br />

und praktisch wasserlöslich. Das hat<br />

man oft als negatives Kriterium gesehen,<br />

wobei die Wasserlöslichkeit<br />

eigentlich auch die größte Tugend<br />

ist. Dadurch kann er recycelt und so<br />

oft man möchte wiederverwendet<br />

werden. Wir haben verlernt mit den<br />

Limits des Baumaterials zu arbeiten.<br />

Die Grenzen von Lehm muss man<br />

kennen, um mit ihm arbeiten zu können.<br />

Lehm ist noch nicht zertifiziert,<br />

wodurch es kompliziert ist ihn anzuwenden.<br />

Etwas was man nicht kennt,<br />

wird oft nicht in Erwägung gezogen.<br />

Wieso ist Lehmbau wieder<br />

verstärkt präsent?<br />

Im Zuge der Klimafrage und der<br />

Nachhaltigkeitsdebatte sucht man<br />

natürlich neue Wege. Wir wissen,<br />

dass die herkömmlichen Baumaterialien<br />

zu viel CO 2 verursachen. Die<br />

wirklichen Alternativen sind dabei<br />

Holz und Lehm. In Bezug auf das<br />

gesamte Bauvolumen in Europa ist<br />

Lehm noch nicht wirklich präsent,<br />

das Interesse ist aber ganz stark vorhanden.<br />

Bei der Wahl der Baumaterialien<br />

ist die Kostenfrage noch immer<br />

größer als die nach Ökologie oder<br />

Nachhaltigkeit.<br />

Sehen Sie es als Ihre Aufgabe, Vorzeigeprojekte<br />

aus Stampflehm für den<br />

„Eigenbedarf“ zu bauen, um zu zeigen,<br />

was mit Lehm alles möglich ist?<br />

Als Planer, Bauherr und Baumeister<br />

kann ich ein Projekt mit mir selbst<br />

ausmachen. Ich kann an die Grenzen<br />

gehen und das Material ausloten. Das<br />

sehe ich als Selbstversuch und Forschungsprojekt,<br />

um aufzuzeigen, was<br />

mit Lehm alles möglich ist. Der Selbstversuch<br />

war immer ein wichtiges Instrument,<br />

um Projekte risikofrei umzusetzen.<br />

Die Projekte und Elemente<br />

wurden ausprobiert und werden dann<br />

weiterentwickelt. Denn Lehmbau<br />

überzeugt durch gebaute Beispiele.<br />

Sind Lehmbauten im städtischen<br />

Umfeld denkbar?<br />

In Zukunft werden immer mehr Leute<br />

in der Stadt wohnen, es ist also<br />

wichtig, den Lehm dorthin zu bringen.<br />

Die Lehmbautechniken müssen<br />

der Stadt gemäß entwickelt werden.<br />

In der Stadt gibt es immer auch einen<br />

gewissen Platzmangel, der es<br />

erforderlich macht, dass man mit<br />

vorgefertigten Modulen die Städte<br />

zusammenfügt. Genauso wie man<br />

Betonelemente zusammenfügt, kann<br />

ich mir vorstellen, dass man Lehmbau<br />

mit Modulen und Systembauweisen<br />

städtisch weiterentwickeln wird.<br />

Welche Eigenschaften des Lehmbaues<br />

sind für die Stadt wichtig?<br />

Er hat eine sehr gute akustische<br />

Schutzfunktion, könnte also im Innenraum<br />

gut für Wohnungstrennwände<br />

verwendet werden. Er ist<br />

feuchtigkeits- und klimaregulativ sowie<br />

geruchsabsorbierend, was wichtige<br />

Voraussetzungen für gesundes<br />

Wohnen auch in der Stadt sind. Lehm<br />

als Baustoff kann effektiv mithelfen,<br />

mit weniger Technik und weniger<br />

Energieeinsatz behagliche Behausungen<br />

zu ermöglichen. Die Kombination<br />

zwischen Holz und Lehm<br />

könnte eine ideale Kombination<br />

sein für zukünftiges Bauen in Städten.<br />

Holz ist konstruktiv wahnsinnig<br />

stark, ist aber sehr leicht und braucht<br />

dazu eine entsprechende Speichermasse.<br />

Lehm speichert die Wärme<br />

und hat einen sehr guten Feuerschutz.<br />

Wenn der Wille da ist, könnte<br />

man aus dieser Materialkombination<br />

neue Konstruktionen entwickeln. u<br />

u<br />

Vor mittlerweile fast 15 Jahren baute<br />

Martin Rauch sein eigenes Wohnhaus in<br />

Vorarlberg aus Stampflehm. Heute würde<br />

er es zwar genauso bauen, aber noch konsequenter<br />

und radikaler umsetzen.<br />

© Beat Bühler

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!