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procontra-Thema-Recht

Die Experten der Kanzlei Michaelis bringen auf den Punkt, was für Beratung und Vertrieb 2021 wichtig ist.

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<strong>Recht</strong><br />

Lässt sich die Rückwerbung von<br />

Makler-Neukunden blockieren?<br />

– TEXT: FABIAN KOSCH, DIPL.-JURIST IN DER KANZLEI MICHAELIS –<br />

Das OLG Oldenburg hat am 28. Mai<br />

2019 ein sehr deutliches und klarstellendes<br />

Urteil in Bezug auf vorformulierte<br />

Kündigungshilfen und „generelle“<br />

Kontaktaufnahmeverbote gefällt (6 U<br />

27/18).<br />

Die Vermittlung von Versicherungsverträgen<br />

ist Vertrieb. Im Vertrieb wird nicht<br />

selten hart um den Kunden gekämpft.<br />

Dies ist auch nicht negativ belastet oder<br />

verwerflich. Vielmehr möchte auch der<br />

deutsche Gesetzgeber bewusst einen freien<br />

Wettbewerb. Im Ergebnis soll sich derjenige<br />

mit dem besten Angebot durchsetzen.<br />

Dieser Wettbewerb ist auch weitestgehend<br />

frei. Die Grenzen dieses lauteren<br />

Wettbewerbs sind im UWG, Gesetz gegen<br />

den unlauteren Wettbewerb, gesetzt.<br />

Neben der klassischen Kaltakquise, § 7<br />

UWG, und der Mitnahme von Geschäftsgeheimnissen,<br />

ehemals § 17 UWG, jetzt<br />

im Geschäftsgeheimnisgesetz, musste sich<br />

das OLG Oldenburg mit einer möglichen<br />

gezielten Behinderung von Mitbewerbern<br />

gemäß § 4 Nr. 4 UWG beschäftigen. Dieser<br />

Sachverhalt tritt in der Praxis gar nicht<br />

so selten auf, weshalb er, zur Einsparung<br />

von Abmahnungen, besondere Beachtung<br />

finden sollte:<br />

Der zugrunde liegende Sachverhalt betrifft<br />

einen Maklerpool, weshalb er hier in<br />

leicht veränderter, aber ebenso für die<br />

Praxis noch bedeutender Form abgeändert<br />

wurde. Ein Versicherungsmakler hatte<br />

neue Kunden geworben. Diese hatten bereits<br />

eine Reihe von Versicherungsverträgen<br />

bei unterschiedlichen Gesellschaften.<br />

Zuvor wurde der Kunde jeweils durch<br />

Vertreter/Agenten der Gesellschaften<br />

vertreten. Der Versicherungsmakler legte<br />

dem Kunden nunmehr eine vorformulierte<br />

Kündigung der Versicherungsverträge vor,<br />

die neben der klassischen Kündigungserklärung<br />

noch folgende Klausel enthielt:<br />

„Außer der Kündigungsbestätigung bitte<br />

ich, von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen.<br />

Etwaige erteilte Einwilligungen<br />

in Telefonanrufe, E-Mails bzw. Vertreterbesuche<br />

widerrufe ich mit sofortiger<br />

Wirkung. Ferner widerrufe ich etwaige<br />

Einzugsermächtigungen und Datenschutz-<br />

Einwilligungserklärungen. Insbesondere<br />

untersage ich Ihnen hiermit, personenbezogene<br />

Daten jeglicher Art Dritten<br />

(einschließlich selbstständigen Vermittlern<br />

Ihres Unternehmens) mitzuteilen oder<br />

zugänglich zu machen.“<br />

Genau gegen diese vorformulierte Kündigungserklärung<br />

samt der Klausel wehren<br />

sich nun einige der Versicherungsgesellschaften.<br />

Das OLG Oldenburg entschied am<br />

28. Mai 2019, dass diese Schreiben die<br />

Mitbewerber gezielt behindern im Sinne<br />

von § 4 Nr. 4 UWG. Das OLG führt hierbei<br />

aus, dass nach der <strong>Recht</strong>sprechung des<br />

BGH eine Hilfe bei der ordnungsgemäßen<br />

Vertragsauflösung eines vertraglich gebundenen<br />

Neukunden (sogenannte Kündigungshilfe)<br />

grundsätzlich zulässig sei. Eine<br />

derartige Kündigungshilfe sei jedoch dann<br />

nicht mit dem Lauterkeitsrecht vereinbar,<br />

wenn unlautere Mittel eingesetzt werden.<br />

Auch eine systematische Kündigungshilfe<br />

sei grundsätzlich nicht zu beanstanden,<br />

da in der Regel kein Anspruch auf den<br />

Fortbestand eines einmal begründeten<br />

Vertragsverhältnisses bestehe. Das<br />

Abwerben von Kunden ist zulässiger Teil<br />

des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden<br />

noch an den Mitbewerber gebunden sind.<br />

Deshalb ist die Leistung von Kündigungshilfe<br />

durch bloße Hinweise auf Notwendigkeit,<br />

Frist und Form einer Kündigung<br />

grundsätzlich wettbewerbskonform.<br />

Insbesondere verstößt die Kündigungshilfe<br />

auch nicht gegen das <strong>Recht</strong>sberatungsgesetz,<br />

sofern nicht im Einzelfall eine<br />

rechtliche Beratung erfolgt.<br />

Jedoch stellt eine vorbereitete Kündigungserklärung<br />

mit generellen Kontaktaufnahmeverboten<br />

eine gezielte Behinderung<br />

von Mitbewerbern dar, was einen<br />

Verstoß nach § 4 Nr. 4 UWG bedeutet.<br />

Durch ein generelles Kontaktaufnahmeverbot<br />

behindert der Versicherungsmakler<br />

gezielt die Möglichkeit der Gesellschaften,<br />

ehemalige Kunden anzusprechen und zu<br />

einer Wiederaufnahme der Vertragsbeziehung<br />

zu veranlassen.<br />

Diese Möglichkeit, die Kunden anderer<br />

Wettbewerber zu kontaktieren und<br />

abzuwerben, ist aber gerade Wesen des<br />

Wettbewerbs und begründet in umgekehrter<br />

Richtung auch das <strong>Recht</strong> des<br />

Versicherungsmaklers, Kunden der Versicherungsgesellschaften<br />

abzuwerben und<br />

ihnen vorgefertigte Kündigungen vorzulegen.<br />

Das dem Urteil zugrunde liegende<br />

Vorgehen stellt eine Beeinträchtigung der<br />

wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit<br />

der Mitbewerber dar, da den Gesellschaften<br />

jegliche Kontaktaufnahmeversuche<br />

abgeschnitten werden und das mit sofortiger<br />

Wirkung eintretende Kontaktaufnahmeverbot<br />

auch Rückwerbeversuche<br />

umfasst. Der Makler schottet die von ihm<br />

durch Abwerbung von den Gesellschaften<br />

angeworbenen Kunden gegenüber dem<br />

Wettbewerb durch die Gesellschaften ab,<br />

worin gerade eine gezielte Behinderung<br />

von Wettbewerbern im Sinne des § 4 Nr. 4<br />

UWG zu sehen ist.<br />

Das Urteil überzeugt im Ergebnis. Das<br />

OLG Oldenburg seziert mustergültig die<br />

einzelnen Voraussetzungen des Lauterkeitsrechts,<br />

sodass die Grundzüge dieses<br />

Urteils unbedingt beachtet werden sollten.<br />

Im Kern kann es nämlich nicht überzeugen,<br />

dass ein Mitbewerber Kunden eines<br />

Konkurrenten abwirbt, diese Kunden<br />

jedoch vor dem Konkurrenten abschotten<br />

möchte. Der Wettbewerb sollte möglichst<br />

frei bestehen, sofern die Grenzen einer<br />

Belästigung des Kunden nicht überschritten<br />

werden.<br />

Sofern Sie Fragen zur wettbewerbsrechtlichen<br />

Kundenakquise haben, stehen wir<br />

Ihnen sehr gerne zur Verfügung.<br />

54<br />

Sonderausgabe

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