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procontra-Thema-Recht

Die Experten der Kanzlei Michaelis bringen auf den Punkt, was für Beratung und Vertrieb 2021 wichtig ist.

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<strong>Recht</strong><br />

Diese wäre dann keine Nebentätigkeit,<br />

sondern eine Haupttätigkeit. 14<br />

Hiergegen wird angeführt, dieses <strong>Recht</strong>sverständnis<br />

verkürze die Haupttätigkeit<br />

des Versicherungsmaklers unzulässig auf<br />

die Herbeiführung eines Erfolgs, also<br />

werkvertragliche Elemente. Der Versicherungsmaklervertrag<br />

beinhaltet jedoch<br />

auch dienst- und geschäftsbesorgungsvertragliche<br />

Elemente. 15 Darüber hinaus ist<br />

es in der <strong>Recht</strong>sprechung anerkannt, dass<br />

der Versicherungsmakler einen Versicherungsvertrag,<br />

dessen Abschluss er nicht<br />

vermittelt hat, übernehmen kann und für<br />

dessen Betreuung ein Honorar verlangen<br />

kann. In diesem Fall kann der Makler<br />

auch ohne Vermittlung für seine Arbeit<br />

eine Vergütung einfordern, weil sie als<br />

Nebentätigkeit zu seiner Haupttätigkeit<br />

nach § 5 Abs. 1 RDG umfasst ist. 16 Es<br />

wäre insofern ein Wertungswiderspruch,<br />

wenn die nach der fremden Vermittlung<br />

erfolgende Betreuung eine Nebentätigkeit<br />

nach § 5 Abs. 1 RDG darstellt, aber die<br />

auf die Vermittlung gerichtete Tätigkeit<br />

nicht umfasst sein sollte. Aus Sicht des<br />

Verfassers sprechen hier die besseren<br />

Argumente also für die Zulässigkeit einer<br />

erfolgsunabhängigen Honorarvereinbarung<br />

für die Vermittlung von Nettopolicen<br />

gegenüber Verbrauchern.<br />

Gleichwohl ist dieser Fall nicht durch die<br />

<strong>Recht</strong>sprechung entschieden worden und<br />

nach wie vor in der Literatur umstritten.<br />

Wer als Makler solch eine Honorarvereinbarung<br />

mit einem Verbraucher abschließt,<br />

geht also ein gewisses Wagnis ein.<br />

IV. AUF DIE VERMITTLUNG VON BRUTTOPOLICEN<br />

GERICHTETE BERATUNG MIT ZUSÄTZLICHEM<br />

ERFOLGSBEDINGTEM HONORAR<br />

Fraglich ist, ob der Makler bei der Vermittlung<br />

von Bruttopolicen zusätzlich ein<br />

erfolgsbezogenes Honorar vereinbaren<br />

kann, welches neben seine Courtage<br />

tritt. Ein Verstoß gegen § 3 RDG ist nicht<br />

angezeigt, weil die vermittlungserfolgsabhängige<br />

Vergütung des Versicherungsmaklers<br />

als Teil einer Nebentätigkeit nach § 5<br />

Abs. 1 RDG zulässig ist (siehe oben).<br />

Gegen die Zulässigkeit dieses Vergütungsmodells<br />

kann jedoch angeführt werden,<br />

dass das Bundesaufsichtsamt für das<br />

Versicherungswesen (BAV) erklärt hat,<br />

dass nur für Nettopolicen eine Honorarvereinbarung<br />

zulässig ist. 17 Das BAV<br />

ist inzwischen in der BaFin als Versicherungsaufsichtsbehörde<br />

aufgegangen. Die<br />

BaFin hatte auf Nachfrage, ob die Ansicht<br />

des BAV zu Honorarvereinbarungen noch<br />

aktuell sei, erklärt, dass diese Frage angesichts<br />

von Reformen des Vermittlerrechts<br />

neu zu bewerten sei, aber dass hierfür die<br />

Handelskammern zuständig seien. 18<br />

Gegen die Zulässigkeit der Koppelung<br />

von Bruttopolicen mit Honorarvereinbarungen<br />

wird teils angeführt, dass dies zu<br />

einem Verstoß gegen das Provisionsabgabeverbot<br />

des Maklers führe, gemäß § 48b<br />

VAG. Dies wäre etwa der Fall, wenn der<br />

Makler vom Kunden Honorar im Vorfeld<br />

der Vermittlung geltend macht und für<br />

den Fall der Vermittlung den Honoraranspruch<br />

um die erhaltene Courtage kürzt. 19<br />

Wenn aber die Honorarvereinbarung<br />

völlig unabhängig von der Courtage ist<br />

und keine Verrechnung erfolgt, besteht die<br />

Gefahr des Verstoßes gegen § 48b VAG<br />

nicht. In diesem Fall findet die Höhe der<br />

Honorarvereinbarung nach Ansicht des<br />

Verfassers lediglich ihre Grenze in der<br />

allgemeinen Sittenwidrigkeit und Wucher<br />

nach § 138 BGB.<br />

V. FREISTELLUNG VON DER STORNOHAFTUNG<br />

Es fragt sich schließlich, ob der Versicherungsmakler<br />

auch bei der Vermittlung<br />

einer Bruttopolice den Schicksalsteilungsgrundsatz<br />

zumindest im wirtschaftlichen<br />

Ergebnis vermeiden kann. Dazu würde<br />

der Makler mit seinem Kunden eine<br />

eigenständige Vereinbarung über die<br />

Freistellung gegenüber dem Versicherer<br />

abschließen.<br />

Gegen die Zulässigkeit dieser Vereinbarung<br />

sprechen ähnliche Gründe wie<br />

diejenigen, die gegen die Zulässigkeit der<br />

Abbedingung des Schicksalsteilungsgrundsatzes<br />

bei der Nettopolice angeführt wurden.<br />

Ähnlich wie bei dieser Konstellation<br />

lassen sich jedoch auch die Argumente des<br />

BGH anführen, der 2005 die Aufhebung<br />

des Schicksalsteilungsgrundsatzes bei der<br />

Nettopolice für zulässig erklärte. So ist<br />

dieser im Wesentlichen eine Risikozuteilung<br />

für das Verhältnis zwischen dem Versicherungsvermittler<br />

und dem Versicherungsunternehmen.<br />

Daher kann sich der<br />

Versicherungsnehmer in der <strong>Recht</strong>sprechung<br />

zur Nettopolice auch kategorisch<br />

nicht auf den Schicksalsteilungsgrundsatz<br />

berufen, da dieser ihn nicht schützen<br />

soll. 20 Diese Überlegung sollte auch für<br />

die Bruttopolice gelten. Folgerichtig wäre<br />

es, wenn der Schicksalsteilungsgrundsatz<br />

im Verhältnis zwischen dem Versicherer<br />

und dem Makler zwingend wäre, aber der<br />

Makler mit dem Kunden eine anderweitige<br />

Abrede treffen kann. In diesem<br />

Fall trägt der Makler immer noch das<br />

Insolvenzrisiko seines Kunden und der<br />

Versicherer wird nicht schlechtergestellt.<br />

Der Schicksalsteilungsgrundsatz bleibt<br />

zwischen dem Makler und Versicherer<br />

bestehen.<br />

C. FAZIT<br />

Abschließend lassen sich folgende <strong>Recht</strong>sansichten<br />

als Zusammenfassung festhalten:<br />

› Die erfolgsbedingte Honorarvereinbarung<br />

bei der Vermittlung von Nettopolicen<br />

ist zulässig.<br />

› Die Honorarvereinbarung für eine vermittlungsunabhängige<br />

(rechtliche) Beratung<br />

ist gegenüber Unternehmen und<br />

Angestellten beratener Unternehmen<br />

zulässig. Gegenüber Verbrauchern ist sie<br />

unzulässig. Servicevereinbarungen für<br />

Dienstleistungen sind generell zulässig.<br />

› Die erfolgsunabhängige Honorarvereinbarung<br />

für die Vermittlung von<br />

Nettopolicen an Unternehmen und<br />

Angestellte beratener Unternehmen ist<br />

zulässig. Die erfolgsunabhängige Honorarvereinbarung<br />

für die Vermittlung<br />

von Nettopolicen an Verbraucher dürfte<br />

ebenfalls zulässig sein.<br />

› Die Vereinbarung einer zusätzlichen,<br />

neben die Courtage tretenden Vergütung<br />

bei der Vermittlung von Bruttopolicen<br />

sollte zulässig sein, wenn keine Anrechnung<br />

mit der Courtage erfolgt.<br />

› Die transparente Vereinbarung eines<br />

Maklers mit einem Kunden, dass dieser<br />

ihn von der Stornohaftung bei einer<br />

Bruttopolice freistellt bzw. Aufwendungsersatz<br />

leistet, dürfte zulässig, aber<br />

sicher noch schwer zu verkaufen sein.<br />

1<br />

Vertragsfreiheit bedeutet nicht nur die <strong>Recht</strong>smacht, sich (wechselseitig) an<br />

Verträge binden zu können. Eine „freie“ Bindung setzt auch voraus, dass man<br />

sie überhaupt bewusst und frei eingehen kann. Deshalb bedeutet der Schutz<br />

einer strukturell schwächeren Vertragspartei vor einer Vertragsbindung u. U.<br />

auch gerade den Schutz ihrer Vertragsfreiheit. Grundlegend hierzu: BVerfG,<br />

Beschluss vom 19.10.1993, NJW 1994, 36<br />

2<br />

BVerfG, Beschluss vom 07.02.1990, NJW 1990, 1469, 1470<br />

3<br />

Eine Nichtigkeit nach § 134 BGB droht bei Grenzüberschreitung i. d. R.<br />

nicht, weil Gewerberecht nur eine „Ordnungsfunktion“ erfüllt, BGH, Urteil<br />

vom 16.01.1996, NJW 1996, 926, 928. Verstöße können aber durchaus zu<br />

wettbewerbsrechtlichen oder gewerberechtlichen Sanktionen führen.<br />

4<br />

BGH, Urteil vom 20.01.2005, NJW 2005, 1357<br />

5<br />

Abweichend von der Regelung zum Zivilmakler nach § 652 ff BGB entsteht<br />

der Courtageanspruch des Versicherungsmaklers bei der Bruttopolice<br />

gem. § 92 Abs. 4 HGB (analog) grds. erst mit Zahlung der Prämie durch<br />

den Versicherungsnehmer, Ulrich/Müller/Saenger/Aderhold/ Lenkaitis/<br />

Speckmann, Handels- und Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 896<br />

6<br />

OLG Hamm, Urteil vom 09.05.1994 NJW-RR 1994, 1306<br />

7<br />

So ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/3655, 51<br />

8<br />

Vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2019, VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208<br />

9<br />

Vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2016, NJW-RR 2016, 1056, 1059; Zinnert, VersR<br />

2008, 313; kritisch: Schwintowski, VersR 2009, 1333, 1334<br />

10<br />

BGH, Urteil vom 14.01.2016, NJW-RR 2016, 1056<br />

11<br />

Wie dieser Bezug konkret auszusehen hat, ist freilich umstritten,<br />

siehe dazu II. 3<br />

12<br />

So die allgemeine Ansicht in der Literatur<br />

13<br />

In diesem Sinne auch die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/1935, 18<br />

14<br />

Karle VersR 2000, 425 ff; Zinnert VersR 2000, 399, 405 ff<br />

15<br />

Ruttloff, GewArch 2009, 59, 62 m. w. N.<br />

16<br />

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01.10.1987 – 3 Ss 73/87 –, juris; Ruttloff,<br />

GewArch 2009, 59, 62 m. w. N.<br />

17<br />

VerBAV 9/96, 222<br />

18<br />

Beenken VersJournal 2008, Art. 97255<br />

19<br />

KG Berlin, Urteil vom 03.06.1994, VersR 1995, 445; Karle VersR 2000, 425<br />

20<br />

BGH, Urteil vom 20. 1. 2005, III ZR 251/04, r + s 2005, 310, 312; OLG<br />

Naumburg, Urteil vom 24.05.2012 - 9 U 218/11, BeckRS 2012, 15464<br />

36<br />

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