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procontra-Thema-Recht

Die Experten der Kanzlei Michaelis bringen auf den Punkt, was für Beratung und Vertrieb 2021 wichtig ist.

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<strong>Recht</strong><br />

sich auf diese Obliegenheit des VN zu<br />

berufen, weil diese lediglich das Verhältnis<br />

des VN zum VR betreffe. Der VN bediene<br />

sich aber gerade des Maklers als sachkundigen<br />

Fachmanns, um seine Ansprüche zu<br />

wahren und durchzusetzen. 33 Es spreche<br />

auch nach der Lebenserfahrung nichts<br />

dafür, dass die VN, die im Schreiben des<br />

VR vom 19.06.2012 auf die Fristen hingewiesen<br />

worden war, auf den drohenden<br />

Ablauf dieser Frist durch einen gezielten<br />

Hinweis des Makler ebenfalls nicht reagiert<br />

hätte. 34<br />

Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens<br />

sei im vorliegenden Fall deshalb<br />

nicht entkräftet, weil für die VN bei<br />

Aufklärung über den <strong>Recht</strong>sverlust bei<br />

Versäumung der Frist von 18 Monaten<br />

keine andere sachgerechte Handlungsalternative<br />

als die Geltendmachung der<br />

unfallbedingten Invalidität unter Vorlage<br />

einer entsprechenden ärztlichen Feststellung<br />

bestanden hätte. 35<br />

Der Fall ist lehrreich, weil er zeigt, wie<br />

schwierig es ist zu entscheiden, unter welchen<br />

Voraussetzungen ein VN deckungsrelevante<br />

Informationen kennen muss.<br />

Der BGH verkannte nicht, dass die selbst<br />

fachkundige VN im vorliegenden Fall<br />

positive Kenntnis von den, die Unfallversicherung<br />

prägenden, Ausschlussfristen<br />

hatte. 36 Es ging mit anderen Worten also<br />

nicht um das positive Wissen mit Blick<br />

auf diese Ausschlussfristen. Der BGH ging<br />

erkennbar davon aus, dass sich der Versicherungsmakler<br />

als Sachwalter des Kunden,<br />

auch bei der Schadensregulierung, zu<br />

vergewissern hat, ob der VN wegen dieser<br />

gefährlichen Ausschlussfristen einen Fris­<br />

tenkalender führt. Es ist so ähnlich, wie<br />

wenn ein Mandant von einem <strong>Recht</strong>sanwalt<br />

betreut wird. Der Mandant weiß in<br />

der Regel, ebenso wie der Anwalt, wann<br />

bestimmte Fristen, etwa für die Einreichung<br />

eines Schriftsatzes oder einer Klage<br />

oder einer Beschwerde, ablaufen. Möglicherweise<br />

weiß der Mandant auch, ob es<br />

sich um Ausschlussfristen handelt, die bei<br />

Versäumung nicht mehr geheilt werden<br />

können. Trotz dieses Wissens wird der<br />

Mandant seinen Anwalt in jedem Falle<br />

auf Schadensersatz in Anspruch nehmen<br />

können, wenn dieser eine Ausschlussfrist<br />

versäumt und dadurch dem Mandanten<br />

einen Vermögensnachteil zufügt.<br />

Sehr ähnlich argumentiert der BGH mit<br />

Blick auf den Makler. Er, der Makler, der<br />

zugleich Sachwalter des Kunden ist, habe<br />

sozusagen für diesen stellvertretend den<br />

Fristenkalender zu führen und auf den<br />

drohenden Fristablauf hinzuweisen. Die<br />

Tatsache, dass der selbst sachkundige VN<br />

von der Frist weiß und somit den Ablauf<br />

der Frist auch selbst berechnen könnte,<br />

ändert jedenfalls nichts an der Verpflichtung<br />

des Maklers, vor Ablauf der Frist so<br />

rechtzeitig nachzufragen, dass es dem VN<br />

im Zweifel noch möglich wird, die Frist<br />

einzuhalten.<br />

Der Fall belegt exemplarisch, dass es Fälle<br />

gibt, in denen der VN positives Wissen<br />

hat, aber trotzdem für die Umsetzung<br />

und Kontrolle dieses Wissens nicht selbst<br />

verantwortlich ist. Die eigene Verantwortung<br />

für das Wissen, so der BGH, entfällt<br />

deshalb, weil sich der VN eines Maklers,<br />

nämlich seines Sachverwalters, mit dem<br />

Ziel bedient, sich von der Kontrolle der<br />

relevanten Fristen im Zusammenhang mit<br />

der Abwicklung des Schadenfalles zumindest<br />

entlasten zu können. Dahinter steht<br />

der Gedanke, dass zwar jeder „seines<br />

eigenes Glückes Schmied“ ist; bedient er<br />

sich hingegen des sachkundigen Rates und<br />

der Unterstützung eines Dritten (gegen<br />

Entgelt), so wird die eigene Verantwortung<br />

auf einen Dritten verlagert.<br />

4. Vertrauen auf das Wissen des VN<br />

Unter bestimmten Voraussetzungen kann<br />

und darf der Makler auf das Wissen des<br />

VN, das dieser ihm weitergibt, vertrauen.<br />

Einen solchen Fall entschied das<br />

OLG Hamm am 20.06.2018. 37 Es ging<br />

um passenden Versicherungsschutz für<br />

eine Immobilie. Im Gespräch mit dem<br />

Geschäftsführer des Unternehmens, das<br />

die Immobilie versichern wollte, wurde<br />

ausdrücklich (Zeichnungsfrage 3) geklärt,<br />

dass es sich bei dem Gebäude nicht um<br />

ein Sanierungsobjekt handle. Diese Antwort<br />

war falsch, in Wirklichkeit stand das<br />

Gebäude leer und sollte saniert werden.<br />

Der VN wandte im Prozess gegen den<br />

Makler ein, dieser hätte das Gebäude besichtigen<br />

können und müssen. Das OLG<br />

Hamm widersprach: Bei einer klaren und<br />

eindeutigen Frage nach dem Zustand der<br />

Immobilie bestehe kein Anlass für den<br />

Makler, an der Richtigkeit der Antwort<br />

des VN zu zweifeln. In einem solchen Fall<br />

dürfe der Makler auf das Wissen des VN<br />

vertrauen – eine Immobilie müsse folglich<br />

nicht stets besichtigt werden.<br />

Der Fall zeigt, dass der Makler dem<br />

Wissen und den Kenntnissen des VN im<br />

Grundsatz vertrauen darf. Die Grenze<br />

ist dann erreicht, wenn der Makler mit<br />

der naheliegenden Möglichkeit eines<br />

Irrtums beim VN rechnen muss. 38 Auch<br />

falsche Vorstellungen des VN können das<br />

Vertrauen in die Aussage des VN erschüttern<br />

und eine Beratungsnotwendigkeit<br />

eröffnen. 39<br />

Im Urteil des OLG Düsseldorf vom<br />

16.11.2018 40 ging es um die Frage, ob<br />

eine Patentrechtsnichtigkeitsklage vom<br />

Deckungsschutz einer <strong>Recht</strong>sschutzversicherung<br />

umfasst war. Der Makler wies<br />

darauf hin, dass sich aus den dem VN<br />

übersandten Bedingungen und Rahmenverträgen<br />

eindeutig ergeben habe, dass<br />

die Abwehr von Patentrechtsnichtigkeitsklagen<br />

nicht versichert gewesen sei.<br />

Das OLG Düsseldorf erwiderte, dass der<br />

Makler sich darauf nicht berufen könne,<br />

weil er selbst dem VN in einer E-Mail<br />

bestätigt hatte, dass die Abwehr von<br />

Sonderausgabe<br />

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