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procontra-Thema-Recht

Die Experten der Kanzlei Michaelis bringen auf den Punkt, was für Beratung und Vertrieb 2021 wichtig ist.

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<strong>Recht</strong><br />

Keine Hinweis- und Informations pflichten des<br />

Arbeitgebers bei der Entgeltumwandlung?<br />

– TEXT: MARKUS KIRNER, RENTENBERATER UND SPEZIALIST DER BETRIEBLICHEN ALTERSVERSORGUNG –<br />

Mit einem aktuellen Urteil folgt<br />

das Bundesarbeitsgericht (BAG-<br />

Urteil vom 18.02.2020 – 3 AZR 206/18)<br />

seiner bisherigen <strong>Recht</strong>sprechung im<br />

Zusammenhang mit Hinweis- und Informationspflichten<br />

des Arbeitgebers zur<br />

betrieblichen Altersversorgung. Demnach<br />

hat der Arbeitgeber zwar keine allgemeine<br />

Pflicht, die Vermögensinteressen des<br />

Arbeitnehmers wahrzunehmen. Erteilt er<br />

jedoch Auskünfte, ohne hierzu verpflichtet<br />

zu sein, müssen diese richtig, eindeutig<br />

und vollständig sein. Andernfalls haftet<br />

der Arbeitgeber für Schäden, die der<br />

Arbeitnehmer aufgrund der fehlerhaften<br />

Auskunft erleidet.<br />

Im konkreten Fall hatte ein Betriebsrentner<br />

seinen ehemaligen Arbeitgeber auf<br />

Schadensersatz verklagt. Im Jahr 2003<br />

hatte er an einer Betriebsversammlung<br />

seines Arbeitgebers teilgenommen, auf<br />

der ein externer Berater die Arbeitnehmer<br />

über Chancen und Möglichkeiten<br />

der Entgeltumwandlung als Vorsorge<br />

über eine Pensionskasse informierte. Der<br />

Kläger schloss im September 2003 eine<br />

Entgeltumwandlungsvereinbarung mit<br />

Kapitalwahlrecht ab. Anfang 2015 ließ er<br />

sich seine Pensionskassenrente als Einmalkapitalbetrag<br />

auszahlen. Für diesen muss<br />

der Kläger aufgrund einer Gesetzesänderung<br />

im Jahr 2003 Beiträge zur Krankenund<br />

Pflegeversicherung entrichten. Nach<br />

Ansicht des Betriebsrentners hätte sein<br />

Arbeitgeber ihn vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung<br />

aktiv über<br />

das laufende Gesetzgebungsverfahren zur<br />

Einführung einer Beitragspflicht auch für<br />

Einmalkapitalleistungen informieren müssen.<br />

In diesem Fall hätte er eine andere<br />

Form der Altersvorsorge gewählt.<br />

Das BAG urteilte nun, dass der Arbeitgeber<br />

nur dann über die Gesetzesänderung<br />

hätte informieren müssen, wenn er vorab<br />

selbst konkret über diejenigen Sachverhalte<br />

informiert hätte, die durch die (geplante)<br />

Gesetzesänderung zulasten des Arbeitnehmers<br />

geändert wurden. Auf der Betriebsversammlung<br />

wurde über Beitragspflichten<br />

zur Sozialversicherung nicht unterrichtet.<br />

Daher war es auch unerheblich, ob dem<br />

Arbeitgeber das Verhalten des externen<br />

Beraters zuzurechnen sei.<br />

RECHTSAUFFASSUNG BESTÄTIGT<br />

Das BAG bestätigt mit diesem Urteil<br />

seine <strong>Recht</strong>sauffassung, die es bereits in<br />

seinem Urteil vom 21.01.2014 (3 AZR<br />

807/11) vertreten hat. Auch damals wurde<br />

klargestellt, dass der AG keine aktive<br />

Informationspflicht zum <strong>Recht</strong>sanspruch<br />

auf Entgeltumwandlung erfüllen muss.<br />

Vielmehr hat es dies als ausdrückliche<br />

Holschuld des AN definiert. Begründet<br />

wurde dies damit, dass die Materie an<br />

sich leicht verständlich und Informationen<br />

jederzeit zugänglich wären, zum Beispiel<br />

im Internet.<br />

Zugleich hat das BAG jedoch darauf<br />

hingewiesen, dass Hinweis- und Informationspflichten<br />

des Arbeitgebers immer<br />

dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer<br />

sein Interesse an einer Entgeltumwandlung<br />

äußert.<br />

SCHLUSSFOLGERUNGEN AUS DEN URTEILEN:<br />

Aus diesen Urteilen sind drei wesentliche<br />

Schlüsse zu ziehen:<br />

1. Soweit die betriebliche Altersversorgung<br />

lediglich und ausschließlich auf<br />

der gesetzlichen (Mindest-)Anforderung<br />

beruht, bedarf es keiner aktiven<br />

Information der Arbeitnehmer durch<br />

den Arbeitgeber oder eines von ihm<br />

beauftragten Erfüllungsgehilfen. Erfolgt<br />

dennoch eine Information, so hat diese<br />

vollständig und richtig zu sein.<br />

2. Sind Informationen über Umstände, die<br />

die Entscheidung des Arbeitnehmers<br />

für oder gegen eine Entgeltumwandlung<br />

maßgeblich beeinflussen, nicht frei<br />

zugänglich, können durchaus aktive<br />

Hinweis- und Informationspflichten<br />

des Arbeitgebers entstehen. So sind<br />

zum Beispiel Zuschussregelungen, die<br />

deutlich von den gesetzlichen Vorgaben<br />

abweichen (freiwillig nach oben oder<br />

durch Tarifvertrag auch nach unten) für<br />

den Arbeitnehmer in der Regel nicht<br />

zugänglich, ohne dass sein Arbeitgeber<br />

ihm diese gibt. Denn weder Versorgungsordnungen<br />

noch Betriebsvereinbarungen<br />

stehen im Internet. Auch<br />

der Wortlaut von Tarifverträgen ist<br />

regelmäßig nicht einfach einsehbar.<br />

3. Wenn der Arbeitnehmer sein Interesse<br />

an einer Entgeltumwandlung bekundet,<br />

entstehen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten<br />

des Arbeitgebers und somit<br />

Informationsbedarf. Das BAG erwähnt<br />

hier ausdrücklich alle Faktoren der<br />

Entgeltumwandlung, die durch den Arbeitgeber<br />

beeinflussbar sind. Dies sind<br />

in erster Linie Durchführungsweg(e),<br />

Zusageart, Leistungsarten, konkrete(r)<br />

Versorgungsträger sowie Versorgungsoder<br />

Versicherungsbedingungen des<br />

externen Versorgungsträgers (gegebenenfalls<br />

einschließlich Kosten).<br />

INFORMATION BEI KONKRETEM<br />

ANLASS GEBOTEN<br />

Zudem hat das BAG, unter anderem in<br />

seinem Urteil vom 19.05.2016 (3 AZR<br />

794/14) zum Ausdruck gebracht, dass<br />

der Arbeitgeber eine Informationspflicht<br />

gegenüber seinen Arbeitnehmern immer<br />

dann hat, wenn sich etwas dergestalt am<br />

Arbeitsverhältnis verändert, dass es Auswirkungen<br />

auf die betriebliche Altersversorgung<br />

hat. In diesen Fällen (etwa beim<br />

Ausschieden des Arbeitnehmers) hat der<br />

12<br />

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