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procontra-Thema-Recht

Die Experten der Kanzlei Michaelis bringen auf den Punkt, was für Beratung und Vertrieb 2021 wichtig ist.

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<strong>Recht</strong><br />

Richtungsweisendes BSV-Urteil des OLG Hamm<br />

gegen den Versicherungsnehmer oder Einzelfall?<br />

– TEXT: RA KATHRIN PAGEL, FACHANWÄLTIN FÜR VERSICHERUNGSRECHT –<br />

deutet, dass dem Versicherungsnehmer im<br />

vorliegenden Fall der weitere <strong>Recht</strong>sweg<br />

jedenfalls nicht abgeschnitten wird. Es ist<br />

aktuell aber fraglich, ob sich das OLG<br />

Hamm in Zukunft in diesem speziellen<br />

Fall in rechtlicher Hinsicht noch anders<br />

positionieren wird.<br />

Das OLG Hamm hat speziell einen<br />

Versicherungsvertrag gewürdigt, in dem<br />

die Formulierung verwendet wird: „nur<br />

die im Folgenden aufgeführten (vgl. §§ 6<br />

und 7IfSG) …“, anschließend wird eine<br />

Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern<br />

vorgenommen. In dieser<br />

Aufzählung sind weder Covid-19 noch<br />

Sars-CoV-2 genannt.<br />

Offen bleibt, wann die Versicherungsnehmerin<br />

diesen Vertrag geschlossen<br />

hatte; bekannt ist derzeit nur, der<br />

Vertragsschluss lag vor dem Zeitpunkt<br />

des Inkrafttretens einer Änderung des<br />

Infektionsschutzgesetzes, in deren Zuge<br />

das neuartige Coronavirus mit in die Auflistung<br />

aufgenommen wurde. Das OLG<br />

Hamm gibt dazu weiter an, dass für den<br />

durchschnittlichen Versicherungsnehmer<br />

deutlich werde, dass der Versicherer nur<br />

für die benannten, vom Versicherer einschätzbaren<br />

Risiken einstehen wolle. Bei<br />

einem nur kurz vorher geschlossenen Vertrag<br />

mag das so sein, hingegen ist dies bei<br />

einem länger bestehenden Vertrag wohl<br />

schon fraglich, denn der Versicherungsnehmer<br />

wird immer davon ausgehen, für<br />

die aktuellen Gefahren Schutz zu erhalten,<br />

dies insbesondere, wenn auf ein Gesetz<br />

verwiesen wird. Nach dem OLG Hamm<br />

kann im vorliegenden Fall der Hinweis<br />

auf „vgl. §§ 6 und 7IfSG“ jedenfalls nicht<br />

dahin gehend verstanden werden, dass der<br />

Versicherer auch bei einer späteren Erweiterung<br />

des Gesetzes Versicherungsschutz<br />

gewähren würde. In anderen Fällen mag<br />

Das OLG Hamm hat zu einer<br />

Einzelkons tellation im Versicherungsvertrag<br />

über eine Betriebsschließungsversicherung<br />

(BSV) als Berufungsinstanz<br />

im Verfahren des einstweiligen<br />

<strong>Recht</strong>sschutzes entschieden. Gegen<br />

Berufungsurteile im einstweiligen <strong>Recht</strong>sschutz<br />

besteht kein weiteres <strong>Recht</strong>smittel.<br />

Sie sind unanfechtbar, sodass der BGH<br />

in dieser Sache zunächst nicht entscheiden<br />

kann. Allerdings wird es wohl auch<br />

noch ein Hauptsacheverfahren geben,<br />

auf das das OLG Hamm ausdrücklich<br />

hingewiesen hat. Bei dem einstweiligen<br />

<strong>Recht</strong>sschutz handelt es sich um ein<br />

summarisches Verfahren zur Sicherung<br />

eines Anspruchs bzw. zur einstweiligen<br />

Regelung eines <strong>Recht</strong>sverhältnisses. Das<br />

Hauptsacheverfahren darf damit nicht<br />

vorweggenommen werden. Offenbar<br />

sieht das OLG Hamm unter Umständen<br />

noch weitere Möglichkeiten der Durchsetzung<br />

des Anspruchs des Versicherungsnehmers<br />

im Hauptsacheverfahren,<br />

worauf (vorsichtig) mit der Formulierung<br />

„eine Vorwegnahme der Hauptsache (sei)<br />

hier nicht gerechtfertigt“ am Ende des<br />

Beschlusses hingewiesen wird. Das bedas<br />

aber möglicherweise anders gewertet<br />

werden.<br />

In dieser Konstellation sieht das OLG<br />

Hamm nun offenbar die vorgenommene<br />

Aufzählung als abschließend an. Es ist<br />

wohl zu erwarten, dass das OLG Hamm<br />

diese <strong>Recht</strong>sauffassung auch in einem<br />

eventuellen Hauptsacheverfahren vertreten<br />

wird. Allerdings ist die Entscheidung<br />

im einstweiligen <strong>Recht</strong>sschutz eine vorläufige,<br />

die bei einem besonderen Eilbedürfnis<br />

getroffen wird. Grundsätzlich könnte<br />

sich diese Auffassung zur Auslegung der<br />

Versicherungsbedingungen daher auch im<br />

Hauptsacheverfahren noch ändern.<br />

Besonders ist an der verwendeten<br />

konkreten Klausel – im Unterschied zu<br />

anderen in der Praxis bekannten Klauseln<br />

– insbesondere das Wörtchen „nur“.<br />

Diese Klausel wird als eine der somit<br />

engsten Formulierungen in der Praxis<br />

anzusehen sein. Davon ausgehend, dass<br />

in dem hier konkret überprüften Fall<br />

dadurch eine sehr strenge Einschränkung<br />

auf die benannten Infektionskrankheiten<br />

vorgenommen wird, kann sich für andere<br />

Vertrags-Konstellationen und Formulierungen<br />

durchaus – gegebenenfalls auch<br />

schon im einstweiligen <strong>Recht</strong>sschutz –<br />

abweichend eine Einstandspflicht des<br />

Versicherers ergeben.<br />

FAZIT<br />

Derzeit sind viele verschiedene Verfahren<br />

anhängig, eine genaue Richtung kann<br />

aktuell noch nicht abgesehen werden. Es<br />

könnte sich zudem vorliegend um eine –<br />

in diesem Falle nicht richtungsweisende –<br />

Einzelkonstellation handeln, aus dem<br />

Beschluss des OLG Hamm allein ist dies<br />

nicht genau ersichtlich. Die nachfolgende<br />

<strong>Recht</strong>sprechung darf nun mit Spannung<br />

erwartet werden.<br />

28<br />

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