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procontra-Thema-Recht

Die Experten der Kanzlei Michaelis bringen auf den Punkt, was für Beratung und Vertrieb 2021 wichtig ist.

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<strong>Recht</strong><br />

streitenden Interessen von Schuldner<br />

und Gläubiger in Einklang gebracht. Weil<br />

es im Ergebnis vor allem um Provisionsansprüche<br />

des Handelsvertreters gegen<br />

den Unternehmer geht, verpflichtet § 87c<br />

Abs. 1 HGB den Unternehmer zunächst<br />

über die Provisionen abzurechnen, auf<br />

die der Handelsvertreter Anspruch hat.<br />

Im Normalfall ist mit der Abrechnung<br />

das rechtlich anerkannte Informationsbedürfnis<br />

des Handelsvertreters befriedigt.<br />

Durch die schriftliche Zusammenstellung<br />

aller provisionspflichtigen Geschäfte ist<br />

der Handelsvertreter nämlich in der Lage,<br />

die ihm gebührenden Provisionen nachzuprüfen,<br />

insbesondere durch Abgleich mit<br />

seinen eigenen ordnungsgemäß geführten<br />

Unterlagen.<br />

Sind sich Unternehmer und Handelsvertreter<br />

aufgrund der Abrechnung über<br />

die Provisionen einig, bedarf es mangels<br />

bestehender Unsicherheit der weiteren<br />

<strong>Recht</strong>e aus § 87c Abs. 2 bis 4 HGB gar<br />

nicht. 38 Sie sollen dem Handelsvertreter<br />

nämlich nur ermöglichen, die Richtigkeit<br />

der Abrechnung zu prüfen, sodass sie<br />

gegenstandslos werden, wenn der Handelsvertreter<br />

die Abrechnung anerkannt<br />

hat. 39 Bestehen hingegen Zweifel an<br />

der Richtigkeit oder Vollständigkeit der<br />

Abrechnung, bieten Buchauszug, Auskunft<br />

und Bucheinsicht die Möglichkeit<br />

zur „Ergänzung“ der Abrechnung, indem<br />

der Handelsvertreter seinen Verdacht auf<br />

unzureichende Abrechnung bestätigen<br />

und offene Fragen klären kann bzw. sich<br />

beantworten lässt.<br />

Der im vorliegenden Fall angesprochene<br />

Fall des Saldoanerkenntnisses trifft sich<br />

daher mit dem Anerkenntnis der „plausiblen“<br />

Abrechnung.<br />

Wann hat der Unternehmer seine diesbezügliche<br />

Pflicht erfüllt? Die Pflicht<br />

zur Information heißt Befriedigung des<br />

jeweils rechtlich anerkannten Informationsbedürfnisses.<br />

Die „Besonderheit“ des<br />

Handelsvertreters besteht nun darin, dass<br />

der Gesetzgeber ein austariertes Informationssystem<br />

in Form einer komplexeren<br />

Struktur geschaffen hat und sich nicht<br />

auf einen einzigen Auskunftsanspruch<br />

beschränkt. Dies findet seine Erklärung<br />

wiederum in der kompakten Vertragsstruktur<br />

des Vertriebs, der durch die Wahl<br />

des „Geschäftsbesorgungsvertrages“<br />

(mit seiner komplizierten <strong>Recht</strong>snatur)<br />

und dem Umstand, stets innerhalb eines<br />

Mehrparteien-Verhältnisses abgewickelt<br />

zu werden, beschrieben werden kann. Der<br />

Handelsvertreter ist mithin ein markantes<br />

Beispiel für eine <strong>Recht</strong>sbeziehung mit<br />

einer Vielfalt von Anspruchsgrundlagen<br />

und damit bereits systemvorgegeben<br />

komplex.<br />

Dementsprechend vorsichtig ist bei der<br />

Behauptung zu agieren, dieser habe eine<br />

Abrechnung „anerkannt“ und sich somit<br />

auch der ganzen Kohorte weiterer Informationsrechte<br />

begeben. Dieser Aspekt,<br />

zugunsten der vorherrschenden <strong>Recht</strong>sprechung,<br />

soll nicht übergangen werden.<br />

Nun ist aber anerkannt, dass auch dem<br />

weitschweifigsten Informationsinteresse<br />

berechtigte Interessen des Geschäftspartners<br />

entgegentreten können und müssen. 40<br />

Die „Besonderheit“ des Informationsanspruchs<br />

besteht in der Natur dieses<br />

Anspruchs.<br />

Nach der Legaldefinition des § 194 Abs. 1<br />

BGB ist ein Anspruch das <strong>Recht</strong>, von<br />

einem anderen ein Tun oder Unterlassen<br />

verlangen zu können. Er kann dabei vermögensrechtlicher<br />

als auch nichtvermögensrechtlicher<br />

Natur sein. Er kann daher<br />

auf Tun oder Unterlassen jeglicher Art<br />

gerichtet sein. Wesentlich für den Begriff<br />

des Anspruchs ist zudem die Bestimmtheit<br />

seines Inhalts. 41 Genau diese Bestimmtheit<br />

ist aber bei dem Informationsanspruch<br />

das Problem. Eine sinnvolle Vorab-Konturierung<br />

der konkreten Pflichten des Informationsschuldners<br />

ist schwer möglich,<br />

weil diese Erkenntnis genau jene Information<br />

voraussetzte, die der Schuldner erst<br />

zu leisten verpflichtet ist.<br />

Um in dieser Situation einem infiniten<br />

Regress zu entkommen, ist notwendigerweise<br />

der Maßstab festzulegen, innerhalb<br />

dessen der Gläubiger Information<br />

beanspruchen darf. Eine praxisgerechte<br />

Handhabung erfordert eine solche Grenzziehung,<br />

die im Rahmen der Leistungserfüllung<br />

den Soll-Zustand der Leistung<br />

markiert und damit dem Schuldner vorgibt,<br />

welche Leistungspflicht ihn (noch)<br />

trifft.<br />

Ebendies wird in der Wiedergabe der<br />

Standard-<strong>Recht</strong>sprechung zu Handelsvertreterrecht<br />

stets übersehen. Es wird<br />

einfach so getan, als träfe den Geschäftsherrn<br />

eine unendliche Informationspflicht,<br />

weil ja auch das (vermeidliche) Schutzbedürfnis<br />

des Handelsvertreters unendlich<br />

sein kann (moralisch betrachtet).<br />

Wie gezeigt, folgt das Fehlen immanenter<br />

Grenzen aus dem Umstand, dass theoretisch<br />

jedes scheinbar noch so unbedeutende<br />

Datum Einfluss auf den Entscheidungsprozess<br />

haben kann. Je weiter der<br />

Kreis erfasster Tatsachen und Umstände<br />

ist, desto größer wird der Aufwand des<br />

Schuldners zur Erfüllung seiner Leistungspflicht<br />

werden. Der Nutzen des Empfängers<br />

an den weiteren Informationen kann<br />

hingegen nicht zwangsläufig im gleichen<br />

Maße ansteigen. Vielmehr wird von einem<br />

bestimmten Punkt an die weitere Verringerung<br />

der Entscheidungsunsicherheit in<br />

keinem Verhältnis mehr zu dem Aufwand<br />

stehen, der dem Schuldner durch<br />

Erbringung seiner Informationspflicht<br />

erwächst. Während der Aufwand immer<br />

größer wird, nimmt die Entscheidungsunsicherheit<br />

in immer geringer werdendem<br />

Umfang ab. Der Aufwand des Schuldners<br />

ist dann zum Nutzen des Gläubigers nicht<br />

mehr verhältnismäßig.<br />

Eine nur unter unverhältnismäßigem,<br />

vernünftigerweise nicht zumutbarem<br />

Aufwand zu erbringende Leistung kann<br />

der Gläubiger allerdings vom Schuldner<br />

nicht verlangen. Dem steht ein dahin gehender<br />

allgemeiner <strong>Recht</strong>sgrundsatz, der<br />

in § 275 Abs. 2 S. 1 BGB auch gesetzlich<br />

manifestiert ist, entgegen. 42 Um sowohl<br />

dem allgemeinen <strong>Recht</strong>sgrundsatz zu<br />

entsprechen als auch dem Verdikt der<br />

Unmöglichkeit einer Informationspflicht<br />

nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB vorzubeugen,<br />

ist es daher angezeigt, dem Informationsinteresse<br />

des Gläubigers Grenzen zu<br />

setzen und somit dem Gedanken auch der<br />

Verhältnismäßigkeit zwischen Leistungsaufwand<br />

und Leistungsnutzen Rechnung<br />

zu tragen. Dem kann durch eine sachgerechte<br />

und zweckmäßige Begrenzung des<br />

Informationsinteresses auf einen rechtlich<br />

relevanten Bereich Genüge getan werden.<br />

Die Grenzziehung hat sich dabei daran<br />

zu orientieren, welcher Grad an Entscheidungsunsicherheit<br />

im Einzelfall unter<br />

Berücksichtigung des Informationsaufwands<br />

und des berechtigten Informationsinteresses<br />

des Gläubigers hinnehmbar<br />

ist. Das berechtigte Leistungsinteresse und<br />

damit der zumutbare Aufwand können<br />

umso größer sein, je bedeutsamer eine<br />

Entscheidung mit Blick auf ein betroffenes<br />

<strong>Recht</strong>sgut oder die wirtschaftlichen Folgen<br />

ist. Ausgangspunkt ist dafür wiederum<br />

die Bestimmung des maßgeblichen<br />

Empfängerhorizonts.<br />

Hintergrund dafür ist folgende Überlegung:<br />

Information ist subjektbezogen<br />

und damit nur begrenzt der notwendigen<br />

Objektivierung zugänglich. Das Verlangen<br />

nach Information ist ein „Fass ohne Boden“<br />

und kann daher nie wirklich befriedigt<br />

werden. 43 Um dennoch wenigs tens in<br />

Teilbereichen Information als Gegenstand<br />

18<br />

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