statement - HfMDK Frankfurt
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<strong>Frankfurt</strong> in Takt 12/1 GELD und KUNST<br />
Oben: Johannes Martin Kränzle<br />
als „Alberich“ mit den drei Rheintöchtern<br />
in der bayerischen Staatsoper.<br />
Foto: W. Hösl<br />
Unten: Johannes Martin Kränzle<br />
beim Meisterkurs mit der <strong>HfMDK</strong>-Gesangsklasse.<br />
zufällig. Mir war und ist es auch nie wichtig gewesen, meinen<br />
Wert zu steigern – mir ging es stets eher darum, mit tollen Leuten<br />
zusammenarbeiten zu können.<br />
FiT Was hat Ihnen dabei geholfen?<br />
Kränzle Einerseits sicherlich die Teilnahme an Wettbewerben.<br />
Durch sie habe ich mein Netzwerk an Kontakten weiter ausbauen<br />
können. So steigerte sich auch die Anzahl an Gastengagements.<br />
Zum anderen ist es wichtig, bei einer guten Agentur unter Vertrag<br />
zu sein. In meinem fünften Berufsjahr kam ich in Hannover ins<br />
Festengagement und dort ins sogenannte erste Fach, also in die<br />
Hauptrollen. Etwa ab diesem Zeitpunkt musste ich mir nicht mehr<br />
vor jedem Kinobesuch die Frage stellen, ob ich ihn mir gerade<br />
leisten kann oder nicht.<br />
FiT Wie gut bezahlt sind Gastengagements?<br />
Kränzle Mit der Gastiertätigkeit kann man überdimensional gut<br />
verdienen. Der Vergleich ist schon skurril: Möglicherweise ist dabei<br />
die Gage für einen Abend genauso hoch wie das Monatsgehalt<br />
eines gleichwertigen Festengagements.<br />
FiT Woran liegt das?<br />
Kränzle Vielleicht hat es mit dem Eventcharakter zu tun und damit,<br />
dass auch Sponsoren involviert sind. Wenn Engagements kurzfristig<br />
kommen, man also als Ersatz für einen erkrankten Kollegen ein-<br />
springen soll, wird man allerdings auch für den psychischen Stress,<br />
den man auf sich nimmt, mitbezahlt. Kürzlich musste ich in der<br />
Münchner Rheingold-Premiere als „Alberich“ einspringen. Als<br />
Vorbereitung auf die Inszenierung blieb mir neben einem Briefing<br />
des Regisseurs nur die Generalprobe. Solche Herausforderungen<br />
nehme ich aber gern an – ich bin eben so ein „Einspringertyp“.<br />
FiT Und wenn man selbst ein Engagement wegen einer Erkältung<br />
absagen muss?<br />
Kränzle Dann gibt es natürlich keinen Cent für den Ausfall. Und es<br />
gibt auch andere Gründe als nur die eigene Krankheit, warum eine<br />
Vorstellung ausfallen kann. Als ich an der Mailänder Scala ein<br />
Engagement hatte, fiel beispielsweise die gesamte Premiere einem<br />
Streik zum Opfer, der als Protest gegen Berlusconi gedacht war.<br />
Danach war es nur einer ausgesprochenen Kulanz der Verantwort-<br />
lichen zu verdanken, dass wir die Gage dennoch ausgezahlt<br />
bekamen.<br />
FiT Von der Fachzeitschrift „Opernwelt“ zum „Sänger des Jahres“<br />
ausgezeichnet, muss Ihnen doch nun finanziell nicht mehr bange<br />
sein.<br />
Kränzle Gerade in diesem Geschäft ist es gefährlich, sich auf<br />
Lorbeeren auszuruhen. Es reicht nicht, dass ich vielleicht gestern<br />
29<br />
toll gesungen habe: Ich muss es heute wieder tun, um zu bestehen.<br />
Vielleicht steigert eine Auszeichnung wie die genannte die Autori-<br />
tät, die einem zugesprochen wird. Doch an so manchem Kollegen<br />
der Sängerwelt sehe ich auch, wie schnell es wieder abwärts<br />
gehen kann. Die Sängerbranche ist auch so etwas wie ein Mode-<br />
Karussell, durch das man schnell wieder an den Rand der Szene<br />
katapultiert werden kann.<br />
FiT Macht Ihnen das manchmal Angst?<br />
Kränzle Persönliche Gelassenheit ist einer meiner größten Trümpfe,<br />
für die ich dankbar bin. Sie hat sich in nun 25-jähriger Berufs-<br />
erfahrung entwickelt und bringt mit sich, dass ich alles nicht mehr<br />
so existenzialistisch sehe und mir mehr Freiheiten nehmen kann.<br />
FiT Was bedeutet für Sie Freiheit in finanzieller Hinsicht?<br />
Kränzle Die Freiheit, oft reisen zu können ohne finanzielles Limit.<br />
Noten und Instrumente besitzen zu können, ist mir auch wichtig.<br />
Auf meine umfangreiche CD-Sammlung könnte ich eher verzichten.<br />
FiT Im Dezember sind Sie an ihren alten Studienort zurückgekehrt,<br />
um einen Meisterkurs zu geben. Welche Eindrücke bleiben haften?<br />
Kränzle Ich fand es toll, dass alle zwölf Gesangsstudierenden, die<br />
ich unterrichten durfte, versucht haben, sich auf mich und meine<br />
Ideen einzulassen. Von ihrer Offenheit war ich angenehm über-<br />
rascht. Sie haben etwas von meiner Überzeugung verstanden,<br />
dass ein Sänger nicht nur ein Instrument ist, sondern vor allem ein<br />
Erzähler. Und genau darin liegt auch der Schlüssel: Wer einen<br />
Gedanken in dem Moment wirklich formuliert, in dem er ihn singt,<br />
ist ein interessanter und damit außergewöhnlicher Sänger. bjh