blu März / April 2021
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20<br />
STYLE<br />
INTERVIEW<br />
FOTO: R. KATER<br />
KILIAN KERNER:<br />
„Ich verstehe den Egoismus nicht“<br />
<strong>2021</strong> hat der Berliner Modedesigner<br />
allen Grund zu feiern:<br />
Auf der Mercedes-Benz Fashion<br />
Week präsentierte Kilian Kerner<br />
seine 20. Modenschau in Berlin. Und<br />
die VOGUE übertrug live. Wir sprachen<br />
mit dem viel Beschäftigten.<br />
Wofür steht der Kollektionsname<br />
Traumwelt für dich?<br />
Isoliert und single zu sein, ist wirklich<br />
belastend während Corona. Ich brauchte<br />
einen Ort, an den ich flüchten konnte,<br />
meine Traumwelt. Die Kollektion ist „sehr<br />
hübsch“, sehr fließend, einfach schön<br />
anzusehen, es gibt aber natürlich auch<br />
Brüche. Es ist eine Realitätsflucht.<br />
Seit einem Jahr ist die Realität alles andere<br />
als eine Traumwelt. Wie hat dich die<br />
Pandemie als Geschäftsmann getroffen?<br />
Komplett. Es hat mit dem, was vor einem<br />
Jahr war, nichts mehr zu tun. 2020 fing<br />
eigentlich extrem erfolgreich an, es gab<br />
eine Kooperationsanfrage nach der nächsten.<br />
Innerhalb von zehn Tagen wurde dann<br />
alles abgesagt. Zuerst dachte ich noch: „Bis<br />
zum Sommer ist das vorbei“, und habe an<br />
meiner Kollektion weitergearbeitet. Alles<br />
wurde auf Online-Meetings umgestellt.<br />
Insgesamt war ich zehn Wochen alleine in<br />
meiner Wohnung und habe nur zwei Leute<br />
für jeweils eine Stunde getroffen. Irgendwann<br />
bin ich dann fast durchgedreht und<br />
bin für vier Wochen zu meiner Mutter<br />
gefahren. Ich wusste nicht, wie es weitergeht.<br />
Nach einem kurzen Berlinaufenthalt<br />
war ich dann erneut sechs Wochen bei<br />
meiner Mutter.<br />
Wie ging es weiter?<br />
Dann veränderte sich plötzlich alles, eine<br />
Anfrage führte ein großes Glück herbei.<br />
Ich bin Teil von zwei Fernsehprojekten und<br />
einer YouTube-Talkshow, die über<br />
mehrere Monate geht. 2022 soll<br />
auch eine Kollektion für TUI<br />
herauskommen. Ich kann wieder<br />
arbeiten, aber komplett<br />
anders. Ich habe ein neues<br />
Büro und fahre dahin nur<br />
mit dem Taxi. Ich darf<br />
nicht krank werden und<br />
lebe weiterhin extrem<br />
isoliert. Wenn ich<br />
krank werde, kippt<br />
alles.<br />
Wie ist es nun bei<br />
den Vorbereitungen<br />
zur kommenden<br />
Schau?<br />
Es wurde alles neu<br />
strukturiert, weil es jetzt<br />
so sein muss. Ich bin da<br />
sehr pedantisch. Es gibt z.<br />
B. kein Casting, Hunderte<br />
neue Vorschriften, wir werden<br />
regelmäßig getestet, wir<br />
arbeiten alle mit großem<br />
Abstand zueinander.<br />
Und privat?<br />
Einige Freundschaften wurden viel intensiver,<br />
auch wenn man sich nicht gesehen<br />
hat. Mit meinem langjährigen Stylisten Ingo<br />
etwa telefoniere ich jetzt fast täglich und<br />
immer sehr lange, das wurde sehr viel enger.<br />
Es gab auch Freundschaften, die durch die<br />
Pandemie in die Brüche gingen, weil ich<br />
merkte, wie egoistisch diese Leute eigentlich<br />
sind. Weiter Party machen, etwa auf<br />
der Spree, Leute treffen, die Regeln nicht<br />
beachten. Ich halte mich von Anfang an<br />
an alles, weil ich an andere denke und auch<br />
wieder arbeiten will. Manche benahmen<br />
sich wie egoistische Flachw*chser, das<br />
verstehe ich einfach nicht. Manch<br />
einer hat sich eine eigene Wahrheit<br />
zurechtgebogen. Diesen Aufstand<br />
um Weihnachten und Silvester<br />
habe ich auch nicht verstanden.<br />
Es ging um ein Weihnachten<br />
und ein Silvester. Ich verstehe<br />
den Egoismus nicht. Wieso<br />
muss man überhaupt<br />
dieses Zeug in die Luft<br />
jagen? Das habe ich noch<br />
nie verstanden. Einer hat<br />
sich den Kopf weggesprengt<br />
... Dann noch die<br />
Umweltverschmutzung.<br />
Kann man nicht für<br />
immer aufs Böllern<br />
verzichten? Weg mit dem<br />
Dreck!<br />
FOTO: GETTY IMAGES<br />
*Interview: Michael Rädel