blu März / April 2021
blu ist das queere Lifestyle-Magazin für Berlin
blu ist das queere Lifestyle-Magazin für Berlin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
32 SZENE<br />
NACHGEFRAGT<br />
FOTO: J. RICKERS<br />
WOLFGANG MÜLLER:<br />
„Die erste Anfrage der documenta hatte ich noch abgelehnt ...“<br />
Künstler, Kurator, Punker – ein<br />
Kreativer, der, nachdem er seine<br />
Heimatstadt Wolfsburg verlassen hatte<br />
(nicht ohne zuvor dort für queeres Leben<br />
und Projekte zu sorgen), international in<br />
der Kunstwelt punktete.<br />
Als wir mit Wolfgang Müller telefonierten,<br />
war er gerade dabei, einen Teil seiner<br />
Kunst, seines Archivs nach Bremen zu<br />
bringen. Warum? Weil er dort eine „wunderbare“<br />
Galerie hat, die ihn vertritt. Und<br />
dort kann er im Schauraum der Galerie K<br />
seine Kunst einlagern.<br />
„Ohne dass es Geld kostet, diese Galerie<br />
ist ja nicht DHL“, verrät er lächelnd. Es<br />
steht aber kein Umzug nach Bremen an.<br />
Wolfgang Müller, der 1979 nach Berlin kam,<br />
bleibt der deutschen Hauptstadt treu.<br />
Zudem vertritt ihn noch eine ebenfalls<br />
„wunderbare“ Galerie in Hamburg, auch<br />
dort ist seine Kunst zu finden. Erschafft<br />
er also so viel, dass er es überall verteilen<br />
muss? Nein. „Ich halte nichts davon,<br />
möglichst viel zu produzieren, bei vielen<br />
Künstlern denke ich mir, dass ja nur wenig<br />
wirklich gut ist, das von ihnen in Umlauf<br />
ist. Ich habe mich schon seit letztem Jahr<br />
mehr darauf konzentriert, mein Werk zu<br />
katalogisieren und zu archivieren. Was<br />
nicht heißt, dass ich jetzt nichts Neues<br />
mehr mache!“<br />
Die Zeit der Corona-Pandemie hat für ihn,<br />
bei aller Tragik, auch ihre guten Seiten:<br />
„Ich habe das Glück, dass ich keine Gelder<br />
beantragen muss und auch so über die<br />
Runden komme“, so der legendäre Künstler<br />
und Schwulenaktivist, der auch schon bei<br />
der weltweit bedeutendsten Reihe von<br />
Ausstellungen für zeitgenössische Kunst,<br />
der documenta, dabei war. Seine Projekt Die<br />
Tödliche Doris war bei der achten Ausgabe<br />
dabei – und eine der ersten und einzigen<br />
Punk-Avantgarde-Features der documenta,<br />
die auch im offiziellen Katalog dazu auftauchen.<br />
„Die erste Anfrage der documenta<br />
hatte ich noch abgelehnt“, verrät Wolfgang<br />
kichernd. „Die wollten, dass ich alles selber<br />
zahle. Fünf Jahre später, bei der documenta<br />
8, 1987, waren sie dann bereit, mir meine<br />
Kosten und etwas mehr zu bezahlen“ –<br />
Kunst verdient auch, ihre Wertschätzung<br />
auch durch Geld zu bekommen.<br />
Zum Thema Geld gibt er kritisch zu<br />
bedenken: „Bei manchen meiner Kunstkollegen<br />
verstehe ich nicht ganz, warum sie<br />
jetzt diese 9.000 Euro Corona-Staatshilfen<br />
beantragt haben, obwohl sie reich sind ...<br />
Sie nehmen das Geld ja ärmeren Künstlern<br />
weg. Mir war und ist mein Ruf immer<br />
wichtig gewesen, wer das Geld beantragt,<br />
sollte es auch wirklich brauchen. Ich tu es<br />
nicht ...“, so der punkige Freigeist, der auch<br />
immer wieder auf Island lebt. *rä<br />
wolfgangmuellerrr.de