STIL Das ganze Jahr im Einsatz Vom Winter bis zum Frühlingsbeginn werden die Reben von Neu-Winzer Michael Winkler geschnitten. Im Frühling bindet er die jungen Triebe hoch – einige Rebsorten brauchen mehr Hilfe zum Ranken, andere halten sich selbst an den quergespannten Drähten fest. ren, zum Beispiel mit Schwefel.“ Ob sich der Aufwand wirklich gelohnt hat, wird sich erst im nächsten Frühjahr zeigen. Erst nach einem halben Jahr Gärung, Verarbeitung und viel Ruhe ist der Wein reif für den Genuss. DEN JAHRGANG 2020 verarbeitet Familie Winkler nicht selbst, sondern lässt ihn bei einem Winzer in Sachsen-Anhalt ausbauen. Rund 2,5 Tonnen sind in diesem Jahr zusammengekommen – „das ist immer noch eine Versuchsmenge.“ Solaris, Souvignier gris und Riesling werden zunächst einzeln vergoren und ausgebaut. „Hinterher gucken wir mal, wie wir die Weine verschneiden“, so der Winzer. Eine Göttinger Cuvée wird entstehen. Allein der Genuss der reifen Solaris-Trauben bringt die Fantasie in Schwung: In der Nase verbreiten sich leichte Zitrusnoten, unterm Gaumen entfalten die Aromen reifer Beerenfrüchte ihre betörende Wirkung. Das macht Lust auf Wein aus Niedersachsen. Schon ein Jahr zuvor haben die Winklers in kleinem Rahmen zu Hause eine Cuvée aus Muscaris und Solaris hergestellt. „Das war schon ein sehr gutes Tröpfchen,“ sagt Michael Winkler und lacht. „Fruchtiges Bouquet im Glas und trocken – so, wie wir das mögen,“ ergänzt seine Frau. Perspektivisch will Familie Winkler alles selbst machen: von der Rebe bis zur Flasche ES WAR UM SEINEN 50. GEBURTSTAG herum, als sich Michael Winkler vorgenommen hat, neben seinem Hauptberuf als Apotheker in Göttingen noch etwas anderes anzufangen. Ein Faible für Wein, für den Genuss und das Lebensgefühl hatte er schon immer. Er ist ,am Tor zum Rheingau‘ geboren, einer Region in Hessen, wo der Weinanbau Tradi tion hat. So kam es dazu, dass er sich umgehört hat, ob und wie in Südniedersachsen Wein professionell angebaut werden kann. Und damit ist er nicht allein. Die Lust, etwas Besonderes zu machen, und die Leidenschaft für Wein sind es, die viele der Winzerpioniere antreiben. Es sind Lehrer dabei, ein Architekt, Restaurantbesitzer und auch Landwirte. 2016 hat das Land Niedersachsen 7,5 Hektar Weinanbaufläche genehmigt – eine EU- Verordnung hat das möglich gemacht. Winkler bekam rund 2,8 davon zugesprochen – bis heute eine der größten zusammenhängenden professionellen Anbauflächen in diesem Gebiet. Mittlerweile sind es bundesweit fast 25 Hektar, Tendenz steigend. WIRD NIEDERSACHSEN also einmal Weinland? Vielleicht, aber das wird dauern. „Die Perspektiven dafür sind zumindest nicht schlecht – der Klimawandel macht es möglich“, sagt Jan Brinkmann, Vorsitzender des ,Niedersächsischen Weinanbauverbandes‘ , in dem mehr als die Hälfte der 38 Weinanbauer des Bundeslandes organisiert sind. „Wenn auch noch die regionalen Voraussetzungen stimmen“, so Brinkmann, „kann der Weinanbau hier also durchaus gelingen.“ Der Landwirt selbst glaubt an den Erfolg und möchte für seinen Betrieb in Bad Iburg neben Ackerbau und Sauenzucht eine weitere wirtschaftliche Säule aufbauen. Wie schnell die Anbaufläche aber wächst, ist gesetzlich streng geregelt – im Weingesetz. Um fünf Hektar darf die Anbaufläche pro Jahr landesweit wachsen, das sind etwa sieben Fußballfelder, in bestimmten Fällen auch mehr. Aktuell gibt es bei uns noch immer ein paar unbestellte Flächen – und so ist niedersächsischer Wein, und bleibt es noch sehr lange, ein ganz rares Tröpfchen. DENN: EINEN NEUEN WEINBERG aufzubauen, ist eine Lebens- und Generationenaufgabe zugleich. Die Investitionen sind nicht unerheblich. 25.000 bis 30.000 Euro pro Hektar kostet es allein, den Berg anzulegen. Die ungezählten Arbeitsstunden kommen noch oben drauf. Arbeit gibt es immer wieder, das ganze Jahr über. Vom Winter bis zum Frühlingsbeginn werden die Reben geschnitten. Im Frühling werden die jungen Triebe hochgebunden, einige Rebsorten brauchen mehr Hilfe zum Ranken, andere halten sich selbst an den quer gespannten Drähten fest. Später wird das Unkraut unter den Reben mechanisch mit einem sogenannten Schlegel entfernt, damit es den Rebstöcken nicht Nährstoffe und Wasser wegnimmt. Je nach Bedarf setzt Michael Winkler auch Fungizide gegen Pilzbefall ein. Die meisten seiner Rebsorten gelten als pilzresistent. Darauf würden die meisten Weinanbauer in Niedersachsen setzen, so der Vorsitzendende Brinkmann. Grund sei das feuchtere Klima im Norden. Mit pilzresistenteren Sorten könne der Einsatz von Spritzmitteln massiv reduziert oder sogar ganz darauf verzichtet werden. Jeder dritte Verbandsanbauer produziert in Niedersachsen nach Bio-Kriterien. ➼ 108 Stil
Unser Leistungsspektrum: • Entwurfs- und Ausführungsplanung • Bauleitung und Projektsteuerung • Gutachten und Verkehrswertermittlung • Sanierungskonzepte • Bauphysikalische Beratung aC. archConcept Güterbahnhofstraße 10 | 37073 Göttingen Meyfarth + Partner Partnerschaftsgesellschaft mbB post@archconcept.net | Tel.: 05 51/3 70 84 70 www.archconcept.net