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faktor Herbst 2021

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STIL<br />

nicht viel Licht. Wenn Sie durch das Haus gehen,<br />

finden Sie immer wieder Ausblicke, diese<br />

können aber geschlossen werden, wenn sehr<br />

empfindliche Werke ausgestellt sind. Das ist<br />

gut gemacht, und alle Fensterscheiben sind<br />

vor UV-Licht geschützt.<br />

Das Haus musste sich aber auch in die<br />

historischen Bauten der Straße integrieren.<br />

Es gab eine Bauphase, in der ich mich fragte:<br />

Wird es zu hoch, zu massiv? Ich finde, das<br />

Kunsthaus fügt sich sehr schön in die Häuserzeile<br />

ein. Es springt nicht hervor, was die wunderbar<br />

abgestufte Fassade unterstützt.<br />

Die letzte Bauphase und die Eröffnung waren<br />

schon zu Zeiten der Corona-Pandemie. Hat<br />

die Krise denn auch die Ausstellungs projekte<br />

verändert? Den Blick?<br />

Nein, die Konzepte der ersten Ausstellungen<br />

stehen ja, dabei ist es auch geblieben. Und das<br />

mit dem Blick wird sich erst zeigen.<br />

Sie sehen ja sehr viel Kunst. Haben sich Ihrer<br />

Meinung nach die Themen verändert?<br />

Ich glaube schon, dass es eine ganze Reihe<br />

von zeitgenössischen Künstlern gibt, die die<br />

Auswirkungen beziehungsweise die Situationen<br />

der Pandemie zum Thema machen. Das<br />

wird jetzt sukzessive sichtbar und auch ausgestellt<br />

werden. Ich glaube, dass wir neue<br />

Ideen brauchen. Wohin soll unsere Gesellschaft<br />

gehen?<br />

Das bezieht sich nicht nur auf die Kunst.<br />

Aber sie ist ja immer auch eine tragende Kraft,<br />

die Veränderungen frühzeitig aufnimmt und<br />

sich mit gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzt.<br />

Ich denke, man sollte an die Kunst<br />

jedoch nicht direkte politische Anforderungen<br />

stellen. Es gibt ja subtile Formen, in denen<br />

zum Ausdruck kommt, was die Krisen zeit<br />

bewirkt hat, ohne dass gleich eine neue<br />

soziale Perspektive entworfen wird.<br />

Viele Ausstellungshäuser ermöglichen<br />

mittlerweile ja auch, dass man digital durch<br />

die Räume geht.<br />

Das wird es immer mehr geben. Ich kann mir<br />

bestimmte Ausstellungen auch gut in digitaler<br />

Form vorstellen, weil die Kamera heranfahren<br />

kann, was dem Betrachter bei vorgegebenem<br />

Abstand im Museum nicht möglich ist. Ich<br />

glaube jedoch, die Wahrnehmung eines Kunstwerks<br />

vor Ort, wie auch immer das Original<br />

beschaffen ist, ist grundsätzlich nicht ersetzbar.<br />

Es sei denn, Künstler konzentrieren sich<br />

gleich auf das Netz. Das ist dann aber ein anderer<br />

Bereich der Kunst.<br />

Daher wird es vermutlich zukünftig zunehmend<br />

eine Mixtur zwischen Ausstellungsbesuch<br />

und digitaler Dokumentation geben.<br />

Wie würden Sie das Besondere beschreiben,<br />

wenn man vor einem Kunstwerk steht? Was ist<br />

der Unterschied, wenn man es im Internet sieht?<br />

Sie haben dann ja immer den zweidimensionalen<br />

Bildschirm und bekommen kein Gefühl<br />

für Materialität. Das ist doch ein immenser<br />

Unterschied: So wie ich Sie jetzt live vor mir<br />

anschaue oder Sie auf einem Monitor. Das ist<br />

etwas völlig anderes.<br />

Was ist es, das Sie bis heute und auch weiterhin<br />

antreibt, Ausstellungen zu kuratieren und<br />

Bücher herauszugeben?<br />

Es ist das Interesse an der Transformation von<br />

Gedanken in Bilder, an visuellen Formulierungen<br />

– und es ist meine Freude, mit Künstlerinnen<br />

und Künstlern zu arbeiten und dies alles<br />

unseren Besuchern mitzuteilen.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

ZUM KUNSTHAUS<br />

Das Kunsthaus Göttingen mit dem Schwerpunkt<br />

zeitgenössische Kunst wurde im Juni<br />

<strong>2021</strong> eröffnet. Die Idee hatte Verleger Gerhard<br />

Steidl bereits fünf Jahrzehnte zuvor. Ab<br />

2008 unterstützte ihn der damalige Göttinger<br />

Oberbürgermeister Wolfgang Meyer. Gemeinsam<br />

definierten sie das Haus als Mittelpunkt eines<br />

zu entwickelnden Kunstquartiers. Die Stadt<br />

erhielt dafür Fördermittel des Bundes in Höhe<br />

von 4,5 Millio nen Euro. Der Duderstädter<br />

Unternehmer Hans Georg Näder unterstützte<br />

den Bau mit einer Million Euro, dazu kamen<br />

weitere Spender. Sartorius wurde Hauptsponsor<br />

und ermöglicht den freien Eintritt. Neben dem<br />

Kunsthaus entstand außerdem ein Atelier des<br />

amerikanischen Künstlers Jim Dine.<br />

ZUR KURATORIN<br />

Ute Eskildsen studierte Fotografie und<br />

Fotografiegeschichte an der Folkwang-Schule<br />

für Gestaltung, Essen. Danach arbeitete sie<br />

als freie Fotografin und Assistentin von Otto<br />

Steinert, einem der bedeutendsten Fotografen<br />

der Nachkriegszeit. Nach einem Arbeitsaufenthalt<br />

am International Museum of Photography<br />

(USA) war sie von 1979 bis 2012 Kuratorin für<br />

Fotografie am Museum Folkwang, Essen.<br />

Dort baute sie die Fotografische Abteilung<br />

auf und initiierte mehrere Nachwuchs-<br />

Förderprogramme. Ab 1991 war Eskildsen<br />

stellvertretende Direktorin des Museums.<br />

2012 bis 2015 lehrte sie als Gastprofessorin an<br />

der University of Wales, Großbritannien. Sie<br />

veröffentlichte zahlreiche einschlägige Publikationen<br />

zur Fotografie. Ihre Forschungsschwerpunkte<br />

liegen in der Zwischenkriegszeit, den<br />

195oer-Jahren und der zeitgenössischen Praxis.<br />

ZUR AKTUELLE AUSSTELLUNG<br />

Modell Tier: Fotografie – Projektion –<br />

Illustration<br />

24. September <strong>2021</strong> bis 2. Januar 2022<br />

Das Tier und seine ambivalente Beziehung<br />

zum Menschen rückt diese Ausstellung in den<br />

Mittelpunkt – mit Videos, Fotografien, Büchern,<br />

Zeichnungen und Installationen. Wolf Erlbruch<br />

(Deutschland), Roni Horn (USA), Sanna Kannisto<br />

(Finnland), Jo Longhurst (Großbritannien),<br />

Olivier Richon (Schweiz), Michal Rovner (Israel),<br />

Thomas Struth (Deutschland) und Tomasz<br />

Gudzowaty (Polen) werden ganz unterschiedliche<br />

Blickwinkel präsentieren. Zu sehen sind<br />

außerdem Bilder eines ,Luchsprojekts‘ der<br />

Naturschutzbiologen der Georg-August-<br />

Universität Göttingen.<br />

www.kunsthaus-goettingen.de<br />

142 Stil

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