mensch KINDER REAGIEREN IN IHRER ENTWICKLUNG sehr stark auf das Umfeld, in dem sie sich häufig bewegen. So lernen sie, wie ihre Eltern die Welt verstehen und vermitteln, aber sie lernen auch, sich für eigene Dinge zu interessieren. Dabei ist das eigentliche Wortlernen das Ergebnis einer dynamischen wechselseitigen Interaktion zwischen Umwelt und Mensch. Der Fokus der Forschung liegt in der WortSchatzInsel auf dem lernenden Kind – darauf, was es weiß und wofür es sich interessiert, und auf seiner Motivation zu lernen. Als erklärendes Beispiel dient hierbei die Bär- und Bagger-Studie, die das Team der Wort- SchatzInsel durchführte. Die Studie wurde bei 30 Monate alten Kleinkindern durchgeführt. Die Frage war: Lernen manche Kinder leichter Tiernamen wie beispielsweise Bär, und andere Kinder leichter Fahrzeugnamen wie Bagger? Das Ergebnis: Kinder lernen Wörter leichter, wenn sie sich für die Gegenstände interessieren, auf die sich das Wort bezieht. Die Präferenz der Kinder, so Mani, entwickelt sich aus ihrem eigenen Interesse, und somit steuern Kinder auch ihren eigenen Spracherwerb. „Ich selbst habe ein Bagger- und ein Bärenkind daheim.“ INZWISCHEN HABEN WIR ES UNS für das Interview im Spielraum, gleich neben dem Testlabor, gemütlich gemacht. Mani sitzt entspannt auf einem Sofa und trinkt Tee. „Bevor Sie kamen, habe ich an einem neuen Forschungsantrag gesessen. Wir wollen untersuchen, wie Neugier unser Leben beeinflusst. So ein Antrag schreibt sich wie von selbst“, erzählt die Professorin. Was sie damit sagen will: Sie hat einen Job gefunden, in dem sie sich und ihre Forschungsziele verwirklichen kann. Und sie hat ein Team um sich, das unvergleichliche Arbeitsbedingungen schafft. „Die Zeit der einsamen, zerstreuten Wissenschaftler, die sich in ihrem Büro einschließen, gehört längst der Vergangenheit an“, sagt Mani mit großer Zufriedenheit. Sie ist ein Team-Mensch und sieht die enormen Vorteile, wenn Studien rund um den Globus zu validierten Ergebnissen führen. Auch hier in Göttingen arbeitet ihr Forschungsteam fakultätsübergreifend und interdisziplinär: Linguistik, Neurowissenschaften, Soziologie und das Primatenzentrum. „Wir wissen, dass wir mehr wissen können, wenn wir zusammenarbeiten.“ Sie alle haben an Studien teil, die langfristig helfen sollen, das menschliche Gehirn zu verstehen und mehr Ruhe in gestresste Erziehung zu bringen. IHR LIEBLINGSZITAT STAMMT ÜBRIGENS von den Wissenschaftlerinnen Thelen und Smith: ,There is no plan.‘ Da ist kein Plan in der Welt. Sehr wenig ist von Beginn an in unserer Entwicklung festgeschrieben. Vieles lässt sich ändern oder verbessern. Nur weil ein Kind nicht mit fünf Sprachen aufwächst, muss es in seinem Leben keinen Nachteil haben. „Unser Gehirn ist so flexibel, dass wir vieles ausgleichen können, wenn wir wissen, wie das Gehirn funktioniert“, sagt Mani. Und um das Gehirn besser zu verstehen, sind Studien wie die der WortSchatzInsel notwendig. Demnach müssen Men- schen, die in sozial schwachen Milieus aufgewachsen sind, nicht auf Chancen im Leben verzichten. Mit den Ergebnissen aus wissenschaftlichen Studien können Strategien entwickelt werden, mögliche Unterschiede langfristig auszugleichen. Mani hofft, dass in Zukunft mit ihrer Hilfe Eltern von dem sozialen Druck befreit werden, ein Kind müsse dies oder jedes in einem bestimmten Alter können. Jeder Mensch ist individuell, und seine Entwicklung ist es ebenso. Sprache, und auch das zeigen die Studien, ist ein Vermittler zwischen der Welt, wie wir sie wahrnehmen, und den Menschen. Je mehr Wörter wir beherrschen, desto mehr verstehen wir von der Welt. Das ist es, was Mani antreibt und begeistert: Die Kraft der Sprache. Zu Hause unterhält sich die Inderin mit ihren Kindern auf Englisch, während ihr Mann Deutsch spricht. Einbis zweimal pro Jahr fliegt die Familie gemeinsam nach Delhi, wo Manis Mutter und ihre Schwester leben. Weil hier ihre familiären Wurzeln liegen und ebenso die kulturellen. Weil es ihr wichtig ist, dass ihre Kinder dieses Leben kennenlernen und neben Englisch und Deutsch als dritte Sprache Hindi verstehen. Und weil sie ihre Tradition auch an die nächste Generation weitergeben möchte. „Ich bin eine Wanderin. Meine Heimat ist, wo ich bin“, sagt Nivi Mani. „Sprache verändert die Sicht auf unsere Welt. Was auch bedeutet, dass man die Welt mit ihrer Hilfe verbessern kann.“ ƒ digital+ Lernen Sie unsere Cover-Frau Nivi Mani und ihre spannnende Forschung in der WortSchatzInsel auch im digitalen Interview kennen unter: www.<strong>faktor</strong>-magazin.de/<strong>faktor</strong>-video Zur Person Prof. Dr. Nivedita Mani ist Professorin der Abteilung Psychologie der Sprache an der Uni Göttingen und Direktorin des Georg-Elias-Müller-Institutes für Psychologie. Die gebürtige Inderin kam 2010 nach Göttingen und ist seitdem leitende Forscherin in zahlreichen Projekten, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert sind. Sie wurde 2017 in die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen gewählt und ist Co-Autorin zahlreicher Publikationen, unter anderem des Buchs ‚Early Word Learning‘. Zudem gewann die 41-Jährige bereits mehrer Auszeichnungen wie beispielsweise den Wissenschaftspreis der Fritz-Behrens Stiftung. 68 3 | <strong>2021</strong>
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