„Kaffee ist fertig!“ Lust auf das beliebteste Heißgetränk der Deutschen macht Alexander Pohl. Der Inhaber der Einbecker Kaffeerösterei entführt in die Welt der Bohnen und Aromen. TEXT CLAUDIA KLAFT FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA 112 Stil
STIL J „Jute! Die Bohnen riechen eindeutig nach Jute“, sage ich und ziehe enttäuscht meine Nase zurück, meine Augen nehmen fragend Kontakt mit Alexander Pohl auf, in dessen Hand die kleinen Kugeln liegen. „Ich muss Ihnen leider alle Illusionen nehmen. Rohkaffee hat noch keinen leckeren Geruch“, sagt er lächelnd und lässt die Bohnen zurück in eine Schale gleiten. Wir sitzen zusammen in seiner Einbecker Kaffeerösterei am Markt in der idyllischen Altstadt. Innen ist es klein und gemütlich, Foto grafien von Kaffeebohnen und -plantagen aus Kolumbien und Indien zieren die Wände, am Tresen im Eingangsbereich thront die glänzende Barista-Maschine. Mit geübten Handgriffen bereitet eine Mitarbeiterin darauf Kaffee, lautmalerisch begleitet vom knarzenden Mahlwerk, zischendem Dampf und klapperndem Geschirr. Vor dem Geschäft – in der Fußgängerzone – sind alle Tische besetzt, die Gäste plaudern, beobachten das Treiben, die Sonne lacht: italienisches Dolce-Vita- Gefühl mitten in Einbeck. „So habe ich es mir immer vorgestellt“, sagt Pohl, lässt den Blick durch seinen Laden schweifen und nippt zufrieden an seiner Tasse – einer von fünfen jeden Tag. „Auch wenn bei der Gründung keiner an den Erfolg geglaubt hat.“ Und doch hat der passionierte Kaffeetrinker vor vier Jahren voller Tatendrang seinen Traum in die Realität umgesetzt – mit der festen Überzeugung, dass die Kombination aus Bohnenverkauf und Bewirtung bestens läuft. „Mein Plan B ist, dass Plan A funktioniert“, sagt der gebürtige Einbecker entschieden und gibt damit sein Lebensmotto preis. PLAN A GING AUF – auch wenn er trotz To-go-Bechern und Außer- Haus-Verkauf im letzten Corona-Jahr ein wenig ins Stocken kam. Inzwischen kommen die Kunden aber gern wieder zum längeren Verweilen, was Pohl durchaus optimistisch stimmt. Einer von ihnen winkt ihm gerade zu, mit einem gekauften Päckchen Kaffee in der Hand, und fragt den Inhaber nach seinem Befinden. Pohl nimmt sich die Zeit für ein paar freundschaftliche Sätze, bevor er sich wieder dem Tischgespräch zuwendet. „Das Café ist praktischerweise auch meine Marke tingabteilung“, erklärt er lächelnd. „Denn wer hier seinen Kaffee genießt, nimmt, wie Sie sehen, auch gern ein Päckchen für Zuhause mit.“ Ihm sei klar gewesen, dass es utopisch ist, allein mit einem Café die schnelle Mark zu generieren. „Schließlich bringen Gäste, die nur eine Tasse pro Stunde konsumieren, keinen großen Umsatz. Genuss kennt keine Eile.“ Er schüttelt den Kopf und zählt an den Fingern seine drei Erfolgs<strong>faktor</strong>en für eine gut laufende Gastronomie auf: ein solides Konzept, ein langer Atem und vor allem ein Alleinstellungsmerkmal. Letzteres sei für ihn eben die ergänzende Kaffeerösterei, die 70 Prozent seines Umsatzes ausmache. DOCH WIE KAM POHL – der zuvor international als Hotelbetriebswirt in der Gastronomie und später im Außendienst bei der Einbecker Brauerei arbeitete – eigentlich darauf, plötzlich sein Geld mit Kaffee zu verdienen? Der 44-Jährige lehnt sich entspannt zurück und erzählt von seinem ,Blick von außen‘ auf verschiedenste Club- Hotels und Fünf-Sterne- Häuser, bei denen er erkannte, welche Fehler vermeidbar gewesen wären, und davon, dass er die Selbstständigkeit ja schon von seinen Eltern her kenne, die bis heute mit dem Einbecker Hof ihr eigenes Hotel führen. „Vor 70 Jahren von meinen Großeltern gegründet und noch immer im Familien besitz“, sagt Pohl nicht ohne Stolz. Aber ausschlaggebend für die eigene Kaffeerösterei, so erinnert er sich, sei vor sechs Jahren ein Kaffee seminar in Hamburg Altona gewesen: „Es war ein Geschenk meiner Schwester, die wusste, dass ich diese Rösterei schon immer toll fand und näher kennenlernen wollte.“ So kam er schlückchenweise auf den Geschmack und auf die Idee eines eigenen Kaffeegeschäfts. Er vertiefte das Thema in weiteren Seminaren und knüpfte Kontakt zur Hannoverschen Kaffeemanufaktur, wo er bei einem seiner früheren Arbeitskollegen Gelegenheit bekam, praktische Erfahrung zu sammeln und Prozesse kennenzulernen. „Mir hat das großen Spaß gemacht, mich aber zum Glück auch schnell gelehrt, wie komplex doch das ganze Drumherum ist: Bezugswege, Zollvorgaben, Steuern, Einfuhr, Lagerung, Zertifizierung – das geht nicht ➼ 113 Stil