BT_04-2021_Nordausgabe_epaper
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TITELGESCHICHTE<br />
Steffen Bogen schaut sich jedes Spiel genau<br />
an, um weitere entwickeln zu können.<br />
Er fragt sich etwa: Wie viele Materialien<br />
sind im Spiel und warum? Die<br />
gemachten Spiel-Erfahrungen tragen bei<br />
ihm entscheidend dazu bei, dass er eine<br />
neue Grundidee für ein Brettspiel entwickelt.<br />
Dass ein Spiel nicht zu schwer,<br />
aber auch nicht zu simpel wird, dazu<br />
brauche es Erfahrung.<br />
„Mich interessiert vor allem auch die<br />
mathematische Seite an der Sache“,<br />
sagt Steffen Bogen. Am Beispiel von<br />
„Schnappt Hubi“ meint er damit etwa<br />
die Anzahl der Räume und der Durchgänge.<br />
Wie viele werden wirklich gebraucht,<br />
um das Spiel gut zu machen?<br />
Es geht um Aktionsmöglichkeiten und<br />
den damit verbundenen Wahrscheinlichkeiten<br />
und Schwankungsbreiten von<br />
Spielverläufen. Sie werden etwa durch<br />
die Beschriftung von Würfeln, durch<br />
den Aufbau von Kartensätzen, die Länge<br />
einer Laufstrecke oder die (variable)<br />
Anordnung von Feldern eines Spielplans<br />
beeinflusst. Gute Spiele könnten<br />
nicht einfach „berechnet“ werden, aber<br />
Bogen geht davon aus, dass die Frage,<br />
wie Wiederholreiz erzeugt wird, auch<br />
mathematisch gestellt werden kann.<br />
„Moorland“ für 2022 geplant<br />
Wichtig auch: Ein Spiel muss ausgiebig<br />
getestet werden. Nicht theoretisch – ein<br />
Prototyp, an dem live gespielt und dabei<br />
getestet wird, ist unumgänglich.<br />
Ganz entscheidend sei auch die Größe<br />
der Verpackung und natürlich die Verpackung<br />
selbst. Es könne daher Jahre<br />
dauern, bis die Entwicklung eines<br />
Spiels abgeschlossen ist. Kann, nicht<br />
muss. Während es bei „Camel Up“ von<br />
der Idee bis zur Ernennung zum „Spiel<br />
des Jahres“ zehn Jahre gedauert hat, war<br />
„Schnappt Hubi“ in einem halben Jahr<br />
konzipiert, in einem weiteren Jahr produziert.<br />
In naher Zukunft freut sich der Professor<br />
über sein Spiel „Moorland“, das 2022 auf<br />
den Markt kommen wird. Gemeinsam<br />
bauen die Spieler darin ein Moor auf, indem<br />
die Umwelt ins Gleichgewicht gebracht<br />
werden muss. Steffen Bogen: „Es<br />
gibt eine kooperative und eine kompetitive<br />
Seite. Das heißt, die Spieler können<br />
ein gesundes Moor zusammen erschaffen<br />
oder jeder sein eigenes.“ Mit dem<br />
Thema rührt der Autor an dem Wunsch<br />
des Menschen, sich der Natur anzunähern.<br />
Sehr erfolgreich verkauft sich daher<br />
auch das Spiel „Flügelschlag“ von<br />
Feuerland Spiele. Die Spieler versuchen<br />
hier, Vögel im gleichen Lebensraum zu<br />
sammeln, genauso wie Futtermarker.<br />
Eier zu legen, ist ebenfalls erwünscht.<br />
An der Uni in Konstanz, sagt Prof. Bogen<br />
nicht ohne Stolz, gibt es derzeit<br />
zwei Promotionen, die sich um das Thema<br />
„Spiel des Jahres“ drehen. Es geht<br />
darum, der Entwicklung der Brettspiele<br />
in den vergangenen 50 Jahren anhand<br />
dieses Preises nachzuspüren und gesellschaftstheoretisch<br />
zu untersuchen. Auch<br />
im Vergleich zu Computerspielen.<br />
Info<br />
• Laut mehrerer Quellen stammt<br />
das vermutlich älteste Spiel der<br />
Welt aus Ägypten. „Senet“ ist eine<br />
Art Verfolgungsspiel und rund<br />
5000 Jahre alt. Mit 4600 Jahren<br />
auf dem Buckel dürfte ihm das<br />
„Spiel der zwanzig Quadrate“,<br />
auch „Königsspiel von Ur“ genannt,<br />
folgen. Es handelt sich um<br />
ein Würfelspiel, dessen Spielidee<br />
wohl aus Indien stammt. Darauf<br />
folgte im 1. Jahrtausend n.Chr. das<br />
Schachspiel.<br />
• Die Ludologie betrachtet und erklärt<br />
das Phänomen des Spielens.<br />
Lateinisch „ludus“, das Spiel und<br />
das griechische „logos“ für die<br />
Lehre, führt zur „Lehre über das<br />
Spiel“, Ludologie, zur Spielwissenschaft.<br />
• Laut einer Umfrage des Allensbacher<br />
Institutes spielen rund 33<br />
Millionen Deutsche zumindest<br />
ab und zu Gesellschaftsspiele,<br />
rund 5,6 Millionen spielen sogar<br />
regelmäßig.<br />
• Statista.com teilt mit, dass 77 Prozent<br />
der Deutschen ein „Mensch<br />
Ärgere Dich Nicht“ besitzen. Das<br />
Lieblingsspiel der Deutschen ist<br />
jedoch Monopoly, das 1935 veröffentlicht<br />
wurde.<br />
• Zu den größten Spieleverlagen<br />
weltweit gehören Hasbro, Matell,<br />
Asmodée und Ravensburger.<br />
• Der Kritikerpreis „Spiel des<br />
Jahres“ ist ein Spielepreis für<br />
deutschsprachige Brettspiel-Neuheiten.<br />
Er gilt als die weltweit<br />
bedeutendste Auszeichnung für<br />
nicht-elektronische Spiele, als<br />
„Oscar für Brettspiele“.<br />
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