BT_04-2021_Nordausgabe_epaper
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DIENSTLEISTUNG<br />
ROHSTOFF-KNAPPHEIT<br />
Steigende Preise<br />
im Weihnachtsgeschäft<br />
Kein Holz, kein Stahl, kein Dämm-Material: Handwerker<br />
haben seit Monaten Lieferschwierigkeiten mit Baumaterialien.<br />
Aber auch die Industrie und der Einzelhandel<br />
haben mit diesen Problemen zu kämpfen. Experten der<br />
Handwerkskammer Ulm sowie der IHK Bodensee-Oberschwaben<br />
informieren zur momentanen Lage und den<br />
Zukunftsaussichten.<br />
Von Stefanie Rebhan<br />
Im Sommer war aus einer Umfrage<br />
des ifo-Institus hervorgegangen,<br />
dass im Hochbau 43,9 Prozent der<br />
Firmen von Problemen berichteten,<br />
rechtzeitig Baustoffe beschaffen<br />
zu können. In der ersten Jahreshälfte<br />
<strong>2021</strong> war es laut Stefan Rössler, Bereichsleiter<br />
Unternehmensberatung der<br />
Handwerkskammer Ulm, zu außergewöhnlichen<br />
Preissteigerungen des Baumaterials<br />
gekommen. Seit Jahrzehnten<br />
sei die Preissteigerungsrate nicht mehr<br />
so hoch gewesen. Danach folgte die<br />
Knappheit der Güter.<br />
Diese Entwicklungen hätten mehrere<br />
Gründe gehabt, so Rössler: „Haushalte<br />
haben ihr Geld, das sie in der Corona-Hochzeit<br />
nicht ausgeben konnten,<br />
in Immobilien investiert. Gleichzeitig<br />
saugt China mit einer sehr hohen Nachfrage<br />
zusätzlich den Markt leer.“ Außerdem<br />
habe sich etwas wie das Klopapiersyndrom<br />
entwickelt – sprich, bei<br />
den ersten Meldungen über eine drohende<br />
Materialknappheit, hätten einige<br />
Unternehmen vermehrt Material nachgefragt<br />
und gelagert. Das alles hat den<br />
Preis in die Höhe getrieben. Eine große<br />
Rolle dabei spielt auch die Mehrwertsteuer,<br />
die im vergangenen Jahr reduziert<br />
wurde und nun wieder voll greift.<br />
Preise schwer zu kalkulieren<br />
Jedoch: Stefan Rössler kann Entwarnung<br />
geben. Die Lage scheint sich zu<br />
entspannen. Man könne in überschaubarer<br />
Zeit an die Materialien kommen.<br />
Auch der Preis werde sich einpendeln.<br />
„Er wird zwar nicht mehr so niedrig wie<br />
im Vorjahr werden, aber wir sehen eine<br />
Beruhigung auf höherem Niveau“, sagt<br />
Rössler. „Die verzweifelten Anrufe bei<br />
uns sind weniger geworden“, bestätigt<br />
Jörg Jehle, Fachanwalt für Baurecht der<br />
Handwerkskammer Ulm.<br />
Jehle rät den Bauherren und Handwerkern,<br />
bei Angebotserstellung und<br />
Vertragsgestaltung die Problematik der<br />
Preisentwicklung und Materialbeschaffung<br />
klar anzusprechen und spezielle<br />
Regelungen, die auf das einzelne Bauvorhaben<br />
angepasst sind, zu treffen.<br />
Was den Preis angeht, so ist es dem<br />
Handwerker in dieser bewegten Zeit<br />
nur schwer möglich, zu kalkulieren,<br />
denn er hängt von den Zulieferern ab.<br />
Das Zauberwort heißt daher Preisgleitklausel.<br />
Enge Abstimmung mit Handwerkern<br />
Diese Klausel wird häufig in die sehr<br />
individuellen Verträge eingearbeitet<br />
und soll Handwerker wie Bauherr absichern.<br />
Falls die Preise während des<br />
Baus über einen vereinbarten Prozentsatz<br />
hinaus ansteigen, darf der Handwerker<br />
seine Preise in diesem Verhältnis<br />
erhöhen – sinken die Preise, werden<br />
sie ebenfalls angepasst. „Die Alternative<br />
wäre“, so Jehle, „dass Bauunternehmen<br />
gar keine verbindlichen Verträge mehr<br />
abschließen, wenn ein Bauvorhaben<br />
nicht zeitnah umgesetzt wird.“ Oder sie<br />
setzen den Preis so hoch an, dass sie<br />
keine Verluste machen können. Damit<br />
allerdings, wird das Angebot denkbar<br />
unattraktiv. Jörg Jehle rät Bauherren,<br />
in engem Austausch mit den Handwerkern<br />
zu bleiben – eine engere Abstimmung<br />
als früher sei jetzt vonnöten.<br />
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