UKJ-Klinikmagazin 1/2022
Beruf(ung) Medizin
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TITELTHEMA<br />
Mit anderen Erwartungen gestartet<br />
Wie es Studienanfängern in Pandemiezeiten ergeht<br />
Um „mal rauszukommen“, wechselt<br />
Wiebke Kohl den Schreibtisch in ihrem<br />
Studentenzimmer gegen einen Arbeitsplatz<br />
in der Thüringer Universitäts- und<br />
Landesbibliothek Jena – nach vorheriger<br />
Reservierung natürlich. Spontan<br />
ist auch diese kleine Abwechslung<br />
im Lernalltag pandemiebedingt zurzeit<br />
nicht möglich. Es ist nur eine von<br />
vielen Einschränkungen, mit denen<br />
Wiebke Kohl in ihrem ersten Semester<br />
der Humanmedizin klarkommen muss.<br />
Insgesamt 286 Männer und Frauen<br />
haben zum Wintersemester 2021/22<br />
ihr Medizinstudium in Jena begonnen.<br />
Ihr Studentenleben haben sie sich<br />
eigentlich anders vorgestellt. Abends<br />
einmal in eine Bar oder eine Kneipe<br />
gehen? Sich mit anderen Studierenden<br />
in einem Café treffen? „Das alles<br />
ging leider nur mit starken Einschränkungen<br />
oder teilweise gar nicht“, so<br />
Wiebke Kohl. Und bei der Überlegung,<br />
sich privat zu verabreden, schwang<br />
immer ein unsicheres Gefühl mit: „Was<br />
ist, wenn doch einer das Virus hat, die<br />
anderen ansteckt und wir dann alle für<br />
zwei Wochen ausfallen?“<br />
Zum Glück habe es vor Semesterstart<br />
noch eine reale „Erstiwoche“<br />
gegeben – mit Stadtführung und<br />
Kennlern-Aktion im Paradiespark. So<br />
konnte die gebürtige Düsseldorferin<br />
ihre neue Heimat zumindest ein wenig<br />
kennenlernen – und vor allem die<br />
20 Mitstudierenden ihrer Seminargruppe.<br />
Per WhatsApp stehen sie im<br />
Austausch – persönlich sehen sie sich<br />
für Veranstaltungen der Uni höchstens<br />
einmal in der Woche.<br />
Die meiste Zeit ihres ersten Semesters<br />
hat Wiebke Kohl vor dem Bildschirm<br />
verbracht. Die wenigen in Präsenz<br />
geplanten Veranstaltungen gab es<br />
dann nur in abgespeckter Form: So<br />
durfte jeder nur für zwei Wochen am<br />
Sezierkurs in der Anatomie teilnehmen<br />
– damit bei den kleinen Gruppengrößen<br />
jeder einmal drankommen konnte.<br />
Die Physikvorlesung startete für 90<br />
Personen live im Hörsaal und konnte<br />
zeitgleich online verfolgt werden. Am<br />
Ende des Semesters gab es dann nur<br />
noch den Livestream. Die teilweise<br />
wöchentlich wechselnden Bedingungen<br />
beschreibt Wiebke Kohl als eine<br />
der größten Herausforderungen ihres<br />
ersten Semesters: Was darf vor Ort<br />
noch stattfinden? Welche Gruppengröße<br />
ist erlaubt? Wer muss sich wie<br />
oft testen? Hinzu kam, dass für verschiedene<br />
Institute unterschiedliche<br />
Regeln galten – was bisweilen für Verwirrung<br />
sorgte. Der enge Austausch<br />
mit dem Studiendekanat, den Seminarleitern<br />
und den Mitstudierenden<br />
half, den Überblick zu behalten.<br />
Unterschiede gab es auch in der Unterrichtsgestaltung<br />
der einzelnen Fächer.<br />
Manche Professoren habe sie am Bildschirm<br />
gar nicht zu Gesicht bekommen,<br />
so Wiebke Kohl. „Da wurde einmal ein<br />
Berg Material hochgeladen, den wird<br />
dann komplett in Eigenregie durcharbeiten<br />
mussten.“ In anderen Fächern<br />
ging es engagierter und wesentlich<br />
interaktiver zu. Besonders die produzierten<br />
Videos einiger Dozenten, hat die<br />
Studentin schätzen gelernt. „Sie haben<br />
den großen Vorteil – auch gegenüber<br />
einer Vorlesung – dass man sie sich<br />
immer wieder anschauen kann.“<br />
Sollte es in Zukunft wieder Online-Lehre<br />
geben, wünscht sich Wiebke Kohl, dass<br />
alle Dozenten auch in diesen Phasen im<br />
engen Austausch mit ihren Studierenden<br />
bleiben. Und dass sie versuchen,<br />
auch digital die Inhalte umzusetzen, die<br />
sie in Präsenz machen würden – denn<br />
Formate wie die Arbeit in Kleingruppen<br />
seien auch digital relativ problemlos<br />
möglich, so die Studentin. Es überwiegt<br />
aber die Hoffnung, dass bis zu ihrem<br />
Abschluss noch einige ganz reguläre<br />
Semester stattfinden werden – mit<br />
einem Studentenleben, wie man es sich<br />
vorstellt.<br />
Anke Schleenvoigt<br />
Studentin Wiebke Kohl beim Lernen<br />
in der ThULB. Foto: privat<br />
12 01 | 22