UKJ-Klinikmagazin 1/2022
Beruf(ung) Medizin
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HEILEN<br />
Ein würdiges Leben für schwerkranke Kinder<br />
Seit über fünf Jahren existiert das ambulante Kinderpalliativteam am <strong>UKJ</strong><br />
1,4 Mal haben sie die Welt umrundet.<br />
Zumindest, wenn das Kinderpalliativteam<br />
alle Kilometer zusammenrechnet,<br />
die es im vergangenen Jahr mit<br />
dem Fahrzeug zurückgelegt hat, auf<br />
dem das bunte Logo der Jenaer Kinderklinik<br />
prangt. Seit fünf Jahren sind<br />
die Spezialisten quer durch Thüringen<br />
unterwegs zu Kindern, Jugendlichen<br />
und jungen Erwachsenen mit einer<br />
lebensbedrohlichen Erkrankung. Seit<br />
der Gründung im Oktober 2016 ist<br />
das Team, zu dem heute vier Ärzte<br />
und sieben Pflegekräfte, eine Koordinatorin<br />
und seit Kurzem auch eine<br />
psychosoziale Fachkraft zählen, stetig<br />
gewachsen. „Das zeigt, wie groß der<br />
Bedarf ist“, so Oberarzt Jens Kästner,<br />
der das Kinderpalliativteam am <strong>UKJ</strong><br />
leitet. Es ist das einzige Angebot dieser<br />
Art in ganz Thüringen.<br />
„Während bei der Palliativversorgung<br />
von Erwachsenen ein Großteil an<br />
einer Krebserkrankung leidet, sind es<br />
bei den Kindern nur etwa ein Drittel",<br />
erklärt Kästner. Das Erkrankungsspektrum<br />
ist hier viel breiter – von Stoffwechselleiden,<br />
Muskelerkrankungen,<br />
Hirnfehlbildungen bis zum Teil sehr<br />
seltenen syndromalen Erkrankungen.<br />
„Unsere Arbeit berührt daher sehr<br />
viele verschiedene Bereiche der Pädiatrie",<br />
sagt Kästner, der Patienten vom<br />
Säugling bis zum jungen Erwachsenen<br />
betreut. Bis einschließlich 27 Jahren,<br />
wenn es sich um eine Erkrankung<br />
aus dem Fachgebiet der Kinder- und<br />
Jugendmedizin handelt.<br />
Wenn das Kinderpalliativteam im Einsatz<br />
ist, steht der Erhalt der Selbstbestimmung<br />
und einer bestmöglichen<br />
Lebensqualität der Patienten auch bei<br />
ungewisser Prognose im Vordergrund.<br />
Das Team begleitet die Patienten mit<br />
ihren Familien langfristig – manchmal<br />
bereits, ab dem Zeitpunkt, zu dem die<br />
Erkrankung diagnostiziert wird. Kästner:<br />
„Bei der überwiegenden Anzahl<br />
unserer Patienten gelingt es, dass wir<br />
die Palliativversorgung nach Überwinden<br />
einer krisenhaften Verschlechterung<br />
pausieren können, bis unsere<br />
Betreuung erneut benötigt wird.“<br />
Das Team macht sich morgens in Jena<br />
auf den Weg zu den Hausbesuchen.<br />
Im vollbepackten Kofferraum: ein<br />
Versorgungsrucksack, eine Kiste mit<br />
allen notwendigen Medikamenten<br />
und Materialien, Laptop und Drucker<br />
für die Dokumentation, aber<br />
auch eine „Trauerbox“ mit Farbe und<br />
Papier für Handabdrücke und einem<br />
Erinnerungslicht, das die Familien<br />
anzünden können. Und nicht zu vergessen:<br />
Schneeketten für die Fahrten<br />
in der kalten Jahreszeit durch den<br />
Thüringer Wald. Bis zu 500 Kilometer<br />
legen sie an einem Tag zurück, um<br />
ein bis zwei Hausbesuche zu ermöglichen.<br />
Mehr als anderthalb Stunden<br />
dauert im Durchschnitt die komplexe<br />
Versorgung eines Kindes zu Hause.<br />
Die Ärzte und Pflegenden kümmern<br />
sich darum, leidvolle Symptome wie<br />
Unruhe- und Angstzustände, Schmerzen,<br />
Schlafstörungen oder Luftnot zu<br />
lindern. Aber auch den Eltern und<br />
Geschwistern widmen sie besondere<br />
Aufmerksamkeit: Sie anzuleiten und<br />
auf schwierige Situationen vorzubereiten,<br />
ist eine der Aufgaben des<br />
Kinderpalliativteams. „Wir erstellen<br />
individuelle Behandlungspläne und<br />
helfen den Familien, diese umzusetzen",<br />
so Kästner. „Außerdem bereiten<br />
wir sie darauf vor, welchen Verlauf<br />
die Erkrankung nehmen kann und<br />
wie sie Krisen vorbeugen.“ Neben den<br />
geplanten Hausbesuchen bietet das<br />
Palliativteam rund um die Uhr eine<br />
telefonische Rufbereitschaft an, so<br />
dass die Mitarbeiter in Krisen auch<br />
spontan vor Ort sein können.<br />
Wenn eine Heilung der Erkrankung nicht<br />
mehr möglich ist, erscheint die Zeit<br />
zu Hause noch wertvoller. Das ambulante<br />
Kinderpalliativteam arbeitet eng<br />
mit den bereits betreuenden Kinder-,<br />
Hausärzten und Pflegediensten vor Ort<br />
zusammen – mit dem gemeinsamen<br />
Ziel, den Kindern ein würdiges Leben in<br />
ihrer vertrauten familiären Umgebung<br />
zu ermöglichen. So kann den Familien<br />
ausreichend Sicherheit und Rückhalt<br />
gegeben werden. Das brauchen sie,<br />
um auch schwierige Krankheitsphasen<br />
ihrer Kinder bis zum Lebensende zu<br />
Hause bewältigen zu können.<br />
Als nächstes Ziel hat sich Oberarzt<br />
Kästner gesetzt, auch die stationäre<br />
28 01 | 22