Verfahrenstechnik 3/2022
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MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN<br />
„Unsere Prozessentwickler<br />
fragen inzwischen aktiv<br />
nach Raman und auch von<br />
den Betriebsleitungen gibt<br />
es positive Rückmeldungen.“<br />
Philipp Pyka, Verfahrensingenieur,<br />
Evonik Industries<br />
lierten Auswertung der Versuche sowie<br />
Kosteneinsparungen durch weniger Referenzanalytik<br />
im Labor, verbunden mit erheblicher<br />
Zeitersparnis, da nicht auf Ergebnisse<br />
der Referenzanalytik gewartet<br />
werden muss.<br />
Die erste Bewährungsprobe in der Produktion<br />
stand 2018 in einer Anlage zur<br />
Herstellung von Carbonylderivaten an.<br />
Dass für diese wie für etwa 90 Prozent der<br />
Messstellen bei Evonik Atex-Bedingungen<br />
gelten, war dank Unterstützung aus dem<br />
Endress+Hauser-Kompetenzzentrum in<br />
Lyon mit vertretbarem Aufwand zu erfüllen.<br />
Heute zeigt sich Pyka vom Nutzen<br />
überzeugt: „Das Online-Monitoring mehrerer<br />
qualitätsrelevanter Parameter erfolgt<br />
seither mit deutlich weniger händischen<br />
Probenentnahmen.“ Längst seien die Raman-Analysen<br />
in Regelkonzepte integriert,<br />
was den Produktionsprozess stabilisiere.<br />
Aus einem Spektrum werden heute<br />
bis zu sechs Komponenten analysiert. Inzwischen<br />
hat Evonik etwa 50 Prozent aller<br />
spektroskopischen Messlösungen auf Raman-Technologie<br />
umgestellt.<br />
Um die Opex-Kosten (Operational Expenditures,<br />
auf Deutsch Betriebsausgaben)<br />
zu reduzieren, wurde im vergangenen<br />
Jahr ein Rahmenvertrag mit<br />
Endress+Hauser geschlossen, der auch<br />
den Service der Analysatoren betrifft.<br />
Denn längst habe sich die Raman-Spektroskopie<br />
als wertvolles PAT-Werkzeug etabliert.<br />
„Unsere Prozessentwickler fragen<br />
aktiv nach Raman“, sagt Pyka. Und auch in<br />
den Betrieben würden die Vorteile geschätzt.<br />
„Von den Betriebsleitungen gibt es<br />
positive Rückmeldungen“, ergänzt er.<br />
Raman-Spektroskopie erweitert<br />
das PAT-Portfolio<br />
Fazit: Die Raman-Spektroskopie erweitert<br />
erfolgreich das PAT-Portfolio bei Evonik.<br />
Standardisierung und Modularisierung<br />
erlauben Installationen in nahezu jeder<br />
Anlage. Dabei sind auch wechselnde Aufgabenstellungen<br />
und Messstellen kein<br />
Problem. Die frühe Einbindung während<br />
der Prozessentwicklung führt bei Evonik<br />
zu sichtbar steigender Effizienz bei zugleich<br />
sinkenden Kosten in der<br />
Prozess entwicklung. Das unlängst<br />
vereinbarte Service-Konzept regelt<br />
derweil die Aufgabenteilung zwischen<br />
dem technischen Service von<br />
Evonik und den Spezialisten von<br />
Endress+Hauser.<br />
„Wir lernen noch immer eine<br />
Menge dazu“, gibt Pyka unumwunden<br />
zu und richtet den Blick nach<br />
vorne. Gemeinsam mit<br />
Endress+Hauser soll die Raman-<br />
Spektro skopie vom Know-how-Hub in<br />
Marl international ausgerollt und in die<br />
Produktion von Evonik eingebunden werden.<br />
Dabei wünscht er sich als Mann der<br />
Praxis weitere Vereinfachungen für Atex-<br />
Anwendungen sowie plug-and-play-fähige<br />
Package Units, bestehend aus dem SILbewerteten<br />
Grenzstandschalter Liquiphant,<br />
Verkabelung, Interlock-Adapter<br />
und konformer Dokumentation. Nicht zuletzt<br />
schaut Pyka auch auf die Anschaffungs-<br />
und Unterhaltskosten. Die seien<br />
zwar attraktiver geworden, müssten aber<br />
im Vergleich zur NIR-Spektroskopie noch<br />
optimiert werden. Ansonsten freut er sich,<br />
mit Raman 2.0 zu immer tieferen Nachweisgrenzen<br />
vorzustoßen.<br />
Kompetenzzentrums in Lyon ist<br />
Startpunkt einer langen Reise<br />
Was ist Raman-Spektroskopie?<br />
Geeignet für Lab to Process: Das Raman-<br />
Spektroskop Rxn4 ist bei Evonik in der<br />
Produktion im Einsatz<br />
Internationalisierung ist letztlich genau<br />
das, was auch den Verantwortlichen bei<br />
Endress+Hauser vorschwebt. Laurent<br />
Ducros, Managing Director des Kompetenzzentrums<br />
in Lyon, erklärt dazu: „Wir<br />
wissen um die langen Verkaufszyklen für<br />
die Raman-Spektroskopie und verfolgen<br />
daher einen beratenden Verkaufsansatz.<br />
Kunden erwarten eine eigene europäische<br />
Organisation sowie ein Netzwerk<br />
zur Unterstützung von Vertrieb und Service.“<br />
Aus Lyon heraus soll Raman-Expertise<br />
daher über ganz Europa ausgebreitet<br />
werden. Dafür würden die Ingenieure<br />
in den nationalen Repräsentanzen<br />
umfassend geschult. Aktuell sind europaweit<br />
mehr als 500 Raman Spektrometer<br />
von Endress+Hauser im Einsatz. Aber<br />
man spüre steigendes Interesse – vor allem<br />
aus den Bereichen Life Sciences,<br />
aber auch seitens Herstellern von Biomethan,<br />
grünem Wasserstoff und grünem<br />
Ammoniak sowie von Lebensmitteln.<br />
„Wir sind erst am Beginn der Reise“,<br />
prophezeit Ducros.<br />
Fotos: Evonik, Endress + Hauser<br />
www.endress.com<br />
Die Raman-Spektroskopie gehört in die Kategorie der Schwingungsspektroskopie.<br />
Um Proben chemisch zu analysieren, werden durch Laserlicht molekulare Bewegungen<br />
erzeugt. Die dabei entstehenden Wechselwirkungen erlauben Rückschlüsse<br />
auf die Eigenschaften der Proben. Das sogenannte Raman-Spektrum zeigt<br />
charakteristische Signale für die untersuchten Moleküle und Substanzen. Typische<br />
Einsatzgebiete sind Fermentationsprozesse in Life-Sciences- oder Biotech-Anwendungen,<br />
die so in Echtzeit gemessen und gesteuert werden können, die Überwachung<br />
der Qualität bei der Beschichtung von pharmazeutischen Wirkstoffen in der<br />
Tablettenherstellung, die Analyse der Zusammensetzung von Flüssig-Erdgas (LNG)<br />
sowie die Inlinemessung von Paraffinen, Isomeren, Olefinen, Naphthenen und<br />
Aromaten (Piona) zur Optimierung der Prozesse in Naphtha-Crackern.<br />
www.verfahrenstechnik.de VERFAHRENSTECHNIK 03/<strong>2022</strong> 29