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<strong>AB</strong> 09/2022<br />
STELLENMARKT | 575<br />
Anzumerken sei, dass die vorläufige Festnahme dem Strafanspruch des<br />
Staates dient – die Polizei kann (und soll!) nicht omnipräsent sein – und es<br />
wäre nicht hinnehmbar, wenn ein/e Straftäter/in nur deshalb straffrei ausginge,<br />
weil ihn/sie niemand festhalten dürfte – obwohl die Möglichkeit dazu<br />
bestanden hätte. Das Ziel der Festnahme durch jedermann ist also immer,<br />
den/die Tatverdächtige/n der Polizei zu übergeben, die dann die weiteren<br />
strafprozessualen Maßnahmen treffen wird.<br />
Wichtig: Die Verhältnismäßigkeit des Handelns<br />
Daniel hat im Übrigen auch die – in § 127 StPO nicht ausdrücklich genannte –<br />
Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit beachtet. Er hat das mildeste Mittel<br />
gewählt, um den Tatverdächtigen an der Flucht zu hindern. Er hat ihn zunächst<br />
klar und deutlich aufgefordert, den Ort nicht zu verlassen (hier beginnt bereits<br />
die Festnahmehandlung), und als das nichts fruchtete, hat er einfache körperliche<br />
Gewalt angewendet – festes Zupacken unter angemessener Schmerzeinwirkung.<br />
In Abwägung zum Delikt (Verletzung des höchstpersönlichen<br />
Lebensbereiches) ist diese Einwirkung auf den Tatverdächtigen als vollkommen<br />
angemessen zu betrachten. Nicht erlaubt wären härtere Maßnahmen,<br />
wie z. B. der Schusswaffengebrauch oder das K.o.-Schlagen des Tatverdächtigen<br />
mit einem Baseballschläger (was sicherlich kaum jemandem in dieser<br />
Situation in den Sinn kommen würde). Diese Maßnahmen führten zwar auch<br />
zum Ziel (der Tatverdächtige kann nicht mehr flüchten), sind aber eindeutig<br />
außer Verhältnis.<br />
Auch eine Fesselung (z. B. mit Kabelbinder) oder ein Einsperren in den<br />
Schwimmmeisterraum wären in diesem Fall nicht verhältnismäßig. Daniel hat<br />
mit dem milden Mittel des festen Zupackens Erfolg, mehr muss (und darf!)<br />
er nicht tun. Die Fesselung könnte aber auch das mildere Mittel darstellen<br />
– nämlich dann, wenn festes Zupacken nicht mehr ausreicht und eigentlich<br />
eine heftigere Gewaltanwendung nötig wäre, um den Verdächtigen festzuhalten.<br />
Gelingt es dann, den Tatverdächtigen mit einem Kabelbinder zu fixieren,<br />
wäre das in diesem Fall verhältnis- und rechtmäßig. Doch Vorsicht! Das<br />
muss man können – also vorher intensiv geübt haben –, ich rate allerdings<br />
dringend von solchen „Trainings“ ab, weil das dem Aufgabenbereich des Badpersonals<br />
unzweifelhaft nicht mehr zuzuordnen ist. Und: Bei unsachgemäßer<br />
Anwendung eines Kabelbinders kann es zu Blutstauungen kommen mit evtl.<br />
nicht reversiblen Schäden, die immense Schadensersatzforderungen nach<br />
sich ziehen können. Das gilt auch für das Verbringen zum Schwimmmeisterraum,<br />
wenn der Tatverdächtige ohne übermäßige Gewaltanwendung dorthin<br />
begleitet werden könnte.<br />
Im Ergebnis muss man ganz klar sagen: Wird durch die Festnahme mit<br />
Zwangsanwendung eine erhebliche Verletzung der/des Festzunehmenden<br />
wahrscheinlich, dann muss man ggf. den Entschluss der Festnahme fallen<br />
und die/den Tatverdächtige/n frei lassen.