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EDITORIAL<br />
Hamburgs<br />
maritimesmes Herz<br />
Krischan Förster<br />
Chefredakteur<br />
Standortfrage neu gestellt<br />
Für seine klaren Worte zur Situation der<br />
Binnenschifffahrt als Ehrengast des<br />
Schiffermahls in Duisburg hatte BASF-<br />
Chef Martin Brudermüller vor ziemlich<br />
genau einem Jahr viel Lob und Anerkennung<br />
erhalten. Gemeinsam mit<br />
Schifferbörsen-Vorstand Frank Wittig<br />
hatte er deutliche Forderungen an die<br />
Bundespolitik formuliert und die<br />
schnellstmögliche Umsetzung »konkreter<br />
Projekte« angemahnt.<br />
Ein Jahr und ein Niedrigwasser später<br />
ist zu konstatieren, dass viele Hoffnungen<br />
enttäuscht und kaum Fortschritte<br />
erzielt wurden. Doch inzwischen<br />
haben die allseits bekannten<br />
Probleme eine neue Dimension erreicht.<br />
Die durch Russlands Angriffskrieg<br />
in der Ukraine ausgelöste Energiekrise,<br />
die von einer grassierenden Inflation<br />
flankiert wird und demnächst in<br />
eine weltweite Rezession führen könnte,<br />
hebt jede Debatte von einem vermeintlich<br />
nationalen mindestens auf<br />
ein europäisches, wenn nicht auf ein<br />
globales Niveau. Es geht um nicht weniger<br />
als die Zukunft des Wirtschaftsstandortes<br />
Deutschland.<br />
Schon unter dem Eindruck des Niedrigwassers<br />
von 2018 und zuletzt dem<br />
von August <strong>2022</strong> wurde in der einen<br />
oder anderen Konzernzentrale die<br />
Standortfrage neu gestellt, damals noch<br />
mit Blick auf die unklare Versorgungssicherheit.<br />
Jetzt kommen die hohen<br />
Energiepreise hinzu, und nicht nur bei<br />
der BASF stellt sich die Frage, wo künftig<br />
produziert wird – weiter am Rhein<br />
oder eben im Ausland.<br />
Der Chemiekonzern hat weltweit<br />
100.000 Mitarbeiter und fährt seine Gewinne<br />
vor allem in Asien ein, ähnlich<br />
wie auch andere große deutsche Unternehmen.<br />
Also wird massiv in China investiert,<br />
10 Mrd. € sind es bis 2030. In<br />
der Provinz Guangdong baut die BASF<br />
gerade eine riesige neue Anlage – es soll<br />
der drittgrößte Standort überhaupt werden.<br />
Die europäischen Produktionsanlagen<br />
mit hohen Personal- und Energiekosten<br />
lohnen sich immer weniger.<br />
BASF-Chef Brudermüller mahnte<br />
jüngst unverblümt an, dass die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der deutschen Standorte<br />
dringend verbessert werden müsste.<br />
Und schafft bereits Tatsachen: Am<br />
Stammsitz in Ludwigshafen sollen Stellen<br />
gestrichen werden.<br />
Spätestens jetzt paaren sich Verkehrsund<br />
Energiepolitik: Neben der vernachlässigten<br />
Infrastruktur rücken massiv<br />
Import, Lagerung und Verteilung neuer<br />
Energieträger in den Fokus und werden<br />
künftig zu den entscheidenden Standortfaktoren.<br />
Die Binnenschifffahrt ist,<br />
wie alle anderen Transporteure, bei<br />
dieser Entwicklung, gerade wenn es um<br />
die Kosten einer Industrieproduktion in<br />
Deutschland geht, kaum mehr als ein<br />
Zaungast. Die entscheidenden Weichen<br />
werden zweifellos in Berlin gestellt.<br />
Doch mit dieser Zukunftsfrage für<br />
den Wirtschaftsstandort Deutschland<br />
muss sich auch das Gewerbe im Interesse<br />
der eigenen Existenz und zur Sicherung<br />
künftiger Transportmengen<br />
zwangsläufig beschäftigen, jenseits des<br />
allgegenwärtigen Hypes ums Thema<br />
Wasserstoff. Es mag nur ein Puzzle-Teil<br />
in den anstehenden Standortdebatten<br />
sein, aber eben ein immens wichtiges.<br />
Viel Spaß beim Lesen wünscht<br />
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