SchAttenboxen um ein neues Dienstrecht - GÖD
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Berührende BEGEGnUnG<br />
mit Der VergangenHeit<br />
Als nikolaus Welker, geboren 1920,<br />
erfährt, dass der Freizeitservice Öffentlicher<br />
Dienst <strong>ein</strong>e Reise nach Georgien<br />
und Armenien plant, fragt er sofort an,<br />
ob diese Reise auch an den Sewansee<br />
in Armenien führe und ob es möglich<br />
wäre, dort auch <strong>ein</strong> bestimmtes Kraftwerk<br />
zu besichtigen. Eine Reise an die<br />
Stätte <strong>ein</strong>es Martyri<strong>um</strong>s, das Welker<br />
60 Jahre zuvor erlebt hat, beginnt.<br />
V<br />
oller Hoffnung und Anspannung tritt Welker<br />
die Reise an. In Ried/Oberösterreich zu Hause,<br />
fährt er am Vorabend nach Wien, <strong>um</strong> sogleich<br />
auf dem Flughafen in Schwechat <strong>ein</strong>zuchecken.<br />
Es ist bereits 23 Uhr, als Welker mit den Formalitäten fertig<br />
ist, und nun steht er ohne Hotel da. Kurz<strong>um</strong>, mit 88 Jahren<br />
verbringt er die nacht auf dem Flughafen, <strong>um</strong> am Morgen<br />
pünktlich beim ver<strong>ein</strong>barten Treffpunkt zu s<strong>ein</strong> und Reiseleiter<br />
Kurt K<strong>um</strong>hofer zu treffen.<br />
Mit 40 weiteren Reiseteilnehmern geht es nun nach Tiflis.<br />
Welker kennt k<strong>ein</strong>en der Teilnehmer, findet aber schnell<br />
Kontakt und wird von allen, schon wegen s<strong>ein</strong>es Alters,<br />
sehr geschätzt. Von s<strong>ein</strong>em Vorhaben weiß nur K<strong>um</strong>hofer.<br />
Tiflis, die Heerstraße im Kaukasus, die schönen Kirchen,<br />
das W<strong>ein</strong>gebiet – die Zeit vergeht rasch, und bald steht<br />
die Gruppe mit dem Bus an der Grenze zu Armenien und<br />
nimmt Kurs auf den Sewansee.<br />
Gleich nach der Grenze finden mit den Reiseleitern erste<br />
Gespräche statt. Aber offenbar weiß niemand etwas von<br />
<strong>ein</strong>em Kraftwerk, das noch dazu unter dem See s<strong>ein</strong> soll.<br />
Selbst am Sewansee angekommen, ist weit und breit nichts<br />
zu erkennen. Welker wird immer ruhiger. Man kann bereits<br />
traurige Augen erkennen, bis plötzlich <strong>ein</strong>e der Reiseleiterinnen<br />
besch<strong>ein</strong>igt, dass es so <strong>ein</strong> Kraftwerk gebe und dass<br />
sie bereits mit Gästen aus Deutschland dort gewesen sei.<br />
Für diesen Tag gibt es also k<strong>ein</strong>e Chance mehr. Es gilt daher,<br />
die Vorbereitungen für den kommenden Tag zu treffen.<br />
Mittagessen und Abendessen sind für Welker gestrichen,<br />
und am Vormittag des kommenden Tages verlässt er bei der<br />
Stadtbesichtigung in Erewan den Bus nicht. Er will auch mit<br />
niemandem sprechen, so angespannt ist er.<br />
Am nachmittag treten Welker, K<strong>um</strong>hofer, nari, die<br />
armenische Reiseleiterin, und <strong>ein</strong> Fahrer mit <strong>ein</strong>em Miet<br />
auto erneut die Fahrt an den Sewansee an, <strong>um</strong> <strong>ein</strong>en Ein<br />
bzw. Ausgang am Berghang zu suchen, von wo man zu diesem<br />
Kraftwerk vordringen kann. In dem am Vortag von<br />
der Reiseleiterin beschriebenen Dorf ist jedoch weit und<br />
breit nichts zu erkennen. In <strong>ein</strong>em Bauernhaus erkundigt<br />
sich die Reiseleiterin, und händedeutend wird ihr <strong>ein</strong>e<br />
Richtung angezeigt. Wieder geht es <strong>ein</strong>ige Kilometer auf<br />
<strong>ein</strong>er Straße, die ob der riesigen Schlaglöcher <strong>ein</strong>e derartige<br />
Bezeichnung nicht verdient, weiter. Plötzlich steht mitten<br />
in der Wildnis <strong>ein</strong> rostiger Schlagba<strong>um</strong>, der nicht zu öffnen<br />
ist, und in <strong>ein</strong>iger Entfernung <strong>ein</strong> Wächterhaus, das Einrichtungen<br />
in der Russenzeit in Österreich gleicht. Dort sitzt<br />
<strong>ein</strong> Mann, der uns erklärt, dass Feiertag sei und es k<strong>ein</strong>e<br />
Besichtigung gebe.<br />
Die Hoffnung schwindet<br />
Immer mehr schwindet Welkers Hoffnung, das ersehnte<br />
Ziel doch noch zu erreichen, sieht doch das Gelände in k<strong>ein</strong>er<br />
Weise dem gleich, was er anzutreffen erhofft hat. nach<br />
längeren Verhandlungen mit unserer Reiseleiterin geht nun<br />
dieser Mann wieder in s<strong>ein</strong> Wächterhaus und greift zu <strong>ein</strong>em<br />
Telefonhörer. Schließlich ersch<strong>ein</strong>t bei <strong>ein</strong>em Tor, das in den<br />
Berg führt, <strong>ein</strong> Mann. Die Gruppe folgt ihm etwa 300 Meter<br />
in <strong>ein</strong>en Bergwerksstollen. Für Welker ist es noch immer<br />
<strong>ein</strong>e unbekannte Welt. Plötzlich verbreitert sich der Stollen,<br />
<strong>ein</strong>e Tür zu <strong>ein</strong>em Aufzug öffnet sich. In der M<strong>ein</strong>ung, nun<br />
gehe es nach oben – denn der See liegt ja in 1900 Meter<br />
Höhe –, fährt er unerwartet nach unten. Laut Reiseleiterin<br />
geht es 80 Meter in die Tiefe. Für Welker noch immer nicht<br />
das, was er sucht, und beklemmend für jeden, der solche<br />
„UnterbergWanderungen“ nicht gewohnt ist.<br />
An der Ausstiegsstelle geht es wieder <strong>ein</strong>ige Meter <strong>ein</strong>en<br />
Stollen entlang. Plötzlich steht die Reisegruppe vor <strong>ein</strong>er<br />
Halle, vergleichbar mit <strong>ein</strong>em Kirchenschiff, 30 bis 40<br />
Meter hoch und ebenso breit. Welker schaut auf: „Das ist es.“<br />
Er hält sich den Kopf, ta<strong>um</strong>elt zur Mauer und hält sich fest.<br />
Schweigend betrachten ihn die Anwesenden. S<strong>ein</strong> Gesicht<br />
ist bleich. „nik, wie geht es dir ?“, fragt K<strong>um</strong>hofer. Es dauert<br />
wieder Sekunden, bis Welker aufblickt. „Ist es Hass? Ist es<br />
Verzweiflung? Freude?“ – „n<strong>ein</strong>, nichts davon. nur 60 Jahre<br />
m<strong>ein</strong>es Lebens laufen in m<strong>ein</strong>em Kopf ab wie <strong>ein</strong> Film.“<br />
erinnerung an die Kameraden<br />
Und dann erzählt er: Als er 1945 von den Amerikanern<br />
gefangen genommen worden war, kam er mit weiteren<br />
tausenden Gefangenen in <strong>ein</strong> Lager in Oberösterreich. Von<br />
dort wurde er über nacht von den Russen nach Armenien<br />
26 <strong>GÖD</strong>_Ausgabe 5_2008