<strong>dei</strong> TREND SUSTAINABLE PACKAGING Bilder: R-Cycle Digitaler Produktpass erleichtert das Recycling DER AUSWEIS FÜR DIE VERPACKUNG Die unternehmensübergreifende Initiative R-Cycle hat einen globalen Rückverfolgungsstandard <strong>für</strong> Kunststoffverpackungen entwickelt, den digitalen Produktpass R-Cycle. Der Direktor der Initiative, Dr. Benedikt Brenken, erklärt, welche Vorteile der digitale Produktpass <strong>für</strong> <strong>die</strong> Kreislaufwirtschaft bietet und warum auch <strong>die</strong> <strong>Lebensmittelindustrie</strong> davon profitiert. 50 <strong>dei</strong> 04-2023
Herr Dr. Brenken, Lebensmittel befinden sich häufig in Kunststoffverpackungen, <strong>die</strong> bisher erst zu einem geringen Anteil wiederverwertet werden. Wie kann der digitale Produktpass R-Cycle das Recycling von Kunststoffverpackungen verbessern? Dr. Benedikt Brenken: Der digitale Produktpass ermöglicht ein höherwertiges Recycling, indem er Informationen liefert, mit denen Verpackungen besser sortiert werden können. Die technische Recyclingfähigkeit der Verpackung verbessert er zwar nicht. Aber man weiß durch <strong>die</strong> Informationen aus dem Produktpass, was man nach Gebrauch mit der Verpackung machen kann, zum Beispiel, wie man bestimmte Materialien und Verbünde wieder einsetzen kann. Ein Beispiel: Mit dem digitalen Produktpass lassen sich bei der Abfallsortierung Verpackungen von Food- und Non-Food-Produkten unterscheiden. Wie funktioniert der digitale Produktpass? Dr. Brenken: Der digitale Produktpass ist ein Vehikel, das es ermöglicht, unternehmensübergreifend Daten von Verpackungen standardisiert auszutauschen, um Prozesse zu vereinfachen. Er besteht aus drei Elementen. Zum einem aus einem Global Unique Identifier. Damit erhält <strong>die</strong> Verpackung eine Identität, eine Nummer. Das Zweite ist ein Datensatz. Die Daten <strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Datensatz werden dort aufgenommen, wo sie erzeugt werden. Das kann bei Verpackungen ein sehr komplexer Prozess sein, weil unterschiedliche Player beteiligt sind. Das Dritte ist <strong>die</strong> Markierung, <strong>die</strong> das physische Produkt mit den Daten verbindet. Über <strong>die</strong> Markierung kann man sich <strong>die</strong> Daten anzeigen lassen. Technisch basiert R-Cycle auf einem Protokoll, das sich der elektronische Produkt-Code nennt, abgekürzt EPCIS. Dieser Code wird schon seit Jahren <strong>für</strong> das Tracking von Frische-Lebensmitteln eingesetzt. Welche Markierungen sind <strong>für</strong> R-Cycle relevant? Dr. Brenken: Wir sind offen, was <strong>die</strong> Markierungstechnologien angeht. R-Cycle basiert durchgängig auf GS1-Standards. Die einzige Anforderung, <strong>die</strong> wir haben, ist daher, dass <strong>die</strong> Markierung <strong>die</strong> ID- Nummer abbilden kann. Das funktioniert über QR-Codes oder über digitale Wasserzeichen, also über unsichtbare, wiederkehrende Codes auf der Verpackungsoberfläche. Welche Art der Markierung „Der digitale Produktpass ist eine entscheidende Komponente, um <strong>die</strong> Möglichkeit zu schaffen, Rezyklat in Lebensmittelverpackungen einzusetzen.“ sinnvoll ist, hängt davon ab, was man mit dem digitalen Produktpass machen will. Soll zum Beispiel in hoch automatisierten Sortieranlagen Müll gescannt werden, funktioniert <strong>die</strong> Erkennung mit dem QR-Code nicht. Deshalb gibt es <strong>die</strong> Initiative der digitalen Wasserzeichen Holy Grail, <strong>die</strong> wir mit dem von uns entwickelten Datenstandard unterstützen. Mit digitalen Wasserzeichen können Sortieranlagen automatisiert auf <strong>die</strong> Daten zugreifen. Sollen aber Kunden oder Behörden über <strong>die</strong> Inhaltsstoffe von Verpackungen informiert werden, eignet sich auch ein QR-Code sehr gut <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erkennung. Welche Informationen werden mit R-Cycle erfasst? Dr. Brenken: Es geht generell um <strong>die</strong> recyclingrelevanten Inhaltsstoffe von Verpackungen. Die Rezeptur spielt dabei keine Rolle, bei einer Folie muss man zum Beispiel nicht wissen, aus wie vielen Schichten sie besteht, aber, dass sie aus PE-LD hergestellt wurde. Außerdem haben wir Additive definiert, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Recyclingfähigkeit be- R-CYCLE: DIE INITIATIVE Die Initiative R-Cycle wurde 2020 von sechs Techno - logieunternehmen und Organisationen entlang des gesamten Lebenszyklus von Kunststoffverpackungen gegründet mit dem Ziel, einen offenen, globalen und digitalen Rückverfolgungsstandard <strong>für</strong> Kunststoffverpackungen zu entwickeln. Zu den Gründungsmitgliedern gehören <strong>die</strong> auf Extrusionsanlagen spezialisierte Reifenhäuser-Gruppe, GS1 Germany und das Institut <strong>für</strong> Kunststoffverarbeitung an der RWTH Aachen. Seit der Gründung ist <strong>die</strong> Community auf 29 Mitglieder gewachsen (Stand Februar 2023). Mitglieder sind z. B. auch Sidel, Multivac und Adapa. Um den digitalen Produktpass anzuwenden, muss man nicht Mitglied der Community sein, sondern braucht nur <strong>die</strong> nötige Dateninfrastruktur. Diese bietet R-Cycle als Software as a service an. einflussen. Diese Informationen sowie Informationen über Druckfarben, Klebstoffe etc. sind ebenfalls wichtig und bei der Sortierung zu berücksichtigen, damit der Recycler höherwertig re cyclen kann. Informationen über <strong>die</strong> Verpackung sind das eine. Aber ist es nicht mindestens genauso wichtig, das Design von Kunststoffverpackungen zu verbessern, um den Recyclinganteil zu erhöhen? Dr. Brenken: Ja, absolut. Der digitale Produktpass alleine wird es nicht richten. Gerade werden viele Verfahren entwickelt, <strong>die</strong> es ermöglichen, gut recycelbare Produkte herzustellen. Beispielsweise war ein klassischer Pouch früher immer ein Verbund von PE und PET, aber mittlerweile kann man ihn auch rein aus PE herstellen. Wir haben festgestellt, dass es bereits viele solcher gut recycelbarer Monomaterialverpackungen gibt, aber <strong>die</strong> Sortierer nicht unterscheiden können, ob es sich zum Beispiel um einen Pouch aus Verbundmaterial oder reinem PE handelt. Das war <strong>die</strong> Geburtsidee von R-Cycle. Wie müssen Maschinen wie Verpackungs- und Abfüllanlagen nachgerüstet werden, damit sie mit dem R-Cycle-Datensatz vernetzt werden können? Dr. Brenken: Die R-Cycle Infrastruktur kann direkt an <strong>die</strong> Maschinen oder <strong>die</strong> typischen ERP-Systeme von Unternehmen angeschlossen werden, um Daten aufzunehmen. Man braucht nur eine Schnittstelle <strong>für</strong> <strong>die</strong> Be<strong>die</strong>nung des EPCIS-Standards. Der spannendere Teil der Nachrüstung ist das automatisierte Lesen der Daten. Ein Beispiel: Eine Folienrolle kommt mit einem Datensatz beim Bedrucker an. Dieser scannt den Datensatz an seiner Anlage ein und nutzt ihn da<strong>für</strong>, <strong>die</strong> Anlage automatisch einzustellen. An einer Verpackungsanlage lassen sich mithilfe <strong>die</strong>ser Daten beispielsweise <strong>die</strong> Siegeltemperaturen anpassen. Der digitale Produktpass bietet also nicht nur <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sortierer oder <strong>die</strong> Recycler Mehrwerte, sondern <strong>für</strong> alle Partner der Wertschöpfungskette. R-Cycle ermöglicht Herstellern also auch effizientere Prozesse? Dr. Brenken: Ja. Eine der Anwendungen, <strong>die</strong> wir zurzeit am meisten diskutieren, ist das verbesserte Datenreporting <strong>für</strong> <strong>die</strong> Markenindustrie und den Handel. Die EU-Kommission legt in ihrem Aktionsplan <strong>für</strong> <strong>die</strong> Kreislaufwirtschaft einen Fokus auf <strong>die</strong> Recyclingfähigkeit. Zukünftig werden Inverkehrbringer von Verpackungen deren Recyc- <strong>dei</strong> 04-2023 51