64 Investigation | 79 Au Magazin 2 | 21VARIANTENREICHPavéfassungen, Hochglanz- und satinierteOptiken der Pomellato-„Brera“-Kollektion (re).Goldblättchen für die Weiterverarbeitung mitZiertechniken von Wempe (unten li). KlassischeHandgravur mittels Stichel am Uhrwerkteil derChopard „L.U.C XP Esprit de Fleurier Peony“(unten re). Goldgranulat wird durchHitzeeinwirkung mit der Ziffernblattoberflächeverschmolzen (rechte Seite).
65In den Anfangsstadien war die Gravur die Fortsetzung derZeichenkunst des Menschen. Man kann sie daher als eine10.000 Jahre alte Technik bezeichnen.Fotos: WEMPE, Pomellato, Chopard, CartierGravieren wirken die Oberflächen bei Arbeiten mit Punzenwellig und die Linien sind stumpf.Die Gravur ist eine spanabhebende Technik, bei der mittelseines stählernen Grabstichels Verzierungen in Metallflächenausgehoben werden. „In den Anfangsstadien war die Graviertechnikdie Fortsetzung der Zeichenkunst des Menschen. Mankann daher die Gravierkunst als eine 10.000 Jahre alte Technikbezeichnen. Auch das Metallgravieren ist uralt und beginntmit der Metallerzeugung in der Bronzezeit“, so LeopoldRössler, Präsident der Österreichischen Gemmologischen Gesellschaft.Durch das Abheben von feinen Spänen entstehenunterschiedlich starke und tiefe sowie scharf begrenzte Linienauf einer ebenen Fläche.Speziell hochwertige Uhrenmarken veredeln bis heute mitGravuren höchster Qualität die Werke und Gehäuse ihrer Zeitmesserund garantieren so das Weiterleben dieser einzigartigenHandwerkskunst. In Italien kombinierte man ab dem 15.Jahrhundert die Gravur häufig mit der Niello-Technik, die bereitsim alten Ägypten und im antiken Griechenland bekanntwar und sich ebenfalls oft auf Uhrengehäusen findet. Niellobezeichnet eine eingravierte oder eingepresste Verzierung, diemit einer Art schwarzer Farbe ausgefüllt, kontrastvolle Musterentstehen lässt.Weniger verbreitet ist mittlerweile die verzierende Oberflächentechnikder Granulierung. Dabei werden kleinste Goldkügelchenzu einem Ornament oder einer Fläche gelegt unddann auf einem Goldgrund aufgelötet. Der Name leitet sichvom Lateinischen „granulum“ für „Körnchen“ ab und war imAltertum bei Ägyptern, Griechen und Etruskern ein beliebtesSchmuckdekor. Zierliche Optiken können auch mit der sogenanntenFiligrantechnik erzielt werden, deren Name wörtlichübersetzt „gekörnter Draht“ bedeutet. Diese alte, ornamentaleDrahtbiegetechnik aus dünnen, geflochtenen oder gekordeltenDrähten ist seit etwa 2000 v. Chr. aus Troja bekanntund bis heute vor allem für Trachtenschmuck in Verwendung.Im Zuge der Nachfrage nach zierlichem Geschmeide und geschmeidigenOptiken erobert sie bei den Schmucktrends nachund nach wieder Terrain.Neben dem zumeist tausende Jahre alten Goldbearbeitungsmethodengibt es auch neue, innovative Techniken – manchmalspielt der Zufall dabei eine Rolle. So wie bei der mittlerweilelegendären Spiraltechnik der Marke Marco Bicego, dieetliche traditionelle Goldschmiedetechniken für ihre Schmuckkollektionenanwendet. „Eine Maschine, die sich verklemmte,rollte einen Golddraht auf ungewollte Art und Weise auf – sodass er nicht verwendbar war. Doch genau in diesem Momentkam die Inspiration“, erklärt Marco Bicego. „Bei der Spiraltechnik,für die unser Unternehmen einzigartig ist, wird einfeiner Golddraht um einen Kern gewickelt, so dass eine kompakte,stabile und gleichzeitig duktile Spirale entsteht, die aufverschiedene Weise bearbeitet werden kann.“Auch die bei Schmuck und Uhren aktuell sehr beliebtenmatten Optiken sind relativ neu. Die Sandstrahltechnik, dieseidig glänzende, leicht matte Oberflächen mittels feinkörnigemKorund- oder Quarzsand ermöglicht, stammt aus demEnde des 19. Jahrhunderts, das Satinieren von Metalloberflächenhat seinen Ursprung in den 1960er-Jahren. Hierbei wirdmit einem Fadenstichel ein sehr feines Strichmuster erzeugt,das erst bei näherem Hinsehen erkennbar ist. Durch die Strichelung,die der Fadenstichel beim Satinieren hinterlässt, bekommtdas Metall die mit einem Seidenstoff vergleichbareOberflächenoptik. Ganz neue Form-, aber auch Oberflächengestaltungenermöglichen 3-D-Druckverfahren, die sich mittraditionellen Guss- oder Bearbeitungsverfahren gar nicht verwirklichenließen. Doch selbst bei diesen Verfahren muss einGoldschmied Hand anlegen, der den Preziosen den letztenSchliff verleiht, um sie zu hochwertigen Schmuckstücken zuvollenden.So vielfältig sich die dekorativen Goldverzierungen auchpräsentieren, sie haben dennoch eines gemeinsam: Am schönstenwirkt das edle Geschmeide getragen von einer Person, dieihm mit ihrer Persönlichkeit eine individuelle Aura verleiht.Ω