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„BEI UNS SIND INNOVATIONEN KEIN MITTEL ZUM SELBSTZWECK“ So manche Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass wir Deutschen technikfeindlich eingestellt sind. Doch ist dem so? Wir haben mit Jakub Piotrowski gesprochen. Der Leiter IT, Chief Information Officer (CIO) und Chief Digital Officer (CDO) der BLG Logistics Group, Bremen, ist Experte in Sachen Innovationen und geradezu prädestiniert zum dem Thema Stellung zu nehmen. Herr Piotrowski, lassen Sie uns sofort auf den Punkt kommen: Ist was dran an der Technikfeindlichkeit der Deutschen? Jakub Piotrowski: Technikfeindlich würde ich nicht sagen. In Deutschland herrscht eher ein Klima der Skepsis gegenüber Innovationen. Lassen Sie mich erklären, wie ich dies meine. Vom Mindset her gesehen sind wir in Deutschland vorsichtiger gegenüber dem Einsatz von Innovationen oder generell gegenüber der Nutzung von neuen Technologien eingestellt. Hinzu kommt: Wir erwarten eine vollständig funktionierende Lösung. In den USA zum Beispiel ist das anders. Dort ist man auch schon einmal mit einer 80-Prozent-Lösung zufrieden und arbeitet gemeinsam an entsprechenden Verbesserungen. Das bei uns in Deutschland anzutreffende Bedürfnis nach Vollkommen- oder auch Sicherheit strahlt auf viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens aus. Ein Beispiel ist die auch seitens der EU forcierte Datenschutzgrundverordnung. Bevor man in Deutschland zum Beispiel die für das Zufahrtssystem auf das Gelände eines Logistikzentrums erforderlichen Kameras installieren darf, muss man zuerst einmal ein Datenschutzkonzept vorlegen. 6 f+h 2023/06 www.foerdern-und-heben.de
NACHGEFRAGT MENSCHEN UND MÄRKTE Sie sprechen damit die bei uns fast perfektionierte Bürokratie an … Jakub Piotrowski: Ja. Der bürokratische Aufwand wirkt bei der Beschäftigung mit Innovationen oder auch generell bei der Einführung von neu entwickelten Technologien kontraproduktiv. Jetzt unterhalten wir uns schon seit einigen Minuten über Innovationen. Was ist eigentlich eine Innovation? Jakub Piotrowski: Ich glaube, die Frage kann man allgemeingültig, ohne ins Philosophieren zu verfallen, kaum beantworten. Entschuldigung. Dann muss ich meine Frage genauer formulieren. Was ist aus Sicht der BLG Logistics Group eine Innovation? Jakub Piotrowski: (Lacht). Für uns sind Innovationen neue Technologien oder neue Lösungen, die ihre ersten Schritte am Markt gegangen, aber bei der BLG noch nicht vorhanden sind. Und um diese Technologien oder Lösungen einzuführen, haben Sie vor fünf Jahren das zentrale Innovationsteam gegründet? Jakub Piotrowski: Genau. Aufgabe des zentralen Innovationsteams war es, die Fachbereiche an die Themen heranzuführen und zu zeigen, dass neue Lösungen auch das erfüllen, was man sich von deren Einsatz verspricht. Warum verwenden Sie in Ihrer Antwort die Vergangenheitsform, wenn Sie über das zentrale Innovationsteam sprechen? hat. Mit der Überführung des zentralen Innovationsteams in die Technologieteams übernehmen nun die Fachbereiche die Aufgabe, sich am Markt über entsprechende Entwicklungen zu informieren. Ferner fällt in den Zuständigkeitsbereich der Technologieteams gemeinsam mit den entsprechenden Systemanbietern die Implementierung. Je nachdem, um welche Technologien es sich dabei handelt, kommen auch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Digital-Services-Bereich der IT ins Spiel. Darüber hinaus arbeiten wir aber auch mit Universitäten an Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Denn wir haben für uns erkannt, dass es sehr sinnvoll sein kann, mit Universitäten und Forschungseinrichtungen in Verbindung zu stehen, um Impulse zu bekommen, welche globalen Entwicklungsrichtungen zurzeit am Markt vorliegen. An welchen Innovationsprojekten arbeiten Sie aktuell? Jakub Piotrowski: Eines der Projekte beschäftigt sich mit der KI-basierten Erkennung von Objekten. Ganz konkret wollen wir in der Kommissionierung eine kamerabasierte Qualitätskontrolle realisieren. Darüber hinaus läuft momentan ein IT-Projekt, im Zuge dessen der Aufbau eines Data Warehouse für die BLG- Gruppe ansteht. Sollte sich der eingeschlagene Weg als praktikabel erweisen, dann ist es unsere Vision, jedes operative System der Unternehmensgruppe anzudocken. Das Stichwort in dem Zusammenhang heißt Datenlogistik. Ferner sind wir aber auch abseits der zuvor nur auszugsweise beschriebenen Technologiethemen unterwegs. Gemeinsam mit 16 Partnern stehen Überlegungen zum sinnvollen Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur für die Metropolregion Bremen auf der Agenda. Jakub Piotrowski: Sie hören aber genau hin, Herr Bauer. Das Thema Einführung von Innovationen hat sich bei der BLG im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Wir haben festgestellt, dass der Treiber für Innovationen die jeweiligen Fachbereiche sein müssen. Vor diesem Hintergrund haben wir das Innovationsteam als zentrale Einheit unlängst aufgelöst. Alle Innovationsthemen, die Automatisierung und die Technologie betreffend, ich formuliere das jetzt einmal salopp, also das, was man mit seinen eigenen Händen anfassen kann, wird aus dem operativen Bereich getrieben. Auf der anderen Seite werden alle digitalen Innovationen von den Kolleginnen und Kollegen aus der IT angestoßen. Der kreative Work Space für das ehemalige zentrale Innovationsteam war das DigiLab. Im Zuge der Weiterentwicklung haben wir festgestellt, dass wir derartige kreative Räumlichkeiten an allen Standorten einführen sollten. Die Erfahrungen und die Rückmeldungen aus den verschiedenen Fachbereichen bestätigen diese Entscheidung. Damit hat sich dann auch meine Einschätzung bestätigt, die ich seinerzeit gegenüber dem Vorstand äußerte, als ich gebeten wurde, das zentrale Innovationsteam aufzubauen. Damals wurde mir nämlich unter anderem die Frage gestellt: wann ist das Innovationsteam eigentlich erfolgreich? Meine Antwort lautete: Wenn man es zentral nicht mehr braucht. Das Ziel haben wir erreicht. Ich könnte auch sagen: Das Innovationsteam ist erwachsen geworden. Mit dem von Ihnen beschriebenen Ansatz, Innovationen in der BLG Logistics Group einzuführen, stellen Sie sicher, dass das Unternehmen Treiber und nicht Getriebener von Innovationsthemen ist? Jakub Piotrowski: Dem ist so. Unser Ansatz ist es, nicht diejenigen zu sein, die Innovationen entwickeln, sondern diejenigen, die Innovationen einsetzen, sobald es Indikatoren dafür gibt, dass die jeweilige Innovation einen gewissen Reifegrad erreicht www.foerdern-und-heben.de f+h 2023/06 7
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