28.12.2012 Aufrufe

Leve Lesers - Quickborn. Vereinigung für niederdeutsche Sprache ...

Leve Lesers - Quickborn. Vereinigung für niederdeutsche Sprache ...

Leve Lesers - Quickborn. Vereinigung für niederdeutsche Sprache ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rezensionen – Theater<br />

Autor aus – um ca. 1900 in Irland angesiedelt<br />

ist? Allerdings haben es Regie<br />

und Dramaturgie in Oldenburg geschickt<br />

verstanden, den „Ort“ so zu<br />

verschleiern, dass er auch auf ein norddeutsches<br />

Dorf zu verlegen wäre. Das<br />

gelingt aber nur mit eher groben, holzschnittartigen<br />

Kerben (übrigens, die<br />

Axt da<strong>für</strong> hängt tatsächlich zwei Stunden<br />

lang über der zentralen Tür im<br />

Bühnenbild): der passive „Held“ und<br />

Dorfschönling Christoph Martens (Cay<br />

Hendryk Meyer) zeigt bis kurz vor<br />

Schluss nur in Andeutungen eine innere<br />

Entwicklung. Er lässt sich gerne treiben<br />

und ruht sich auf seiner einmal<br />

entdeckten Lebenslüge aus, nämlich<br />

dem vermuteten Tod des verhassten<br />

Vaters. Das tut er, oft wohlweislich<br />

schweigsam, im Kreis von mitleidsschwangeren,<br />

weiblichen Dorfschönen<br />

(Maura Kristin Dehme, Julia Korfé, Juliana<br />

Maack). Diese sind aus anschmiegsamem,<br />

durchaus ansehnlichem<br />

und unterschiedlichem Holz geschnitzt,<br />

das aber mit mancherlei Frauenklischees<br />

aus der Zeit vor ca. 100 Jahren<br />

– also am Beginn der weiblichen<br />

Emanzipation – beklebt ist: alle Frauen<br />

sind auf Männer fixiert; die drei Dorf-<br />

Teenager können aus ihrer Langeweile<br />

und Pubertät nur durch starke Keerls<br />

mit ´n Hoot erlöst werden; die Dorfschöne<br />

Greten (Elske Burkert) kriegt im<br />

letzten Augenblick noch den Dreh und<br />

wechselt von einer Versorgungsehe in<br />

eine Abenteuerexistenz; die mannstolle<br />

Witwe Quinn küsst auf offener Szene<br />

den gehemmten Möchtegern-Vater-<br />

76<br />

mörder. Alle Rollen in dem alten, irischen<br />

Stück werden so in knappen Dialogen<br />

recht zügig, beziehungsweise<br />

mit kräftigen Holzschnitt-Kerben, bearbeitet<br />

und auf die sorgfältig gestaltete<br />

Bühne gestellt. Deshalb ist in dieser<br />

Aufführung die Choreographie auch<br />

sehr wichtig (durch Miranda Glikson),<br />

denn die Figuren charakterisieren sich<br />

auch dadurch, wo sie gerade im<br />

Schankraum auf der Bühne stehen und<br />

was sie dort tun oder auch oft nicht tun.<br />

Die drei Mädchen langweilen sich<br />

schon vor Beginn des Stückes am automatischen,<br />

elektrischen Klavier; die<br />

drei Trunkenbolde (Volker Griem, Jürgen<br />

Müller, Gerd Janssen) lümmeln am<br />

Tresen, der Schönling lässt sich – immer<br />

mit Hut – in der Zinkbadewanne mitten<br />

im Schankraum von Greten abseifen,<br />

der totgeglaubte Vater (Herwig<br />

Dust) steht plötzlich wie der Komtur<br />

in „Don Giovanni“ und mit einer tiefen<br />

roten Kopfwunde in der Wirtshaustür<br />

– und verharrt dort bis nach der<br />

Pause. Übrigens: die Kopfwunde, beziehungsweise<br />

die Art und Schwere der<br />

Wunde auf dem nackten Vater-Schädel,<br />

spielt fast so eine zentrale Rolle wie bei<br />

Richter Adam in Kleist „Krug“. Sie<br />

wird umständlich und recht komisch<br />

von den gutgläubigen Dorfbewohnern<br />

untersucht und kommentiert – was die<br />

Situationskomik und die Handlung<br />

aber nicht so genial beflügelt wie bei<br />

Kleist. Eine gut choreographierte Massenschlägerei<br />

kurz vor Schluss kann<br />

da<strong>für</strong> aber als Ersatz herhalten.<br />

22472<strong>Quickborn</strong>4-09-1.Korr. 76<br />

15.12.2009, 10:07 Uhr

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!