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Taxi Times DACH - 3. Quartal 2023

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TARIFREGELUNGEN<br />

BALANCE-AKT<br />

»ERMESSENSGRUNDLAGE«<br />

Der PBefG-Experte Thomas Grätz beschreibt die Möglichkeiten, wie<br />

Kommunen rechtssicher Mindestentgelte für Mietwagen einführen können.<br />

Er berücksichtigt dabei auch die bereits bestehenden Gutachten.<br />

Grätz ist Rechtsanwalt und war früher Geschäftsführer des<br />

Bundesverbands <strong>Taxi</strong>- und Mietwagen, ist Autor eines<br />

Kommentars zur BOKraft und fungiert aktuell als freier<br />

Berater, unter anderem für den TMV und dessen angeschlossene<br />

Landesverbände. Einer von ihnen ist der Bayerische Landesverband<br />

für <strong>Taxi</strong>- und Mietwagenunternehmer. Dieser hatte im<br />

September eine virtuelle Infoveranstaltung zum Paragraf 51a<br />

des Personenbeförderungsgesetzes (Mindestentgelte für Mietwagen)<br />

durchgeführt, bei der Grätz der Hauptreferent war. Unter<br />

den knapp 50 Zuhörern befanden sich Mitarbeiter aus städtisch,<br />

kleinstädtisch und ländlich geprägten Kommunen. Auch ein Vertreter<br />

des Bayerischen Verkehrsministeriums zählte zum Teilnehmerkreis.<br />

Sie alle lauschten den knapp 90-minütigen Ausführungen, bei<br />

denen Grätz neben einer ausführlichen Analyse der bisherigen<br />

fünf Gutachten zum § 51a auch Praxistipps für die Genehmigungsbehörden<br />

gab.<br />

Vorher jedoch analysierte der Experte die Gesetzesherleitung<br />

und Begründung. Die Möglichkeit, dass Kommunen „tarifbezogene<br />

Regelungen“ für Mietwagen definieren können (was sogar mehr<br />

beinhaltet als einen Mindesttarif), basiert auf dem neu geschaffenen<br />

Paragraf 51a des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Als<br />

Voraussetzung ist dort aufgeführt, dass dies „zum Schutz der<br />

öffentlichen Verkehrsinteressen“ geschehen könne. Grätz hob<br />

hervor, dass im ursprünglichen Gesetzesvorschlag noch von einer<br />

„Unterbindung nicht marktgerechter Preise“ die Rede war, sofern<br />

dies „öffentliche Verkehrsinteressen erfordern“. Man habe es im<br />

Erstentwurf noch deutlich zurückhaltender formuliert, als es dann<br />

letztlich definiert wurde, indem man im jetzt gültigen Gesetzestext<br />

von einem „Schutz öffentlicher Verkehrsinteressen“<br />

spricht. „Für Genehmigungsbehörden beginnt damit<br />

der Eingriffsgrad deutlich früher“, schlussfolgert<br />

Grätz.<br />

Im Anschluss an die angesprochenen Gutachterbewertungen<br />

(siehe QR-Code) formulierte<br />

Grätz dann einige Vorschläge für die Praxis. So<br />

habe zwar jede Genehmigungsbehörde zu handeln<br />

(= Ermessen ausüben), sobald der Tatbestand des<br />

Schutzes des öffentlichen Verkehrs vorliege, sie<br />

müsse dann aber genau abwägen, mit welchen<br />

Mindesttarif für<br />

Mietwagen: 5 Gutachten<br />

und ihre<br />

Bewertung<br />

Maßnahmen eine Ermessensüberschreitung bzw. eine Ermessensunterschreitung<br />

vorliege.<br />

Sofern eine Genehmigungsbehörde den § 51a wirklich zur<br />

Anwendung bringt, muss sie belegen, dass die Maßnahme geeignet<br />

ist, die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Verkehrs zu<br />

stärken. Zudem muss klar sein, dass die „preisliche Aushöhlung/<br />

Verdrängung“ des öffentlichen Verkehrs keine Alternative zu tarifbezogenen<br />

Regelungen lässt. Last, but not least muss eine solche<br />

Maßnahme auch angemessen sein. Sie darf das Mietwagengewerbe<br />

nicht über Gebühr belasten.<br />

Grätz empfiehlt den Genehmigungsbehörden, den Begriff<br />

„Schutz des öffentlichen Verkehrsinteresses“ präventiv zu<br />

definieren und frühzeitig zu handeln. Dazu zählt als Indikator<br />

beispielsweise eine hohe Zahl an beantragten Mietwagenzulassungen.<br />

Auch können sich Behörden auf die Erfahrungen in den anderen<br />

Großstädten beziehen bzw. die allgemeine wirtschaftliche und<br />

gesellschaftliche Lage hinzuziehen (Corona-Auswirkungen, geändertes<br />

Ausgehverhalten, Homeoffice etc.). Wichtig sei in diesem<br />

Zusammenhang ein vorsichtiges Herangehen an den Mindestpreis.<br />

Eine Genehmigungsbehörde sollte (am besten schriftlich) so argumentieren,<br />

dass man mit dem festgelegten Mindestentgelt ein<br />

Preisdumping verhindern wolle.<br />

SPIELRAUM FÜR GENEHMIGUNGSBEHÖRDEN<br />

Bei den Mindestentgelten könnten Genehmigungsbehörden auch<br />

vergleichbare Tarifelemente aus den anderen öffentlichen Verkehren<br />

einsetzen, beispielsweise eine Zuschlagspflicht oder einen<br />

Grundpreis. Ebenso hält Grätz auch ein räumlich oder<br />

zeitlich beschränktes Mindestentgelt für denkbar – wie<br />

auch die Definition einer Vorbestellfrist. „Sie sorgt für<br />

eine Tarifungebundenheit des eigentlichen Mietwagenverkehrs“,<br />

sagt Grätz, der es zudem für möglich hält,<br />

dass auch spezielle Mietwagenverkehre, beispielsweise<br />

die für Krankenfahrten, von der Pflicht eines Mindestentgelts<br />

ausgenommen werden. Um hier allerdings<br />

einen durch Krankenkassen hervorgerufenen Dumpingwettbewerb<br />

zu verhindern, könne eine Genehmigungsbehörde<br />

hier auch andere tarifbezogene Regelungen für<br />

Spezialbeförderungen definieren. Durchaus für möglich<br />

8<br />

OKTOBER <strong>2023</strong> TAXI

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