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Das Stadtgespräch Ausgabe April 2024 auf der Rheda-Wiedenbrück App

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5 Bunte Häuser gegen die<br />

Tristesse des Winters<br />

Francesco Negri, <strong>der</strong> als erster<br />

Nordkap-Tourist gilt. Der italienische<br />

Geistliche fragte sich im<br />

17. Jahrhun<strong>der</strong>t, warum die entlegensten<br />

Gegenden <strong>der</strong> Welt<br />

erforscht wurden, nicht aber <strong>der</strong><br />

Norden Europas. So machte er<br />

sich 1664 <strong>auf</strong>, um zu erforschen,<br />

wie Norweger und Samen in einer<br />

Gegend überleben, die Landwirtschaft<br />

unmöglich macht. Gegen<br />

den Rat von Freunden und Bekannten<br />

bewältigte er die Reise<br />

zum Kap per Boot und Pferdewagen.<br />

Vor Ort konnte er allerdings<br />

mit niemandem reden, bis er<br />

schließlich einen Priester fand,<br />

mit dem er sich <strong>auf</strong> Latein verständigen<br />

konnte. Da hat man<br />

es heute deutlich leichter, denn<br />

Norwegen zählt zu den fünf nicht<br />

englischsprachigen Län<strong>der</strong>n weltweit,<br />

in denen das beste Englisch<br />

gesprochen wird. 90 Prozent <strong>der</strong><br />

Menschen, die nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg geboren sind, sprechen<br />

Englisch. In den höheren Schulen<br />

werden auch Französisch, Spanisch<br />

und Deutsch angeboten. Interessierte<br />

Besucher können sich<br />

also problemlos über das Leben im<br />

Hohen Norden informieren. Früher<br />

waren es die Wal- und Robbenfänger,<br />

die das Überleben zusammen<br />

mit den Fischern sicherten. Der<br />

Fischfang spielt noch heute eine<br />

Rolle, Norwegen ist seit 2022 <strong>der</strong><br />

größte Fisch exporteur weltweit.<br />

Auch Ölvorkommen haben das<br />

Land reich gemacht. Vor allem <strong>der</strong><br />

Norden Norwegens beschert dem<br />

Land Wohlstand durch Erdgas. In<br />

Hammerfest wurde die größte<br />

Erdgasverflüssigungsanlage (LNG)<br />

Europas errichtet. Norwegen zählt<br />

zu den reichsten Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt.<br />

<strong>Das</strong> merkt <strong>der</strong> Tourist sehr wohl,<br />

allein schon an den schmucken<br />

Häusern, die oftmals bunt gestrichen<br />

die Tristesse des langen Winters<br />

vertreiben sollen. Und auch<br />

im Portemonnaie schlägt sich<br />

nie<strong>der</strong>, dass Norweger ebenso wie<br />

Schweizer o<strong>der</strong> Islän<strong>der</strong> wirklich<br />

gut verdienen. Entsprechend hoch<br />

sind die Lebenshaltungskosten.<br />

Die etwas<br />

an<strong>der</strong>en Norweger<br />

Doch so wohlhabend und dabei<br />

vorbildlich sozial das Land auch<br />

ist, geht es nicht allen Bevölkerungsteilen<br />

gleich gut. Regelrecht<br />

stiefkindlich wurden über lange<br />

Zeit die Samen behandelt. Dabei<br />

sind sie diejenigen, die vor allem<br />

den Norden Skandinaviens vor<br />

den Norwegern, Schweden o<strong>der</strong><br />

Finnen besiedelt haben. Schon<br />

die Wikinger hatten wenig Verständnis<br />

für die nomadische Lebensweise<br />

dieser Völker, die bei<br />

uns unter <strong>der</strong> inzwischen meist<br />

negativ benutzten Bezeichnung<br />

»Lappen« bekannt waren. Um ihr<br />

Leben weiterführen zu können,<br />

zahlten sie den Wikingern Tribut.<br />

Als sich die verschiedenen Nationalstaaten<br />

im späten Mittelalter<br />

entwickelten, erhoben auch Dänemark-Norwegen,<br />

Schweden-Finnland<br />

und Russland Steuern, wobei<br />

die Samen oftmals allen drei Staaten<br />

Abgaben in Naturalien zahlen<br />

mussten. Wie an<strong>der</strong>en indigenen<br />

Völkern auch, war den Samen<br />

die Idee des Landbesitzes völlig<br />

fremd. Schon im zweiten vorchristlichen<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t domestizierten<br />

die Samen Rentiere. <strong>Das</strong><br />

bedeutet aber nicht, dass Rentiere<br />

wie Vieh gehalten werden.<br />

Vielmehr legen die Herden lange<br />

Wan<strong>der</strong>ungen zurück, um dem<br />

arktischen Winter zu entgehen.<br />

Die Samen, die einige Tiere auch<br />

als Zugtiere verwendeten, folgten<br />

den Herden.<br />

Auch die mo<strong>der</strong>nen Regierungen<br />

Norwegens und Schwedens<br />

akzeptierten die nomadische Lebensweise<br />

lange eher nicht. Bis<br />

in die 1920er Jahre vertraten sie<br />

sogar die Auffassung, dass die<br />

»Lappen« nicht in <strong>der</strong> Lage seien,<br />

eine höhere Kulturstufe zu erreichen.<br />

Die Samen wurden daher<br />

»beschützt«, in dem sogenannte<br />

Nomadenschulen einrichtet wurden.<br />

Dort wurden die samischen<br />

Kin<strong>der</strong> in einer »richtigen« Sprache<br />

<strong>auf</strong> einfachem Niveau unterrichtet.<br />

Um den Lernerfolg zu sichern,<br />

wurde in Norwegen, Schweden,<br />

Finnland und Russland <strong>der</strong> Gebrauch<br />

<strong>der</strong> samischen Sprachen in<br />

den Schulen verboten. In Norwegen<br />

ging man noch einen Schritt<br />

weiter, denn dort durfte Land nur<br />

noch an norwegisch sprechende<br />

Personen verk<strong>auf</strong>t werden. Erst<br />

in den 1960er Jahren verbesserte<br />

sich die Situation <strong>der</strong> Samen. Sie<br />

erhielten in Norwegen das Recht,<br />

ihre eigene Kultur <strong>auf</strong>rechtzuerhalten.<br />

Ab dieser Zeit wurde an<br />

den Schulen Samisch zur Unterrichtssprache,<br />

zumindest im<br />

Grundschulbereich. Norwegen<br />

richtete im Jahr 2000 einen samischen<br />

Nationalfonds in <strong>der</strong> Höhe<br />

von rund 10 Millionen Euro ein.<br />

Er dient <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong> samischen<br />

Sprache und Kultur, aber<br />

auch als Entschädigung für die<br />

durch Unterdrückung verursach-<br />

44 <strong>Das</strong> <strong>Stadtgespräch</strong>

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