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Das Stadtgespräch Ausgabe April 2024 auf der Rheda-Wiedenbrück App

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Buchtis<br />

Richard Zelenka<br />

»Zwischen den Zeilen«<br />

(sto) Nette Anekdoten – das darf<br />

die Leserschaft erwarten, wenn<br />

ein ehemaliger Lokaljournalist<br />

über seine jahrzehntelange Karriere<br />

berichtet. Und wirklich witzige<br />

Anekdoten enthält tatsächlich<br />

das Buch »Zwischen den Zeilen«<br />

von Richard Zelenka, <strong>der</strong> fast vier<br />

Jahrzehnte lang als Lokalreporter<br />

in Ostwestfalen-Lippe unterwegs<br />

war und nun seine Erinnerungen in<br />

Buchform zu Papier gebracht hat.<br />

Doch Richard Zelenka, <strong>der</strong> seit 1982<br />

in unserer Stadt wohnt, beschränkt<br />

sich keineswegs nur <strong>auf</strong> Anekdoten,<br />

und das ist auch gut so.<br />

Chronik des Wandels<br />

Mit heiteren, spannenden und<br />

auch tragischen Geschichten ist<br />

»Zwischen den Zeilen« gleichzeitig<br />

eine gut lesbare Chronik <strong>der</strong><br />

vergangenen vier Jahrzehnte. Und<br />

diese Jahrzehnte waren vor allem<br />

durch Wandel geprägt. Und dieser<br />

Wandel betrifft auch und vielleicht<br />

vor allem auch den Lokaljournalisten.<br />

Bei dem wurde immer schon<br />

Allwissenheit vorausgesetzt, ob es<br />

nun um die Karnickel- o<strong>der</strong> Brieftaubenzucht,<br />

die lokalen Sitten<br />

und Gebräuche o<strong>der</strong> die Schulpolitik<br />

geht. Um die zahlreichen Fettnäpfchen<br />

zu meiden, hielt sich <strong>der</strong><br />

Lokaljournalist Zelenka lieber an<br />

die Devise: »Schreibe nur das, was<br />

du absolut sicher weißt«. Dennoch<br />

gilt für ihn: »Halbwissen ist unser<br />

Handwerkszeug«. Doch <strong>der</strong> Job<br />

hat sich im L<strong>auf</strong>e <strong>der</strong> Jahre kräftig<br />

gewandelt. Zum einen äußerlich,<br />

denn in den 80er Jahren waren<br />

verqualmte Redaktionen, in denen<br />

kräftig <strong>auf</strong> die mechanischen<br />

Schreibmaschinen eingehämmert<br />

wurde, noch <strong>der</strong> allgemeine Standard.<br />

Und wie aus einer Schreibmaschinenseite<br />

ein gedruckter Zeitungsbericht<br />

wurde, das war schon<br />

ein recht komplexer, mehrschrittiger<br />

Vorgang. Doch mit dem Journalismus,<br />

wie ihn schon Mark Twain<br />

kannte, war alsbald Schluss, denn<br />

die mo<strong>der</strong>ne Technik hielt Einzug.<br />

Faxgeräte, PCs mit Disketten, Mobiltelefone<br />

so groß und so schwer<br />

wie Ziegelsteine, tauchten in den<br />

Redaktionen <strong>auf</strong>. Und auch den<br />

Wandel <strong>der</strong> Fotografie beschreibt<br />

Richard Zelenka <strong>auf</strong> akribische Weise.<br />

Früher mussten die Filme selbst<br />

entwickelt werden, damit man die<br />

Abzüge dann auch noch selbst her-<br />

stellen konnte. Die Beschreibungen<br />

gestaltet Zelenka durchaus mit<br />

einem Augenzwinkern, denn wer<br />

weiß, wie <strong>der</strong> heutige technische<br />

Stand in ein paar Jahren belächelt<br />

werden wird.<br />

Kollegen und Konkurrenten<br />

Bei <strong>der</strong> digitalen Fotografie kann<br />

jedenfalls weit weniger schiefgehen<br />

als beim Filmeinlegen o<strong>der</strong><br />

beim versehentlichen Öffnen <strong>der</strong><br />

Kamera, ohne dass <strong>der</strong> Film zurückgespult<br />

war. Solche Pannen hätten<br />

dazu geführt, dass man von einer<br />

Veranstaltung überhaupt keine<br />

Bil<strong>der</strong> hatte – und Bil<strong>der</strong> sind in<br />

<strong>der</strong> Lokalpresse kolossal wichtig.<br />

Doch da halfen sich die Reporter<br />

<strong>der</strong> konkurrierenden Blätter schon<br />

früher aus, denn schließlich konnte<br />

man selbst beim nächsten Termin<br />

<strong>der</strong>jenige sein, <strong>der</strong> wegen einer<br />

Technikpanne keine Fotos hat.<br />

Heute ist die Kooperation gang<br />

und gäbe, denn den Print-Medien<br />

geht es allen nicht gut, denn heute,<br />

zu Internetzeiten, sind es viele<br />

Leser gewohnt, dass Nachrichten<br />

aus Deutschland und aller Welt<br />

aktuell und vor allem umsonst aus<br />

dem Netz zu ziehen sind. Deshalb<br />

spielt <strong>der</strong> Lokaljournalismus heutzutage<br />

eine beson<strong>der</strong>e Rolle, denn<br />

wo sonst erfährt die Leserschaft,<br />

was in ihrem Ort alles passiert? Ein<br />

weiterer Pluspunkt von »Zwischen<br />

den Zeilen« ist, dass er uns hinter<br />

den Vorhang des Zeitungsmachen<br />

blicken lässt. Mit Nachsicht und<br />

Humor porträtiert Richard Zelenka<br />

dabei seine ehemaligen Vorgesetzten,<br />

die offenbar oftmals die Weisheit<br />

mit Löffeln gefressen hatten.<br />

Auch seine Mitstreiter beschreibt<br />

er, die durchaus echte Typen waren.<br />

Einen davon hebt er auch nament-<br />

lich hervor, was mich ganz beson-<br />

<strong>der</strong>s freut, war Wilhelm Ide doch<br />

tatsächlich für Generationen von<br />

Nachwuchsschreibern ein echtes<br />

Vorbild. Und das unabhängig von<br />

<strong>der</strong> politischen Ausrichtung. Bis<br />

ins gesegnete Alter von 92 lieferte<br />

diese <strong>Wiedenbrück</strong>er Legende <strong>der</strong><br />

schreibenden Zunft Spannendes<br />

aus allen Bereichen des Lokalen.<br />

»Zwischen den Zeilen« lässt<br />

uns auch beim Thema freie Mitarbeiter<br />

hinter die Kulissen blicken.<br />

Denn das »Freie« ist durchaus<br />

relativ zu sehen. Und auch<br />

beim Thema des sogenannten<br />

Blaulicht-Journalismus ist dem<br />

Leser nicht unbedingt bewusst,<br />

wie die Reportagen über schwere<br />

Verkehrsunfälle, über Brände o<strong>der</strong><br />

sogar Flugzeugabstürze rund um<br />

den ehemaligen Royal Airforce<br />

Flughafen zwischen Gütersloh und<br />

Marienfeld den Journalisten vor Ort<br />

belasten. Erschienen ist das bereits<br />

vierte, sehr lesenswerte Buch von<br />

Richard Zelenka als Taschenbuch<br />

bei BoD Books on Demand, 321<br />

Seiten, 16,99 Euro.<br />

Hörbuchtipp: Wladimir Kaminer<br />

»Frühstück am<br />

Rande <strong>der</strong> Apokalypse«<br />

Russen stehen momentan bei uns<br />

nicht gerade hoch im Kurs. <strong>Das</strong> ist<br />

mehr als verständlich. Und wenn<br />

sie auch noch Wladimir heißen,<br />

dann will man schon gar nichts mit<br />

ihnen zu tun haben. Aber es gibt<br />

sie immer noch, die guten Russen.<br />

Und Wladimir Kaminer ist einer<br />

davon, glauben Sie’s mir!<br />

Wladimir Kaminer wurde 1967<br />

in Moskau geboren, wo er eine<br />

Ausbildung zum Toningenieur für<br />

Theater und Rundfunk absolvierte.<br />

Seit 1990 lebt er in Berlin. Er selbst<br />

sieht sich als Weltbürger und<br />

sagt, er sei privat Russe, beruflich<br />

deutscher Schriftsteller. Mit seiner<br />

Erzählsammlung »Russendisko«<br />

sowie zahlreichen weiteren Bestsellern<br />

avancierte er zu einem <strong>der</strong><br />

beliebtesten und gefragtesten Autoren<br />

Deutschlands. Kaminer ist<br />

auch journalistisch tätig, verfasst<br />

Artikel für Zeitungen und Zeitschriften<br />

und geht mit »Kaminer<br />

Inside« für 3sat <strong>auf</strong> immer neue<br />

Entdeckungstouren, um Menschen<br />

im In- und Ausland kennenzulernen<br />

o<strong>der</strong> einen Blick hinter<br />

die Kulissen bekannter Gebäude<br />

zu werfen. Und immer wie<strong>der</strong><br />

zeigt er sich als wahrer Humanist.<br />

Auf seiner Homepage sagt er zum<br />

Beispiel angesichts <strong>der</strong> Tatsache,<br />

dass Pflanzen ihren Schmerz an<strong>der</strong>en<br />

Pflanzen ihrer Art übermitteln<br />

können: »Wären Menschen etwa<br />

imstande, das Leid des an<strong>der</strong>en zu<br />

spüren, hätten wir keine Gewalt<br />

und keine Kriege <strong>auf</strong> dem Planeten.<br />

Doch die Menschen halten sich ja<br />

bekanntlich für superschlau und<br />

denken, mit Gewalt können sie sich<br />

immer durchsetzen«.<br />

Kaminer gelingt es immer wie<strong>der</strong>,<br />

Alltägliches mit dem Geschehen<br />

<strong>auf</strong> <strong>der</strong> Welt zu verknüpfen. Er<br />

behält das Große und das Kleine<br />

im Blick und stellt vor allem das<br />

Absurde komisch pointiert dar.<br />

<strong>Das</strong> gelingt ihm auch in seinem<br />

neuen Buch »Frühstück am Rande<br />

<strong>der</strong> Apokalypse« wie<strong>der</strong>. Dabei<br />

wirft er die Fragen <strong>auf</strong>: Was haben<br />

Familienalltag und Weltuntergang,<br />

globale Krisen und Mutters<br />

Kreuzworträtsel, Putin und Pilzsaison<br />

gemeinsam? Sie existieren<br />

gleichzeitig und schaffen damit<br />

eine Normalität, die vielen nicht<br />

ganz normal erscheint. Und q<br />

<strong>Das</strong> <strong>Stadtgespräch</strong><br />

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