2-2024
Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement
Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement
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Aktuelles<br />
Wann ersetzt Künstliche Intelligenz den Arzt?<br />
Siemens Healthineers bietet in seiner Befundungs- und Reporting-Lösung Syngo.Breast Care neue<br />
KI-basierte Funktionalitäten an. © Siemens Healthineers<br />
Die schnelle Entwicklung von Künstlicher<br />
Intelligenz (KI) hat die Medizintechnik in den<br />
letzten Jahren bereits stark beeinflusst. Doch<br />
welche Auswirkungen hat KI auf die ärztliche<br />
Rolle? Wie können ethische Aspekte berücksichtigt<br />
werden, wenn ein KI-System medizinische<br />
Diagnosen und Behandlungsentscheidungen<br />
trifft? Und was ist mit dem Schutz sensibler<br />
Patientendaten?<br />
Künstliche Intelligenz kann große Mengen von<br />
medizinischen Daten analysieren und Muster<br />
identifizieren. Ihr Einsatz in der Medizintechnik<br />
verspricht für viele Anwendungsbereiche großes<br />
Potenzial. „Die Komplexität von Prozessen und<br />
Produkten hat in vielen Bereichen, einschließlich<br />
der Medizintechnik und Biotechnologie, stark<br />
zugenommen und ist für den Menschen allein<br />
intellektuell immer schwieriger zu beherrschen.<br />
Eine Lösung bieten intelligente und vernetzte<br />
Sensoren und Sensorsysteme, welche mithilfe<br />
Künstlicher Intelligenz Daten zu Information verarbeiten<br />
und daraus begründete Entscheidungen<br />
ableiten“, sagt Dr. Thomas Velten, Leiter Innovationsmanagement<br />
am Fraunhofer-Institut für<br />
Biomedizinische Technik (IBMT).<br />
In welchen Bereichen der Medizin unterstützt<br />
KI also bereits den Menschen?<br />
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Datenaggregation durch Swarm Learning<br />
Ein Beispiel, in dem der Einsatz von KI den<br />
Ärzten zur Seite steht, ist das Sammeln und<br />
die Analyse von Patientendaten. Innerhalb der<br />
enormen Datenmenge zu Symptomen von Patienten<br />
besteht die Hoffnung, Schlüsselkomponenten<br />
für innovative, maßgeschneiderte Therapieansätze<br />
zu identifizieren. Fortschrittliche Informatikmethoden,<br />
insbesondere aus dem Bereich<br />
der KI, sind erforderlich, um umfangreiche Datensätze<br />
zu analysieren. „Durch das Sammeln von<br />
medizinischen Daten kann die Entwicklung neuer,<br />
besserer Therapien profitieren. Die Medizin der<br />
Zukunft wird mittels Künstlicher Intelligenz vernetzt<br />
und alle Beteiligten werden gleichermaßen<br />
davon profitieren“, sagt Prof. Joachim Schultze,<br />
Sprecher des Forschungskonsortiums und Direktor<br />
für Systemmedizin am DZNE, dem Deutschen<br />
Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen.<br />
„Patienten berichten ihre Symptome, wir messen<br />
noch ein paar Dinge und versuchen dann zu<br />
Prof. Joachim Schultze, Sprecher des<br />
Forschungskonsortiums und Direktor für<br />
Systemmedizin am DZNE, dem Deutschen Zentrum<br />
für Neurodegenerative Erkrankungen. © DZNE<br />
erkennen, auf welche Krankheit dies alles hindeuten<br />
könnte. Diesen Prozess unterfüttern wir<br />
jetzt mit sehr vielen und sehr genauen Daten.<br />
Allerdings haben wir damit so viele Daten, dass<br />
wir technische Hilfe benötigen, um die Muster<br />
zu erkennen.“<br />
Verteilte Datenbestände analysieren<br />
Das DZNE entwickelte daher in Zusammenarbeit<br />
mit mehreren deutschen Forschungszentren<br />
ein KI-basiertes Auswertungssystem,<br />
das auf Swarm Learning basiert. Die KI-Technologie<br />
ermöglicht es, verteilte Datenbestände zu<br />
analysieren. „Wir haben gemeinsam mit dem IT-<br />
Unternehmen Hewlett Packard Enterprise eine<br />
Technologie entwickelt. Wir nennen sie Swarm<br />
Learning und sehen darin einen Game changer,<br />
was den Umgang mit Big Data, also großen<br />
Datenmengen, betrifft.“ Schultze und sein Team<br />
führten in einem spezifischen Anwendungsbereich<br />
eine Analyse tausender medizinischer<br />
Datensätze durch. Hierbei handelte es sich um<br />
Röntgenaufnahmen der Lunge und molekulare<br />
Muster im Blut, die aus verschiedenen Quellen<br />
stammten. Mithilfe von Swarm Learning konnte<br />
die Künstliche Intelligenz krankhafte Veränderungen<br />
der Lunge sowie Diagnosen von Leukämie,<br />
Tuberkulose und COVID-19 durchführen. In<br />
der Zukunft könnte eine KI, die auf diese Weise<br />
trainiert wurde, möglicherweise auch eine unterstützende<br />
Rolle bei der Analyse von Hirnscans<br />
oder Röntgenbildern übernehmen. Obwohl Ärzte<br />
nicht durch KI ersetzt werden können, stellt sie<br />
dennoch ein äußerst nützliches Werkzeug für<br />
deren tägliche Arbeit dar. Und Swarm Learning<br />
trägt dazu bei, die Leistungsfähigkeit der KI weiter<br />
zu steigern.<br />
Automatisierte Bilderkennung durch KI<br />
Ein weiteres Einsatzfeld ist die automatisierte<br />
Bilderkennung durch KI im medizinischen<br />
Bereich. Zusammen mit Entwicklungspartnern<br />
und unterstützt durch mehrere klinische Partner<br />
entwickelt zum Beispiel das IBMT im Verbundprojekt<br />
»Ophthalmo-AI« ein intelligentes und<br />
interaktives Assistenzsystem für Augen ärztinnen<br />
und -ärzte. Dieses System nutzt Methoden der<br />
erklärbaren Künstlichen Intelligenz, um nachvollziehbare<br />
Diagnosen und Behandlungsvorschläge<br />
zu erstellen. Ziel ist es, den Augenärztinnen<br />
und -ärzten dabei zu helfen, anhand von<br />
Bilddaten und klinischen Informationen eine korrekte<br />
Diagnose zu stellen und die bestmögliche<br />
Therapieentscheidung zu treffen. „Das KI- System<br />
kennzeichnet zunächst biologische Strukturen<br />
und pathologische Merkmale in den Bilddaten,<br />
um nachvollziehbare Vorschläge für das medizinische<br />
Personal zu generieren. Anschließend<br />
leiten spezielle KI-Modelle Diagnosen aus den<br />
Bildbefunden und weiteren Patientendaten ab,<br />
machen Therapievorschläge und prognostizieren<br />
6 meditronic-journal 2/<strong>2024</strong>