ELGA: Mehr Flop als top? - PrOgiParK
ELGA: Mehr Flop als top? - PrOgiParK
ELGA: Mehr Flop als top? - PrOgiParK
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Paul-WatzlaWick-EhrEnring dEr ÄrztEkammEr für WiEn 2011<br />
Von der Unmöglichkeit, über Architektur zu schreiben?<br />
Im Zuge der „Wiener Vorlesungen“ erhielt der österreichische Architekturexperte, Schriftsteller und Polyhistor Friedrich Achleitner am<br />
14. März 2011 im Kuppelsaal der Technischen Universität Wien den von der Wiener Ärztekammer gestifteten Paul-Watzlawick-Ehrenring<br />
2011. Der Preis wird an Menschen verliehen, die sich für den Diskurs zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen sowie um die Humanisierung<br />
der Welt verdient gemacht haben. Er ist eine Hommage an den großen – 2007 verstorbenen – Kommunikationstheoretiker Paul<br />
Watzlawick, der unter anderem durch seine Publikationen „Anleitung zum Unglücklichsein“ und „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“ Bekanntheit<br />
erlangte. Im Rahmen der Preisverleihung hielt Achleitner einen Vortrag zum Thema „Von der Unmöglichkeit, über Architektur zu<br />
schreiben?“. doktorinwien bringt den Vortrag ungekürzt.<br />
� Mein Dank für diese große Auszeichnung ist lich beschreibende Literatur überhaupt gibt – hat-<br />
ein nicht ganz freiwilliger Vortrag über ein Thema, te jedenfalls Tore geöffnet. Seit dieser Zeit bin ich<br />
das vermutlich auch Anlass für diese Ehrung war für jeden Irrtum dankbar.<br />
und das mich mit großer Unsicherheit belastet. Eh- Gestatten Sie mir noch, dass ich für diese Ehrenrenringe<br />
können <strong>als</strong>o den unangenehmen Nebenringvorlesung – Paul Watzlawick würde vermuteffekt<br />
haben, dass sie den Beringten sanft aufforlich gleich die Frage stellen, handelt es sich um<br />
dern, einmal, in Form etwa einer Ringvorlesung, eine Ehrenring-Vorlesung oder um eine Ehrendarüber<br />
nachzudenken, was eigentlich die Mög- Ringvorlesung – zunächst alte Quellen einer Danlichkeiten<br />
und Grenzen seines Handwerks sind. kesrede benutze, die ich vor 25 Jahren halten<br />
Ich muss vorweg gestehen, und das ist keine billi- durfte, die den pessimistischen Titel hatte „Von<br />
ge Koketterie, dass ich mich nie zu den Wissen- der Unmöglichkeit, über Architektur zu schreischaftern<br />
gezählt und auch nie den Versuch unterben“. Heute verwende ich diesen Titel noch einnommen<br />
habe, etwa eine Architekturtheorie zu mal, allerdings mit einem Fragezeichen, was viel-<br />
basteln. Ich verwende hier absichtlich das Wort leicht ebenso ein Irrtum ist. Ich benütze ein länge-<br />
Handwerk, weil ich meinen Umgang mit Sprache res Zitat: Heimito von Doderer hat einmal ge-<br />
mit der Herstellung von Texten verbinde, die sich meint, es sei deshalb so schwierig, wenn nicht<br />
darin abmühen, ein ganz anderes Medium, näm- unmöglich, über Literatur zu schreiben, weil Gelich<br />
die Architektur, mithilfe der Sprache zu vergenstand und Reflexion sich im gleichen Medium<br />
mitteln.<br />
befänden, weil <strong>als</strong>o das Schreiben über Geschriebenes<br />
keine Chance hätte, das eigene System zu<br />
Sprache <strong>als</strong> „Material“<br />
verlassen. Demnach wäre es schlüssig, dass das<br />
Mir ist rechtzeitig eine Definition in die Hände ge- Schreiben über ein anderes Medium, etwa über<br />
fallen, die Beat Wyss einmal, ich vermute neben- die Architektur, von vornherein mehr Aussicht auf<br />
bei und ohne zu ahnen, was er damit anrichtet, <strong>als</strong> Wirklichkeitsnähe, auf eine tatsächliche Vermitt-<br />
„begleitenden Kommentar“ zum Baugeschehen lung von Wirklichkeit hätte. Aber es ist offenbar<br />
bezeichnet hat. Das war Wasser auf meine Mühlen gerade das Gegenteil der Fall.<br />
und gab mir die Chance, mir in dem an sich theo- Ich möchte mich jetzt nicht auf die Wittgenstein‘sche<br />
riefeindlichen Klima Wiens eine begleitende Exis- „Abbildtheorie“ einlassen, aber zur Erinnerung<br />
tenz einzurichten.<br />
den 610. Absatz aus seinen „Philosophischen Un-<br />
Ausgangspunkt Mitte der 1950er-Jahre war, um tersuchungen“ zitieren: „Beschreib das Aroma<br />
auch das noch zu erwähnen, dass ich von meinen des Kaffees! Warum geht es nicht? Fehlen uns die<br />
Freunden der „wiener gruppe“ die Meinung über- Worte? Und wofür fehlen sie uns? Woher aber der<br />
nommen habe, dass Sprache ohnehin unfähig sei, Gedanke, es müsse doch eine Beschreibung mög-<br />
irgendeine Form von Wirklichkeit zu erreichen lich sein? Ist dir so eine Beschreibung je abgegan-<br />
oder gar abzubilden, jedoch könne sie eine eigegen? Hast du versucht, das Aroma zu beschreiben,<br />
ne entwickeln. Offenbar verwechselten wir Wirk- und ist es dir gelungen?“<br />
lichkeit mit Wahrnehmung von Wirklichkeit, und, Der Hoffnungslosigkeit des Unterfangens steht aber<br />
jedenfalls ich, hatte sicher Wittgenstein missver- die Tatsache gegenüber, dass unentwegt über Archistanden,<br />
was zu einem präziseren, aber gleichzeitektur geschrieben wird. Es geschieht trotz der bestig<br />
lockeren Umgang mit Sprache an sich führte. seren Einsicht, dass ein Text seinen Gegenstand nie<br />
Ihre Verwendung und Profanierung <strong>als</strong> „Material“ erreichen kann. Ja, der erfahrene Schreiber macht<br />
hatte zu ungeahnten Abenteuern geführt. Ohne sogar die unangenehme Entdeckung, dass mit dem<br />
diesen Irrtum wären wohl keine Montagen, Dia- Umfang der sprachlichen Auseinandersetzung der<br />
lektgedichte, keine konkrete, visuelle Poesie oder Text immer mehr Eigenleben und Eigendynamik<br />
Lautgedichte entstanden. Die Verachtung der be- bekommt, sodass der Gegenstand sich immer mehr<br />
schreibenden Literatur – der Irrtum lag vielleicht von der Beschreibung entfernt und auch für den<br />
schon darin zu glauben, dass es eine ausschließ- Rezipienten immer unerreichbarer wird.<br />
6 5|11<br />
Verbindlichkeit von Mitteilungen<br />
Architektur ist <strong>als</strong>o eine Sache, und das Schreiben<br />
darüber eine andere. Von Interesse kann nur der<br />
Grad, die Intensität, sein, wie stark ein Medium zu<br />
einem anderen eine Beziehung herzustellen vermag,<br />
wieweit es gelingt, nachvollziehbare Aussagen<br />
zu machen. Und eine Frage ist nicht zuletzt,<br />
welche Aussagen überhaupt gemacht werden können.<br />
Adolf Loos hat die Behauptung aufgestellt, eine Architektur<br />
sei erst dann vollendet, wenn man ein<br />
Bauwerk über das Telefon, <strong>als</strong>o ohne Zeichnung,<br />
bestellen könne. Das heißt, es gibt nicht nur das<br />
Problem der Annäherung von Sprache an Architektur,<br />
sondern auch das von Architektur an die<br />
Sprache. Vollkommenheit bedeutet hier Übersetzbarkeit,<br />
oder besser: Mitteilbarkeit in einem anderen<br />
Medium.<br />
Eingeschlossen in diese Forderung ist aber ebenso<br />
der Wunsch nach Verbindlichkeit der Mitteilung,<br />
nach stabilen Verhältnissen zwischen Form<br />
und Bedeutung, wodurch die Kommunikation<br />
über ein anderes Vehikel, eben die Sprache, möglich<br />
wird. Dass dieser Zustand in der Architektur<br />
heute weniger denn je erreicht ist, erzeugt das eigentliche<br />
Thema unserer Frage. Ich möchte aber<br />
gleich hinzufügen, dass unser Dilemma jenen gesellschaftlichen<br />
Verhältnissen, die einen solchen<br />
sprachlichen Konsens ermöglichten oder erzwängen,<br />
vorzuziehen ist. Ende dieser jugendlich überzogenen<br />
Behauptungen.<br />
Inzwischen sind <strong>als</strong> Buße für diese saloppen Feststellungen<br />
drei Wienbände erschienen, die nichts<br />
anderes machen, <strong>als</strong> gegen diese behaupteten Unmöglichkeiten<br />
zu verstoßen – eine Frage <strong>als</strong>o, die<br />
nur mit Hilfe eines besonders pfiffigen Psychotherapeuten<br />
beantwortet werden könnte.<br />
Noch eine andere Erfahrung aus den frühen<br />
1950er-Jahren, der Zeit, in der nicht nur der Existenzialismus,<br />
sondern auch noch der französische<br />
Surrealismus unsere Hirne beschäftigte: Ein müder<br />
Abglanz in der Person eines Jean Cocteau erhellte<br />
noch den bereits sich verdunkelnden<br />
„Strohkoffer“. In dieser Zeit wurde noch die Stadt<br />
zu Fuß ergangen, mit sogenannten „Fremdgängen“<br />
– ein Begriff Heimito von Doderers –, mit<br />
distanziertem Blick und unersättlicher Neugier.