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Flora von Österreich - Gesellschaft zur Erforschung der Flora ...

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3.3 Vernachlässigung <strong>der</strong> Variation<br />

Eine häufig anzutreffende Schwäche ist die Nichtberücksichtigung <strong>der</strong> Variationsbreite.<br />

Taxonomische Autoren neigen zu typologischer Denkweise, d. h., sie bemühen sich um die<br />

Darstellung des typisch ausgeprägten Taxons, um ein möglichst prägnantes Bild da<strong>von</strong>, auch<br />

um die Unterschiede gegenüber den nächst verwandten o<strong>der</strong> ähnlichen Taxa zu verdeutlichen.<br />

Ein hochverdienter Botaniker und sehr erfahrener Florenschreiber meinte, Phytographie<br />

sei im Grunde nicht Wissenschaft, son<strong>der</strong>n Kunst, eine gute <strong>Flora</strong> ein Kunstwerk, <strong>der</strong> Text<br />

müsse die Vielfalt <strong>der</strong> <strong>Flora</strong>, die Eigenheit je<strong>der</strong> Art möglichst lebendig, bildlich vor den Augen<br />

des Lesers entstehen lassen. Und tatsächlich sind wir Botaniker Augenmenschen, „erbsengroß“<br />

halten wir für treffen<strong>der</strong> und präziser als „Kugel mit 0,006 ± 0,001 m ∅“. Diese<br />

künstlerische Haltung ist viel weiter verbreitet als man meinen sollte; nicht wenige „organismische“,<br />

floristisch orientierte Botaniker fühlen sich durch die For<strong>der</strong>ung nach wissenschaftlicher<br />

Präzision in <strong>der</strong> Freiheit ihrer Intuition eingeengt.<br />

Manchmal dient solch bildliche, insbeson<strong>der</strong>e die „typologische“, markante Charakterisierung<br />

auch dazu, die Berechtigung <strong>der</strong> gewählten Rangstufe, etwa die Artberechtigung, plausibel<br />

erscheinen zu lassen. Dies geschieht jedoch auf Kosten <strong>der</strong> Berücksichtigung <strong>der</strong> Variationsbreite<br />

<strong>der</strong> einzelnen Merkmale und des gesamten Taxons. Diese erkennbar zu machen, ist<br />

jedoch für den Bestimmer sehr und oft entscheidend wichtig. Ein bewährter Ausweg ist bekanntlich<br />

die Mehrfachschlüsselung, die wegen des „taxonomischen Ehrgeizes“ <strong>der</strong> Schlüsselverfasser<br />

viel zu selten angewendet wird. Der Einwand, <strong>der</strong> Schlüssel würde dadurch unnötig<br />

lang, gilt nicht, denn wichtiger als die Länge des Schlüssels ist allemal die Sicherheit <strong>der</strong><br />

Bestimmung. (Tatsächlich bereitet ein längerer und komplizierterer Schlüssel natürlich dem<br />

Verfasser größere Mühe.)<br />

Die Beschreibung <strong>der</strong> Schwankungsbreite (Abän<strong>der</strong>ungsspielraum = Variationsamplitude,<br />

„Variabilität“) muss erkennbar machen, ob interindividuelle (in <strong>der</strong> Regel) o<strong>der</strong> aber<br />

intraindividuelle (z. B. auch ontogenetische) Variation gemeint ist.<br />

3.4 Mangelhafte Vergleichbarkeit<br />

Eine grundsätzliche Schwäche <strong>der</strong> meisten Schlüssel ist es, dass sie es nicht ermöglichen,<br />

alle Arten gegenseitig miteinan<strong>der</strong> zu vergleichen, weil die Schlüsselmerkmale zusammen<br />

mit den in den Beschreibungen gebotenen Merkmalen dazu nicht ausreichen. Oft wie<strong>der</strong>holen<br />

die Beschreibungen bloß die im Schlüssel verwendeten Merkmale. Unsere Diakritischkomparative<br />

Methode versucht dieses Defizit zu beheben (siehe 5.4).<br />

Die gelegentlich anzutreffende verschieden ausführliche Behandlung <strong>der</strong> Taxa (prominentere<br />

und/o<strong>der</strong> besser bekannte Taxa werden genauer dargestellt) ist unwissenschaftlich.<br />

Grundsätzlich müssen alle in gleicher Weise, in gleicher Ausführlichkeit und Genauigkeit<br />

dargestellt werden, um Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Wo dies wegen mangelhafter<br />

Kenntnis nicht möglich ist, muss dies ausdrücklich vermerkt werden.<br />

Nicht selten setzen die Merkmalsangaben die Kenntnis <strong>der</strong> Gattung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Familie<br />

voraus, weil <strong>der</strong> Schlüsselautor da<strong>von</strong> ausgeht, dass etwa die häufigste o<strong>der</strong> prominenteste<br />

o<strong>der</strong> bekannteste Art <strong>der</strong> Gattung dem Bestimmer ohnehin gut bekannt ist. Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e<br />

auch für relative und bloß qualitative Angaben: „Pflanze kräftiger“, „Blätter zahlreich“,<br />

„Blüten ansehnlich“, „Früchte vergrößert“; „Grannenspitze lang // Grannenspitze<br />

kurz“. Relative Angaben bezüglich <strong>der</strong> Schlüsselpunktalternative sind nur dann nützlich,<br />

wenn <strong>der</strong> Bestimmer die beiden Arten desselben Schlüsselpunkts gleichzeitig vor sich hat,<br />

was selten vorkommt.<br />

20a Kätzchen schlank. Früchte schmal. Griffel lang .................................... S. alpina<br />

20b Kätzchen gedrungen. Früchte breit. Griffel kurz ......................... S. breviserrata<br />

Die gute KennerIn dieser Gattung errät wohl, was <strong>der</strong> Schlüsselverfasser meint, die übrigen<br />

Schlüsselbenützer sind ratlos. Immerhin ist hier die konsequente und vollständige Parallelität<br />

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