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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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172 l i e S b e t Ho o g H e u n d ga r y Ma r k S<br />

Standards aufrechtzuerhalten. Eine Mehrzahl <strong>der</strong> <strong>europäischen</strong> Gewerkschaften<br />

unterstützt inzwischen die Ausweitung europäischer Kompetenzen auch in <strong>der</strong><br />

Sozialpolitik und in den Arbeitsbeziehungen. <strong>Die</strong>se verän<strong>der</strong>te Haltung fasst ein<br />

erfahrener Gewerkschaftsfunktionär, <strong>der</strong> nun in leiten<strong>der</strong> Position in <strong>der</strong> Europäischen<br />

Kommission arbeitet, wie folgt zusammen:<br />

Sie [die Gewerkschaften] waren immer sehr stolz darauf, dass sozialpolitische Fragen [in <strong>der</strong><br />

Europäischen Union] nur einstimmig entschieden werden konnten, bis sie bemerkten, dass<br />

die Einstimmigkeit für die geringen Fortschritte verantwortlich war. Zuerst fürchteten sie vor<br />

allem Deregulierung und eine vermin<strong>der</strong>te soziale Sicherheit. Es dauerte zehn bis fünfzehn<br />

Jahre, um vom Gegenteil überzeugt zu werden – dass jedwe<strong>der</strong> Fortschritt ausbleiben würde,<br />

solange auch nur einer [eine einzige Regierung] dagegen war. Inzwischen mussten sie einsehen,<br />

dass nationale Souveränität nur noch eine Worthülse ist, zumindest was die Wirtschaftspolitik<br />

angeht.<br />

<strong>Die</strong> Einheitliche Europäische Akte und die durch sie bewirkten Verhaltensän<strong>der</strong>ungen<br />

waren ein Wendepunkt in <strong>der</strong> Entstehung des <strong>europäischen</strong> Gemeinwesens:<br />

<strong>Die</strong> Entscheidungsbefugnisse <strong>der</strong> EU wurden ausgeweitet, demokratische<br />

Institutionen aufgewertet, es entstanden neue Einflusskanäle für Interessengruppen<br />

und zusätzliche Akteure wurden in den politischen Prozess einbezogen.<br />

Ein politisches Gemeinwesen ist <strong>der</strong> Ort, an dem über Werte und die Aufteilung<br />

von Befugnissen gestritten wird. In <strong>der</strong> EU reicht diese Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

beson<strong>der</strong>s weit, weil viel auf dem Spiel steht und die Spielregeln sich permanent<br />

verän<strong>der</strong>n. <strong>Die</strong> Debatte betrifft nicht nur die Regelungsebene o<strong>der</strong> die Art <strong>der</strong><br />

Industrie-, Sozial-, Haushalts- o<strong>der</strong> Geldpolitik – obwohl diese Fragen heiß umkämpft<br />

sind –, son<strong>der</strong>n sie konzentriert sich darauf, wie kollektiv verbindliche<br />

Entscheidungen getroffen werden sollen. <strong>Die</strong> institutionelle Architektur, um die<br />

sich <strong>der</strong> Streit dreht, ist untrennbar mit den Politikergebnissen verbunden. Von<br />

nichts Geringerem als <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> politischen Verfasstheit Europas handelt<br />

diese Auseinan<strong>der</strong>setzung. Im folgenden Abschnitt beschreiben wir die beiden<br />

Kernprojekte, die den Kampf um die europäische <strong>Integration</strong> bestimmen.<br />

4 Zwei rivalisierende <strong>Integration</strong>sprojekte<br />

4.1 Das neoliberale Projekt<br />

Für Neoliberale ist die europäische <strong>Integration</strong> ein Mittel, Märkte vor politischem<br />

Interventionismus zu schützen. Gewährleistet wird dies durch die Kombina tion<br />

eines einheitlichen Marktes, dessen reibungsloses Funktionieren europäisch überwacht<br />

wird, mit intergouvernementalen politischen Entscheidungsverfahren.

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