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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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p o l i t i S i e r u n g u n d n a t i o n a l e id e n t i t ä t e n 199<br />

hinausgehen, lehnen sie dagegen ab. Im Gegensatz dazu vereint das Projekt des<br />

regulierten Kapitalismus ein disparates Bündnis aus sozialdemokratischen Parteien<br />

und Mitteparteien, sozialen Bewegungen und den Gewerkschaften. <strong>Die</strong>se Akteure<br />

wollen aus <strong>der</strong> EU das machen, was Jacques Delors einen »espace organisé«<br />

genannt hat, also ein Europa <strong>der</strong> Bürger, das auf sozialen Reformen und<br />

<strong>der</strong> Partnerschaft zwischen privaten und öffentlichen Akteuren basiert. Um die<br />

EU mit <strong>der</strong> nötigen Legitimation und den Befugnissen für dieses Projekt auszustatten,<br />

müsste das Europaparlament aufgewertet und die Vetomacht nationaler<br />

Regierungen eingeschränkt werden. 3<br />

Fünfzehn Jahre nachdem wir diese Thesen erstmals entwickelten, bietet <strong>der</strong><br />

<strong>Integration</strong>sprozess mehr Partizipationsmöglichkeiten und ist stärker politisiert,<br />

als wir es jemals vermutet hätten. Wir hatten zwar behauptet, dass die europäische<br />

<strong>Integration</strong> Gegenstand einer weitreichenden öffentlichen Debatte werden<br />

würde, aber wir hatten keine Vorstellung davon, wie weitreichend und wie öffentlich<br />

diese Auseinan<strong>der</strong>setzung sein würde: Seit dem 1992er-Referendum in<br />

Frankreich haben 27 (!) weitere Referenden über Europa stattgefunden. Obwohl<br />

wir erkannt hatten, dass die europäische <strong>Integration</strong> zuviel Aufmerksamkeit auf<br />

sich zog, um weiter allein durch die Regierungen kontrolliert zu werden, hätten<br />

wir nicht vorherzusagen gewagt, wie häufig die Wähler den Regierungen empfindliche<br />

Abstimmungsnie<strong>der</strong>lagen über europäische Themen zufügen würden. 4<br />

In den vergangenen Jahren ist das, was damals noch ganz außergewöhnlich erschien<br />

– Politisierung, Partizipation und <strong>der</strong> Kontrollverlust <strong>der</strong> Eliten – fast<br />

schon Normalität geworden. 5<br />

Allerdings haben wir auch einige Dinge falsch interpretiert o<strong>der</strong> einfach<br />

übersehen. Erstens, wir haben die Bereitschaft und Fähigkeit <strong>der</strong> Sozialdemokratie<br />

überschätzt, sich für den Supranationalismus einzusetzen. Wir waren uns<br />

bewusst, dass die Koalition des regulierten Kapitalismus schwächer als die Summe<br />

ihrer Teile war, aber dennoch glaubten wir an einen Grundkonsens sozialdemokratischer<br />

Parteien. Der Amsterdamer Vertrag von 1999 zeigte jedoch,<br />

3 <strong>Die</strong> erste Fassung unseres Aufsatzes stellten wir 1995 auf einer Konferenz in Berlin vor. Wie<br />

so oft, wenn die Wissenschaft sich bemüht, neue Fakten einzuordnen, entwickelten zur gleichen<br />

Zeit an<strong>der</strong>e Autoren ähnliche Konzepte. Unsere Argumente waren sowohl mit Leibfried<br />

und Piersons (1995) Beobachtung vereinbar, dass eine Sozialpolitik jenseits des Nationalstaates<br />

entstand, wie auch mit <strong>der</strong> Einschätzung, dass die europäische <strong>Integration</strong> zu einem »clash of<br />

capitalisms« führe (Crouch/Streeck 1997; Rhodes/Apeldoorn 1997).<br />

4 Seit 1992 unterlagen die Regierungen in Referenden in sieben Fällen. In den vier Jahrzehnten<br />

vor dem Maastrichter Vertrag hatten insgesamt nur sieben Referenden stattgefunden. In keinem<br />

Fall musste eine Regierung dabei eine Abstimmungsnie<strong>der</strong>lage hinnehmen.<br />

5 Um dieses Maß an Politisierung zu verstehen, haben wir und an<strong>der</strong>e seither politische Parteien,<br />

Interessengruppen und soziale Bewegungen untersucht. Einen Überblick zum Forschungsstand<br />

findet sich in Hooghe/Marks (im Erscheinen).

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