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Die Politische Ökonomie der europäischen Integration - MPIfG

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442 H e n r i k en d e r l e i n<br />

Dass die Nie<strong>der</strong>lande ein Son<strong>der</strong>fall sind, wurde bereits erwähnt. Anpassungen<br />

im wirtschaftspolitischen Instrumentarium waren nicht notwendig. Doch<br />

auch in den Nie<strong>der</strong>landen fanden im Beobachtungszeitraum bemerkenswerte<br />

Anpassungsschritte statt. So wurde 1998 ein System »automatischer« Anpassung<br />

in die Haushaltspolitik eingebaut, das die Finanzpolitik über die klassischen automatischen<br />

Stabilisatoren hinaus an unvorhergesehene Konjunkturkontexte<br />

anpasst. Steuerausfälle werden nach diesem System zu 75 Prozent über neue<br />

Schulden und zu 25 Prozent über Steuererhöhungen gedeckt, wenn das Haushaltsdefizit<br />

vor <strong>der</strong> Anpassung weniger als 1,75 Prozent des BIP beträgt. Beträgt<br />

das Defizit mehr als 1,75 Prozent des BIP, müssen die Steuerausfälle zu jeweils<br />

50 Prozent aus neuen Schulden und zu 50 Prozent aus Steuererhöhungen finanziert<br />

werden (Hallerberg/Strauch/von Hagen 2001; Ewijck/Reininga 1999).<br />

Das klare Ziel dieser Reform war die Schaffung einer fast automatisierten Reaktion<br />

<strong>der</strong> Finanzpolitik auf unerwartete Konjunkturzyklen, die dann weitgehend<br />

unabhängig vom tagespolitischen Kontext umgesetzt werden konnte.<br />

Italien trat dem Euroraum faktisch im Zeitraum 1995 bis 1998 bei, wobei<br />

unterstrichen werden muss, dass bis zuletzt ungewiss blieb, ob Italien tatsächlich<br />

als Gründungsmitglied aufgenommen werden würde (Dyson/Featherstone<br />

1999: 532–533). Dementsprechend war die italienische Wirtschaftspolitik während<br />

<strong>der</strong> drei Jahre zwischen 1995 und 1998 stark auf die Erfüllung <strong>der</strong> Beitrittskriterien<br />

ausgerichtet. 1996 erreichten die Realzinsen mit 6 Prozent einen<br />

historischen Höchstwert – und dies, obwohl die Fiskalpolitik eine starke Konsolidierung<br />

vornahm. Eine restriktivere Ausrichtung <strong>der</strong> Wirtschaftspolitik ist<br />

kaum denkbar (vgl. OECD 1997b: 46–68).<br />

Um den wirtschaftspolitischen Problemdruck durch den Euro-Beitritt meistern<br />

zu können, musste Italien den oben formulierten Annahmen zufolge die<br />

Effektivität des Haushaltsprozesses erhöhen; in <strong>der</strong> Lohnpolitik fehlte die interne<br />

Koordinierung <strong>der</strong> Tarifpartner sowie <strong>der</strong> direkte Einfluss <strong>der</strong> Regierung auf<br />

die Tarifverhandlungen.<br />

<strong>Die</strong> Reform des finanzpolitischen Prozesses erfolgte im Jahr 1997. Im Haushaltsprozess<br />

wurden die Einwirkungsmöglichkeiten des Parlaments reduziert,<br />

und <strong>der</strong> Finanzminister erhielt das Recht, Obergrenzen für die Ausgaben <strong>der</strong><br />

einzelnen Ressorts aufzustellen. Durch diese Maßnahmen wurde <strong>der</strong> manchmal<br />

als »Wun<strong>der</strong>« bezeichnete Haushalt des Jahres 1998 möglich, <strong>der</strong> das italienische<br />

Haushaltsdefizit trotz Konjunkturschwäche von 3,2 Prozent des BIP (1997) auf<br />

2,7 Prozent (1998) senkte (Felsen 1999; OECD 2000a: 74). Insgesamt stärkte<br />

die Reform den Haushaltsprozess genau dort, wo es zu erwarten war (vgl. de<br />

Haan et al. 1999). 1999 wurde dann ein nationaler Stabilitätspakt geschlossen,<br />

<strong>der</strong> eine Re-Zentralisierung <strong>der</strong> italienischen Finanzpolitik umsetzte – und dies

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