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Eine Brücke ... - Adolf-Reichwein-Verein

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der Assembly in irischen Schulen, insbesondere in The King�s<br />

Hospital in Dublin.<br />

Die wöchentliche Versammlung ist ein Ort des öffentlichen<br />

Diskurses vor der Schulgemeinde. In der Gesamtschule Essen-Holsterhausen<br />

findet die Versammlung einmal im Monat<br />

in der Aula statt. Ziel ist die Stärkung einer demokratischen<br />

Kultur, der Identifikation mit der Schule, der Eigentätigkeit.<br />

Deshalb gehören auf der Versammlung feste Rituale und<br />

wechselnde Inhalte zusammen. Wenn die AGENDA 21 darauf<br />

verpflichtet, sich in die Angelegenheiten der Welt öffentlich<br />

einzumischen, im Dialog der Generationen, in der Partnerschaft<br />

der Nationen, in globaler Verständigung, dann ist es ein<br />

Gebot von Schulen, eine Schul-Haus-Kultur zu entwickeln, in<br />

der das Öffentliche Sprechen, das Öffentliche Dialogisieren,<br />

das Öffentliche Argumentieren, das Öffentliche Präsentieren,<br />

das Öffentliche Gesicht zeigen früh gelernt wird. Speak your<br />

mind in der Öffentlichkeit: kaum ein Üben ist wichtiger als das<br />

für eine demokratische Kultur. Die Versammlung ist zu einem<br />

herausgehobenen Moment der demokratischen Partizipations-Kultur<br />

der Schule geworden.<br />

�Die Versammlung ist ein Ort, wo wir mitbestimmen<br />

und unsere Meinung sagen können. Alle 142 Kinder<br />

des Jahrgangs treffen sich. Hier werden Texte, Szenen<br />

und Tänze aufgeführt, Projekte vorgestellt und wichtige<br />

Themen ans Licht geführt. Die Moderation übernehmen<br />

wir selbst. Versammlung und Klassenrat sind Stunden,<br />

wo wir Verantwortung für das, was in der Schule passiert,<br />

übernehmen, wo wir über Probleme und Verbesserungen<br />

sprechen können und bei denen wir für den Ablauf und<br />

die Präsentation selbst verantwortlich sind.�<br />

Lara, 13 Jahre<br />

�Da gefällt mir das, was ihr hier macht, unheimlich<br />

gut, nämlich, dass ihr euch hier regelmäßig öffentlich<br />

trefft in Versammlungen und besprecht, wo die Probleme<br />

sind, dass ihr euch auch trefft, wenn es ein akutes Problem<br />

gibt, dass ihr die Dinge selber in die Hand nehmt. Das<br />

ist eine Information, die ich bekommen habe. Ich habe einiges<br />

gelesen über die Schule, das ich gerne bestätigt<br />

sehen möchte heute und das ich gerne mitnehmen möchte,<br />

um woanders dafür zu werben.<br />

Jochen Dieckmann, Justizminister des Landes NRW bei seinem<br />

Besuch am 17. 01. 2002<br />

Außerordentliche Versammlungen sind zum festen Bestandteil<br />

der Schul-Haus-Kultur geworden an wichtigen Gedenktagen,<br />

z. B. der Reichspogromnacht und dem Holocaust-<br />

Gedenktag. Außerordentliche Versammlungen gibt es auch,<br />

wenn besondere Ereignisse die Welt erschüttern: am 11. September<br />

2001 z. B. oder am Tag nach Erfurt. Wer dann einfach<br />

mit dem normalen Bruchrechnen fortfährt, erzieht zur Ignoranz.<br />

So wichtig die Intimität einer Klasse gerade in solchen<br />

beängstigenden Augenblicken sein kann, das Erlebnis spontaner<br />

Empfindungs-Gemeinsamkeit in der Schul-Community<br />

ist ein Gegengewicht zum Kaum-Fassbaren. Bei der Versammlung<br />

am Morgen nach dem 11. September sprach neben<br />

einem Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde auch<br />

ein Hoca. Es war das erste Mal, dass ein Repräsentant des<br />

37<br />

Nr. 4 / April 2004<br />

Islam in der Schule war. Und als der Hoca in türkischer Sprache<br />

aufforderte: �Wir beten zusammen, Hand in Hand�, fassten<br />

sich alle 500 Menschen in der Aula an den Händen. Für<br />

unsere islamischen Schülerinnen und Schüler war es von<br />

großer Bedeutung, dass ein Vertreter ihrer Religion anwesend<br />

war, dass ihre Kultur gleich berechtigt präsent war. Viele kamen<br />

hinterher und haben sich dafür bedankt. Die arabischen<br />

Kinder baten, doch bitte beim nächsten Mal ihren Hoca anzusprechen.<br />

Wenn �Menschen mit Botschaften� zu Gast sind, dann sind<br />

das Höhepunkte, prägende Erfahrungen für die Schülerinnen<br />

und Schüler, aber auch für die Lehrerinnen und Lehrer. �Menschen<br />

mit Botschaften� waren bisher z. B. Dennis Goldberg,<br />

ein Wegbegleiter von Nelson Mandela; die Präsidentin des<br />

Landgerichts in Essen, Dr. Monika Anders; Diether Posser,<br />

heute 80 Jahre jung, Wegbegleiter des ehemaligen Bundespräsidenten<br />

Gustav Heinemann, Minister in nordrheinwestfälischen<br />

Kabinetten, Anwalt der Verfolgten; Lutz van<br />

Dijk, ursprünglich Sonderpädagoge in Hamburg, dann lange<br />

Mitarbeiter im Anne-Frank-Haus in Amsterdam, jetzt in Südafrika<br />

lebend und arbeitend für HOKISA, eine Stiftung für Aids-<br />

Waisen, mit Preisen bedachter Jugendbuchautor ...; Tychovetskyi<br />

Wolodymyr, Ukraine, ehemaliger Zwangsarbeiter in<br />

Essen; 20 islamische Frauen aus 16 Ländern der Welt in Führungspositionen,<br />

ein Besuch im Rahmen des Europäisch-<br />

Islamischen-Dialogs der Kultusministerkonferenz; Klaus Werner,<br />

Journalist, u. a. Autor des Buches Schwarzbuch der<br />

Markenfirmen.<br />

�Mensch mit Botschaften� kann aber auch der Opa von<br />

Sanjej sein, der von seiner Religion, dem Hinduismus erzählt;<br />

eine Photographin; Frank Katscher Barts, Arzt und<br />

Kantor der jüdischen Kultus-Gemeinde in Essen; Sigfried<br />

Maruhn, ein Journalist, der viele Monate im Kosovo verbracht<br />

hat; ein Flüchtling aus Togo; Eltern, die sich ehrenamtlich<br />

engagieren; ein Unternehmer; ein Gewerkschaftler;<br />

ein ... Entscheidend sind die Botschaften, nicht<br />

ein �Rang�. Wichtig ist, dass die Menschen für etwas stehen,<br />

dass sie die Welt in die Schule bringen, dass sie<br />

Vorbilder sein können oder Anlass für Nach-Denken und<br />

kritische Auseinandersetzung. Entscheidend ist die lebendige<br />

persönliche Begegnung.<br />

<strong>Reichwein</strong> als Kosmopolit war ein Mensch mit Botschaften. Er<br />

hat seinen Schülern von seinen Reisen, seinen Erfahrungen<br />

erzählt., Gegenwartsprobleme diskutiert. Er versuchte, politische<br />

Bewusstseinsbildung zu entwickeln und soziales Engagement<br />

zu aktivieren. Seine Teeabende, veranstaltet mit Studentinnen<br />

und Studenten, Dozenten, jungen Arbeitern, erfreuten<br />

sich hoher Beliebtheit. <strong>Eine</strong> Studentin:� � <strong>Eine</strong>m Teil der<br />

Studenten, zu denen auch ich gehörte, ist an diesen Abenden<br />

der Blick geöffnet worden für politische und wirtschaftliche<br />

Zusammenhänge, und unsere Interessen sind auf ein Gebiet<br />

gelenkt worden, das uns bis dahin fremd gewesen ist�.

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