Eine Brücke ... - Adolf-Reichwein-Verein
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Lernen ist wichtiger als Unterricht - das Leben stellt<br />
die Fragen<br />
Vorhaben<br />
Es ist die Tugend des neuen<br />
vom Kind und seiner Sache<br />
und nicht mehr aus der<br />
Zerrissenheit der Fächer<br />
bestimmten Unterrichts.<br />
<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong><br />
Schule ist der Ort, an dem alle Kinder und Jugendlichen viele<br />
Jahre wesentliche Lebenszeit verbringen. Durch die Schule<br />
wird das Verständnis von Lernen entscheidend geprägt. Lebenslanges<br />
Lernen, Um- und Weiterlernen wird in der globalisierten<br />
Weltgesellschaft der Normalfall sein und die Bereitschaft<br />
und Fähigkeit wird damit zu einer Ausschlag gebenden<br />
Basisqualifikation. Wir wissen, dass eine vor allem auf Wissensvermittlung<br />
ausgerichtete Schule Kinder und Jugendliche<br />
nicht ausreichend für die Herausforderungen des 21.<br />
Jahrhunderts mit seinen komplizierten Zukunftsaufgaben vorbereitet.<br />
<strong>Eine</strong> wesentliche Rolle für das Lernen spielt die<br />
Lehr- und Lernkultur. Erfolgreiches Lernen vollzieht sich auf<br />
individuellen Wegen. Leben und Lernen muss sich gegenseitig<br />
befruchten. Wir dürfen Kinder nicht in Schulen einsperren<br />
und das Leben bleibt draußen. Pädagogik muss so sein, dass<br />
die jeweils vorhandenen Kompetenzen in Gestaltungsprozesse<br />
einfließen. Dafür brauchen Kinder Handlungsfelder, die<br />
gesellschaftliche Bedeutung haben. Individualität fördern heißt<br />
nicht das Aufziehen von Ichlingen, aber die Profilierung der<br />
eigenen Person. Gemeinsamkeit ist die Summe ausgeprägter<br />
Individualitäten �Vielfalt in der Gemeinsamkeit� heißt das alle<br />
optimal fördernde und fordernde Prinzip.<br />
�Was die Hand geschaffen hat, begreift der Kopf umso leichter�,<br />
lautet ein pädagogischer Grundsatz. <strong>Reichwein</strong>s. Das<br />
Vorhaben <strong>Reichwein</strong>s basiert auf den methodischen Prinzipien<br />
der Arbeitsschule. �Das Kind begegnet der Welt nicht als<br />
Einheit, sondern in ihren Einzelheiten, d. h. es begegnet den<br />
Dingen. Die dingbezogene Anschauung aber ist die lebendigste<br />
und erregendste. Von den Dingen strahlt Wirkung aus�.<br />
Ausgehend davon, dass das Kind das natürliche Bedürfnis<br />
hat, mit den Dingen tätig zu sein, bilden die Vorhaben <strong>Reichwein</strong>s<br />
�pädagogisch abgesicherte Ernstsituationen�, die<br />
schrittweise auf die gesellschaftliche Wirklichkeit vorbereiten.<br />
Sie gehen von aktuellen Anlässen und den Interessen der<br />
Kinder aus, denen Raum für Selbsttätigkeit und Entfaltung<br />
des einzelnen gegeben werden soll. Unterrichten wird so zur<br />
Lern-Situation. Die Öffnung der Schule gegenüber gesellschaftlicher<br />
Wirklichkeit, das Aufsuchen außerschulischer<br />
Lernorte, die Einbeziehung von Experten in den Unterricht<br />
waren für <strong>Reichwein</strong> wichtige Elemente, um Schule zu einem<br />
sozialen und kulturellen Erfahrungsraum zu machen. Das<br />
Vorhaben und die mit ihm verbundene Methode der arbeitsteiligen<br />
Gruppenarbeit boten hervorragende Möglichkeiten für<br />
die Entdeckung von Fragen, individuelle Förderung, die Übernahme<br />
von Verantwortung und die �Mobilisierung der Selbstkraft�.<br />
Heute, 70 Jahre nach <strong>Reichwein</strong>s Reformmodell Tiefensee,<br />
bestimmt in vielen unserer Schulen immer noch ein Stundenplan<br />
im 45 Minuten Takt mit ständigem Wechsel der Unterrichtsfächer<br />
und vorschreibender Unterrichtsplanung den<br />
Schulalltag.<br />
38<br />
Nr. 4 / April 2004<br />
Dazu zwei Aussagen aus der Denkschrift �Zukunft der Bildung<br />
� Schule der Zukunft�, eine Denkschrift, die von der Bildungskommission<br />
NRW, die vom damaligen Ministerpräsidenten<br />
Johannes Rau eingesetzt wurde, erarbeitet worden ist:<br />
�Die bis heute in Fächer und Wissenselemente eingeteilte<br />
Schule gerät zunehmend unter Druck wegen der offensichtlichen<br />
Unzweckmäßigkeit eines allein durch Fächer und Fachunterrichtsstunden<br />
zergliederten Lernens. <strong>Eine</strong> neue Ordnung<br />
des Lernens erweist sich dann als geeignet, wenn sie gewährleistet,<br />
dass schulisches Lernen in Fächern und Fachbereichen<br />
auf Bildungsziele hin zusammengeführt wird und auf<br />
Seiten der Schülerinnen und Schüler �Lernsinn� ergibt.�<br />
�Lehr- und Lernvorgänge in der Schule sind nach wie vor<br />
durch Merkmale des Zerlegens charakterisiert, das sich in<br />
seinen Auswirkungen gegen die Qualität des Lernens richtet<br />
... Das sinnvolle Prinzip der Auswahl unterschiedlicher Lernformen<br />
scheitert am häufigsten an der zeitlichen Zerstückelung<br />
des Schultages, der Schulwoche, des Schuljahres.�<br />
Trifft dies zu, dann muss sich eine Schule, die einen förderlichen<br />
Rahmen für �Lernsinn� schaffen will, andere Zeitfenster<br />
öffnen. Ein solches Zeitfenster heißt in der AGENDA-Schule<br />
Holsterhausen VoL � Vorhaben orientiertes Lernen.<br />
Mit dem Lernbereich �Vorhaben orientiertes Lernen�, in dem<br />
sich die Schülerinnen und Schüler in drei zusammenhängenden<br />
Stunden intensiv und selbständig mit Themen auseinandersetzen<br />
können, haben wir die Zerstückelung in 45 Minuten<br />
Stunden aufgehoben und einen strukturellen Rahmen für projektorientiertes<br />
und fachübergreifendes Lernen geschaffen. In<br />
diesen Lernbereich fließen Stunden aus den Fächern Gesellschaftslehre,<br />
Sport, Kunst oder Naturwissenschaften ein, die<br />
sich anteilig in Projekten wiederfinden.<br />
Den Lernbereich VoL gibt es in den Jahrgängen 5 und 6, im<br />
Anschluss also an die Grundschule, in der ohnehin weitgehend<br />
ungefächert gearbeitet wird. Ein gleitender und darum<br />
guter Übergang von der Grundschule in die zunehmend sich<br />
ausdifferenzierende Sekundarstufe I. VoL liegt in der Hand<br />
der Klassenlehrer/innen. Soweit es geht, haben in Holsterhausen<br />
die Klassen 5 und 6 alle zwei Klassenlehrer. Wenn es<br />
geht: eine Frau und einen Mann. Nach Möglichkeit sind die<br />
VoL-Stunden mit den beiden Klassenlehrern doppelt besetzt.<br />
Das ermöglicht die Unterteilung der Klasse, fördert die Arbeit<br />
in � aufeinander abgestimmten und auch wechselnden -<br />
Teilgruppen. Weil die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer<br />
über VoL hinaus ohnehin möglichst viele Stunden in ihrer<br />
Klasse verbringen, ist es oft so, dass auch in den Stunden vor<br />
und/oder nach VoL die Klassenlehrer in dieser Klasse sind.<br />
Das Ziel der Stundenplanmacher ist es durchaus, Tage zu<br />
schaffen, an denen eine Klasse mit ihren (Klassen-) Lehrern<br />
den ganzen Vormittag z. B. von 08.00 bis 13.00 Uhr gestalten<br />
kann. Die Vorteile eines solchen Zeitfensters liegen auf der<br />
Hand: es können Vorhaben angepackt werden, die nicht<br />
zustande kämen, müsste auf einen zerstückelten Fetzenstundenplan<br />
Rücksicht genommen werden.<br />
VoL � in anderen Schulen hat man aus ähnlichen Überlegungen<br />
heraus Projekttage oder Werkstattage oder wie es auch<br />
sonst noch heißen mag, geschaffen � ist eine Chance für Projekte,<br />
für projektorientiertes Arbeiten, für Lern- und Handlungsformen,<br />
die den auf Gestaltungskompetenz zielenden<br />
Herausforderungen, wie sie die AGENDA 21 im Blick hat, besonders<br />
entgegenkommt.