Auszüge zum Download - Medien Tenor
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260 Integrations-Index 2012<br />
ungeachtet unserer Hintergründe. „Kultureller Rassismus” ist<br />
dabei eine inhaltliche Kategorie. Noch in den 1990er Jahren<br />
wurde in Deutschland sehr stark biologistisch argumentiert:<br />
„Sie” sind genetisch anders, verunreinigen den „Volkskörper”<br />
etc. Solche Argumentationsmuster sind seit der Staatsangehörigkeitsreform<br />
von 2000, in der das „ius sanguninis” zurückgedrängt<br />
wurde, deutlich weniger zu hören. Paradigmatisch ist<br />
heute die Rede von der Kultur: „Ihre” Kultur ist fanatisch, gewalttätig,<br />
arbeitsscheu etc.<br />
8. Die hinter den Begriffen „Struktur“ und „Kultur“ stehenden<br />
Inhalte markieren beide institutionelle Rahmenbedingungen:<br />
„Struktur“ im Sinne formeller Institutionen (Gesetze,<br />
Verordnungen etc.) und „Kultur“ im Sinne informeller Institutionen<br />
(Wertvorstellungen, Sitten, Gebräuche, Gewohnheiten<br />
etc.). Nun lassen sich Strukturen in der Regel recht schnell<br />
verändern – theoretisch gar „per Federstrich“, wenn man etwa<br />
an Gesetzesänderungen denkt. Kulturelle Veränderungen<br />
hingegen brauchen meist sehr viel (mehr) Zeit. In Deutschland<br />
allerdings hapert es bereits an der Struktur: So ist das Zuwanderungsgesetz<br />
de facto ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz;<br />
und das Aufenthaltsrecht ist nie wirklich grundlegend<br />
reformiert worden. (Wie) Kann angesichts solcher struktureller<br />
Blockaden überhaupt eine kulturelle Veränderung hin zu<br />
mehr Öffnung, Akzeptanz und Wertschätzung – Stichwort<br />
„Willkommenskultur“ – und letztlich „Interkultur“ überhaupt<br />
gelingen?<br />
Ich hab mich ziemlich lange geweigert, im Zusammenhang mit<br />
der Einwanderung ständig über Kultur zu sprechen, eben weil<br />
die rechtlichen Voraussetzungen lange Zeit geradezu verheerend<br />
ausgrenzend waren. Tatsächlich ist das „Ausländergesetz”<br />
ja immer noch intakt – eine de facto Sondergesetzgebung<br />
für eine Personengruppe, die laut Bericht der Integrationsbeauftragten<br />
eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von<br />
18 Jahren hat. Das hat mit Demokratie nichts zu tun. Das Ausländergesetz<br />
ist ein kafkaesker Dschungel, der den jeweiligen<br />
Organen extrem große Freiheiten in der Auslegung gibt. Das<br />
bestimmt das Leben vieler Leute. Unterdessen existieren<br />
Stadtviertel, in denen ein Drittel der Einwohner nicht wählen<br />
dürfen, nicht einmal kommunal. Wie sollen denn dort Entscheidungen<br />
demokratisch legitimiert werden? Und das Zuwanderungsgesetz<br />
ist ein Hohn: der Einwanderungssaldo in