Auszüge zum Download - Medien Tenor
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194 Integrations-Index 2012<br />
hielt nach dem Zweiten Weltkrieg eine Chance wirtschaftlicher<br />
und gesellschaftlicher Entwicklung, die nicht selbstverständlich<br />
war. Wir haben keinen Grund, heute die Fragen der<br />
Migration nur utilitaristisch unter dem Gesichtspunkt zu diskutieren:<br />
‚Was bringt uns das ökonomisch‘? Deshalb muss die Politik<br />
auch den Mut haben, sich z.B. in der Asyl- und Flüchtlingspolitik<br />
sowie in der sensiblen Verschränkung der Themen<br />
Migration und Entwicklung nicht einfach einem gedächtnislosen<br />
Nationalismus und kurzsichtigen Nutzendenken hinzugeben.<br />
So wie Deutschland eine besondere Verantwortung etwa<br />
jüdischen oder Roma-Bevölkerungsgruppen gegenüber hat, so<br />
hat es mit seinem spezifischen Erbe von Migration und Integration<br />
umzugehen. Diese grundlegende Orientierung an historischer<br />
Verantwortung erscheint mir wichtiger als jede kurzfristige<br />
Nutzen- oder Effizienzerwägung.<br />
Eine wichtige Akteursgruppe sind auch die Migrantenorganisationen.<br />
Davon arbeiten über zehntausend in Deutschland. Sie<br />
sind ein sehr wichtiger Teil zivilgesellschaftlichen Engagements,<br />
helfen Brücken zu schlagen, Verständnis zu fördern,<br />
aber auch Kulturen und Geschichte zu bewahren. Zwar gibt es<br />
vielfältige Initiativen, die Arbeit der Migrantenorganisationen<br />
zu unterstützen und systematischer in Integrationsarbeit einzubeziehen.<br />
Hier kann aber noch viel verbessert werden.<br />
Die deutsche Integrationsdebatte und –politik war über Jahrzehnte<br />
im Grunde bis heute weniger lösungs-, sondern eher<br />
problemorientiert. Der Blick der Mehrheitsgesellschaft auf<br />
die (aus ihrer Sicht) zu integrierenden Minderheiten war und<br />
ist bis heute nahezu ausschließlich defizitorientiert. Was<br />
müsste aus Ihrer Sicht geschehen, um zu einem eher potenzialorientierten<br />
Blick zu kommen, zu einer wirklichen Diversity-<br />
Perspektive?<br />
Erste zarte Pflänzchen in eine solche Richtung sind gesetzt.<br />
Die ‚normative Kraft des Faktischen‘, sprich die realen demographischen<br />
und Arbeitsmarktprobleme werden hier ein guter<br />
Lehrmeister sein. Das allein reicht aber nicht. Wir müssen<br />
meines Erachtens sehr gründlich und historisch den Umgang<br />
mit Andersartigkeit reflektieren. Deutschland war immer vielfältig<br />
im Hinblick auf Glaubensrichtungen und Religionen, ethnische<br />
Gruppen, regionale Traditionen und Dialekte. Vor allem<br />
ist Deutschland – auch aufgrund seiner geographischen Lage –