Nr. 39, Januar - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
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Lisa und Oma<br />
Margot Wahl<br />
Ich weiß es noch so genau, als ob es<br />
heute wäre, als an einem Samstag in<br />
Juni 1996 das Telefon klingelte und meine<br />
Tochter nur sagte: „Hallo Oma!“<br />
Es war ein absoluter Glückstag. Ein<br />
Mädchen, hieß es, Lisa, sie ist gesund<br />
und es ist alles dran, genau was so ein<br />
kleines Menschlein alles braucht.<br />
Überglücklich fuhr ich gleich am<br />
Vormittag los zur Klinik, um mein ersehntes<br />
Enkeltöchterlein in die Arme zu<br />
schließen und den frisch gebackenen Eltern<br />
zu gratulieren.<br />
Als ich die kleine Lisa sah, war es<br />
mir irgendwie komisch zumute, denn da<br />
war etwas, was ich nicht recht zuordnen<br />
konnte. Aber das Kind war ja gerade<br />
erst ein paar Stunden alt, da bildet man<br />
sich vielleicht auch nur etwas ein, dachte<br />
ich zu meiner Beruhigung. Gesagt habe<br />
ich nichts, denn egal wie, sie wird<br />
meine große Liebe werden.<br />
Der frisch gebackene Opa und ich<br />
feierten mit den Nachbarn die Ankunft<br />
der neuen Erdenbürgerin. Am nächsten<br />
Morgen kam der Anruf meiner Tochter,<br />
der mir meinen Verdacht bestätigte. Die<br />
Ärzte vermuten bei Lisa das <strong>Down</strong>-Syn-<br />
drom und einen Herzfehler dazu.<br />
Schock bei allen. Hilflosigkeit, die immer<br />
wiederkehrende Frage: Warum<br />
wir? Die kleine Hoffnung, dass die Ärzte<br />
sich irren! Was sagen die Urgroßeltern?<br />
Was können wir tun?<br />
Gleich am Morgen fuhr ich wieder zu<br />
meinen Liebsten ins Krankenhaus. Für<br />
mich war es damals schon klar: Ich liebe<br />
meine Lisa und werde alles tun, was<br />
man nur kann. Und man kann sehr viel<br />
tun. Meine Tochter und mein Schwiegersohn<br />
haben sich sofort anhand von<br />
Fachbüchern über das <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />
informiert und weitergebildet. Auch ich<br />
habe sehr viel darüber gelesen und versucht<br />
zu helfen, wo es nur ging.<br />
Heute ist Lisa fünf Jahre alt und besucht<br />
den Regelkindergarten mit Integrativgruppe<br />
und ist ein fröhliches, liebenswertes<br />
Mädchen mit viel Verstand<br />
und Herz.<br />
Krankenhausaufenthalte, Herzoperationen,<br />
Tränen, Kummer, Verzweiflung,<br />
all das hat Lisa mit all ihrer Stärke<br />
überwunden. Es ist uns gelungen,<br />
durch die Annahme und das Verstehen<br />
der Behinderung zum „normalen“ Leben<br />
zurückzukehren. Nicht mehr zu fragen,<br />
warum gerade wir, sondern zu sagen,<br />
gerade wir, weil es uns mit Lisa gut<br />
geht.<br />
Allen Großeltern, die nicht ganz gesunde<br />
Enkelkinder haben, ganz egal ob<br />
FAMILIE<br />
es sich um das <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> oder um<br />
eine andere Behinderung oder Krankheit<br />
handelt, möchte ich Mut machen,<br />
diese Kinder anzunehmen und zu lieben.<br />
Das ist so wichtig wie das tägliche<br />
Brot.<br />
Lisa hat ein gesundes Schwesterchen,<br />
Laura. Ich habe also doppeltes<br />
Glück, denn ich habe noch ein Enkeltöchterlein.<br />
Stolz bin ich auf meine<br />
Tochter und meinen Schwiegersohn,<br />
denn eine Fruchtwasseruntersuchung<br />
haben sie bei der zweiten Schwangerschaft<br />
ausgeschlagen mit der Begründung,<br />
wenn es der Zufall so möchte und<br />
das zweite Kind auch behindert ist, nehmen<br />
wir es dennoch in unsere Arme.<br />
Toll, so eine Oma!<br />
Geht mit einem zur<br />
Fastnacht, bringt einem<br />
das Fahrradfahren bei<br />
und verwöhnt einen so<br />
ab und zu.<br />
Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>39</strong>, Jan. 2002 11