Nr. 39, Januar - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
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ERFAHRUNGSBERICHT<br />
Glück gehabt – Annika fiel in der<br />
Pränataldiagnostik auf<br />
Mit großem Interesse las ich den Artikel<br />
„Das maßgeschneiderte Kind“<br />
von Dr. Storm in der Ausgabe <strong>Nr</strong>. 38 in<br />
Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>. Die von<br />
Herrn Storm angesprochenen jüngsten<br />
Entwicklungen in der pränatalen Diagnostik<br />
können sicherlich zu einer Vergrößerung<br />
der allgemeinen Intoleranz<br />
gegenüber behinderten Menschen beitragen.<br />
Doch trotz all der damit verbundenen<br />
Gefahren bin ich eine Befürworterin<br />
der pränatalen Diagnostik. Denn<br />
ohne diese Untersuchungsmethoden<br />
hätte unsere Tochter Annika vielleicht<br />
nicht überlebt.<br />
Es ist unbestreitbar, dass viele Kinder<br />
keine Chance zum Leben erhalten,<br />
weil ihre Mütter durch die Pränataldiagnostik<br />
vor der Geburt über die Behinderung<br />
informiert wurden und sich aufgrund<br />
dessen zum Abbruch entscheiden.<br />
Mir ist es aber sehr wichtig zu betonen,<br />
dass meiner Ansicht nach nicht<br />
die pränatale Diagnostik ursächlich zur<br />
Abtreibung besonderer Kinder führt,<br />
sondern die negative Einstellung zu solchen<br />
Kindern! Aufgrund dieser negativen<br />
Meinung wird die Besonderheit unserer<br />
Kinder im gesellschaftlichen Zusammenleben<br />
oftmals zu einer Behinderung<br />
für sie. Wenn man jedoch mit<br />
48 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>39</strong>, Jan. 2002<br />
einer lebensbejahenden, annehmenden<br />
Einstellung eine Schwangerschaft<br />
durchlebt, kann die pränatale Diagnostik<br />
positiv sein und manchmal eine<br />
große Hilfestellung geben – so empfinde<br />
ich es jedenfalls.<br />
Bevor ich schwanger wurde, setzten<br />
mein Mann und ich uns damit auseinander,<br />
dass es keine Garantie für das<br />
„perfekte“ Kind gibt. In unseren Gesprächen<br />
bezog ich deutlich Stellung,<br />
auch ein eventuell behindertes Kind<br />
austragen zu wollen. Dass ich dann<br />
tatsächlich ein behindertes Kind bekommen<br />
würde, hätte ich natürlich<br />
nicht gedacht. Mein Mann konnte sich<br />
meiner kompromisslosen Meinung damals<br />
nicht anschließen und hoffte, er<br />
müsse sich niemals konkret damit auseinander<br />
setzen, doch es kam anders.<br />
Als ich mit 28 Jahren schwanger<br />
wurde, fragte mich die Frauenärztin<br />
routinemäßig, ob ich eine Amniozentese<br />
wolle, was ich ablehnte. In der 24.<br />
Schwangerschaftswoche lag unsere<br />
Tochter dann so günstig, dass die Ärztin<br />
bei der Ultraschalluntersuchung eine<br />
Auffälligkeit erkennen konnte. Sie überwies<br />
mich zum Pränataldiagnostiker an<br />
der Universitätsklinik Köln, dieser bestätigte<br />
ihren Verdacht und stellte die<br />
Diagnose „Kompletter AV-Kanal“. Da<br />
dieser Herzfehler häufiger in Verbindung<br />
mit Behinderungen auftritt, empfahl<br />
er uns, die Amniozentese und eine<br />
Nabelschnurpunktierung durchführen<br />
zu lassen. Die Entscheidung dafür fiel<br />
uns aufgrund der damit verbundenen<br />
Risiken für das ungeborene Kind recht<br />
schwer, doch wir wollten nun gerne<br />
Klarheit, so weit dies möglich war.<br />
In diesem Zusammenhang sprach<br />
der Arzt auch über die Möglichkeit einer<br />
Abtreibung. Er tat dies sehr sachlich<br />
und ohne uns beeinflussen zu wollen.<br />
Dennoch war ich völlig geschockt, als<br />
ich nach der Diagnose des Herzfehlers<br />
und dem Verdacht auf das Vorliegen einer<br />
Behinderung nun auch noch das<br />
Wort Abtreibung hörte. Für mich war<br />
sofort klar, dass dies nicht in Frage käme.<br />
Wochen später las ich dann, dass<br />
man ab der 20. Schwangerschaftswoche<br />
ohnehin nicht mehr von einer Abtreibung<br />
sprechen kann, sondern das<br />
Kind ausgeleitet wird, d.h., die Mutter<br />
muss das Kind richtig gebären. Ab der<br />
24. Schwangerschaftswoche hat das<br />
Kind dabei gute Chancen, lebend auf die<br />
Welt zu kommen, doch genau dies soll ja<br />
eigentlich vermieden werden!<br />
Wir erfuhren zwei Tage später am<br />
Telefon vom Vorliegen der freien Trisomie<br />
21. Beide Nachrichten waren ein<br />
großer Schock für uns. Wir wollten doch<br />
ein ganz „normales“, gesundes Kind!<br />
Und nun? Ist nun alles vorbei? Nein!<br />
Ich hatte eine grobe Vorstellung vom<br />
<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>, doch was tatsächlich<br />
alles dahintersteckt, wusste ich zu diesem<br />
Zeitpunkt noch nicht. In unserer<br />
ersten Hilflosigkeit gingen wir in das<br />
Krankenhaus in unserer Kleinstadt Limburg,<br />
um uns erste Informationen zu besorgen<br />
und mit „Fachleuten“ reden zu<br />
können. (Dass Eltern sich oftmals viel<br />
eher als Fachleute erweisen, lernte ich<br />
erst später.) Dort trafen wir eine nette<br />
Krankenschwester, die meinte, Menschen<br />
mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> seien die Königskinder<br />
unter den Behinderten, da<br />
sie im Gegensatz zu einigen anderen Behinderungsarten<br />
aktiv am Leben teilnehmen<br />
und gut zu fördern sind.<br />
Meine Freundin recherchierte sofort<br />
im Internet nach Kontaktadressen, sodass<br />
wir bereits am nächsten Abend telefonisch<br />
mit anderen Eltern von Kindern<br />
mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> redeten. Sie alle<br />
sprachen uns viel Mut zu. Nach einer<br />
durchheulten Nacht saß ich morgens im