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Nr. 39, Januar - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

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PSYCHOLOGIE<br />

Kognitives Entwicklungstempo<br />

und Verhalten<br />

Hellgard Rauh<br />

Internationale Längsschnittstudien bei Kindern mit<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> und auch die Berliner Längsschnittstudie<br />

berichten, trotz Unterschieden in den – insgesamt jeweils<br />

guten – Förderbedingungen, über ähnliche Verlaufskurven<br />

der geistigen, motorischen und sprachlichen Entwicklung.<br />

Die individuellen Unterschiede bei Verlaufskurven<br />

und Entwicklungstempo sind groß.<br />

Aus dem zweiten Lebensjahr ließ sich das Entwicklungsniveau<br />

über drei Jahre später allerdings eher aus Verhaltensmerkmalen<br />

der Kinder als aus den erreichten<br />

Entwicklungsmeilensteinen vorhersagen.<br />

Kinder, die sich besonders langsam entwickelten, zeigten<br />

auch ein eher ungünstiges Verhaltensmuster ihres<br />

leistungsbezogenen Verhaltens.<br />

Die Bindungsqualität der Kinder mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

ließ sich vergleichbar zu der nicht behinderter Kinder<br />

klassifizieren. Bindungssicherheit korrelierte aber im<br />

Vorschulalter nicht notwendigerweise mit rascherem<br />

Entwicklungstempo. Bindungssichere Kinder schienen<br />

jedoch im Verhaltensverlauf eindeutiger und insgesamt<br />

„umgänglicher“ zu sein als bindungsunsichere Kinder.<br />

Längsschnittstudien bei Kindern mit<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

Längsschnittstudien bei Kindern mit<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>, die in verschiedenen<br />

Regionen der Welt einschließlich<br />

Deutschland in den letzten 20 Jahren<br />

durchgeführt wurden, haben unser Bild<br />

von der Entwicklung dieser Kinder erheblich<br />

differenziert. Auch in Berlin haben<br />

wir mehr als 30 Kinder mit <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong> über mehrere Jahre in ihrer<br />

Entwicklung begleiten dürfen. Sie wurden<br />

zwischen 1986 und 1995 geboren<br />

und sind nun zwischen fünf und 14 Jahre<br />

alt. Von 25 Kindern haben wir ziemlich<br />

ausführliche Entwicklungsdaten.<br />

6 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>39</strong>, Jan. 2002<br />

In vielen Hinsichten können wir unsere<br />

Berliner Kinder mit denen in anderen<br />

Regionen der Welt vergleichen, weil wir<br />

zur Erfassung des jeweiligen Entwicklungsstandes<br />

der Kinder dasselbe Testverfahren<br />

verwendet haben, nämlich<br />

die Bayley Scales of Infant Development<br />

(Bayley, 1969; 1993). Im Durchschnitt<br />

ähneln unsere Ergebnisse denen in den<br />

USA (z.B. Atkinson et al., 1995; Dunst,<br />

1990; Pueschel, 1984; Pueschel et al.,<br />

1987, 1995; Sigman & Ruskin, 1999), in<br />

Kanada (Bowman, s. Rauh, Rudinger,<br />

Bowman, Berry, Gunn, Hayes, 1991), in<br />

England (z.B. Carr, 1978; 1988), in Australien<br />

(Berry, Gunn & Andrews, 1984;<br />

Crombie & Gunn 1998) oder Deutschland<br />

(Rauh, 1997; 1999). Alle diese Länder<br />

zeichnen ein verhältnismäßig hoher<br />

Lebensstandard, eine gute Gesundheitsversorgung<br />

und das Bestreben aus,<br />

auch Kinder mit erheblichen Behinderungen<br />

in das allgemeine Bildungswesen<br />

und das gesellschaftliche Leben zu<br />

integrieren. Sie unterscheiden sich jedoch<br />

in der Art und Intensität der Frühförderung.<br />

Diese scheint sich aber nicht<br />

in generell unterschiedlichen Entwicklungsverläufen<br />

auszuwirken, wie die<br />

umfangreichen Studien in Australien<br />

zeigen.<br />

In der australischen Untersuchung<br />

(Crombie & Gunn, 1998) wurden Kinder<br />

aus zwei Geburtsjahrgängen verglichen.<br />

Der eine Jahrgang wurde kurz vor, der<br />

andere kurz nach der Einführung differenzierter<br />

Frühfördermaßnahmen und<br />

integrativer Kindergärten und Schulen<br />

untersucht. Die Befunde über die Entwicklungsverläufe<br />

der Kinder bis ins Jugendalter<br />

legen allerdings nahe, dass<br />

sich weder der Zeitpunkt des Beginns<br />

der institutionalisierten Frühförderung<br />

noch ihre Dauer, noch ihre inhaltliche<br />

Ausrichtung in den Entwicklungswerten<br />

der Kinder niederschlugen. Dagegen<br />

zeigten Kinder, die von ihren Eltern<br />

ganz selbstverständlich in das soziale<br />

Alltagsleben einbezogen, z.B. bei Ausflügen<br />

und Besuchen mitgenommen<br />

wurden, im Alter von 14 Jahren ein besseres<br />

Entwicklungsniveau als Kinder,<br />

denen diese anregende Einbeziehung<br />

versagt blieb.<br />

Dass sich die Frühförderungswirkungen<br />

nicht nachweisen ließen, könnte<br />

auch daran liegen, dass bereits bei<br />

dem ersten Geburtsjahrgang die Diskussionen<br />

um die Notwendigkeit von<br />

Frühförderung das Erziehungsklima für<br />

die Kinder positiv beeinflusst haben<br />

können.<br />

Allgemeiner Entwicklungsverlauf bei<br />

Kindern mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

In den ersten drei Lebensjahren entspricht<br />

nach den übereinstimmenden<br />

Befunden der verschiedenen Längsschnittstudien<br />

der geistige Entwicklungsverlauf<br />

der <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>-Kinder<br />

im Mittel etwas mehr als dem halben<br />

Tempo nicht behinderter Kinder.<br />

D.h., im Alter von zwei Jahren kann<br />

man im Durchschnitt von einem Entwicklungsniveau<br />

von etwa zwölf bis 14<br />

Monaten ausgehen, allerdings mit einer

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