D E R S T O C K S A M M L E R - Injuka Kunst
D E R S T O C K S A M M L E R - Injuka Kunst
D E R S T O C K S A M M L E R - Injuka Kunst
- TAGS
- injuka
- kunst
- www.kadri.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
nen Stunden. Sebastian Mercier, der das Pariser<br />
Leben in verschiedenen Epochen geschildert hat,<br />
schreibt 1782: "Vormittags geht man mit der Gerte in<br />
der Hand. Sie beflügelt den Gang und man kennt<br />
Zank und Streit nicht mehr, die vor 60 Jahren so<br />
gewöhnlich waren, damals, als zur Sühne einer<br />
bloßen Unaufmerksamkeit Blut fließen mußte. Die<br />
Frauen gehen aus und bewegen sich allein in den<br />
Straßen und auf den Boulevards, den Spazierstock in<br />
der Hand. Er ist für sie kein bloßes Spielzeug, sie haben<br />
ihn nötiger wie die<br />
Männer, denn ihre<br />
hohen Absätze machen<br />
sie ja nur größer, um<br />
ihnen die Fähigkeit<br />
des Gehens zu rauben."<br />
Der Pariser<br />
Arzt Tronchin hatte<br />
den Damen als Heilmittel<br />
gegen das Modeleiden<br />
der "Vapeurs"<br />
schon seit 1770 warm<br />
empfohlen, sich viel<br />
Bewegung zu machen<br />
und soviel sie könnten,<br />
spazierenzugehen.<br />
Dazu konnten sie freilich<br />
den Stock nicht<br />
entbehren, und sie<br />
haben ihn, wie die<br />
Bilder in der "Galerie<br />
des Modes" in<br />
Bertuchs Journal des<br />
Luxus und der Moden<br />
beweisen, gern und<br />
fleißig benutzt. Man<br />
gab ihnen hübsche<br />
und gefällige Modelle<br />
in die Hand. In der<br />
Sammlung Bourgeois,<br />
ehemals in Köln a.<br />
Rh., war ein 144 cm<br />
hoher Damenstock<br />
von rot gebeiztem<br />
Holz mit Beschlag in<br />
getriebenem und vergoldetem Rotkupfer. Der Griff<br />
endigte à bec de corbin stark gebogen, unten befand<br />
sich eine Eisenspitze. Freiherr Rolas du Rosey in<br />
Dresden besaß einen Damenstock, dessen<br />
Bernsteinknopf mit doppelter Schraubenöffnung als<br />
Riechfläschchen für zwei verschiedene Parfüms<br />
benutzt werden konnte. Der Deckel zeigte unter<br />
einem Bernsteinspiegel eine galante Darstellung.<br />
Bei einer so starken und allseitigen<br />
Benutzung bildete sich ein gewisser Komment heraus,<br />
der vorschrieb, wie man sich seines Stockes zu<br />
bedienen hatte. J. B. de la Salle, der 1782 Anstandsregeln<br />
herausgab, gibt eine Menge Verhaltungsmaßregeln.<br />
Zu vornehmen Leuten darf man sein<br />
Stöckchen überhaupt nicht mitnehmen. Es schickt<br />
sich nicht, damit umherzuspielen; gar jemand damit<br />
zu berühren, oder so tun, als wolle man zuschlagen,<br />
wäre der Gipfel des schlechten Tones. Man darf den<br />
Stock nicht unter dem Arm halten und sich beim<br />
Stehen nicht darauf stützen, beim Sitzen mit ihm in<br />
den Sand zu schreiben, ist ebensowenig passend,<br />
wie ihn beim Gehen hinter sich herzuziehen.<br />
Die Republik behielt die Stöcke bei, sie<br />
änderte nur ihr Format und ihren Gebrauch. Statt des<br />
Spielzeugs gab sie z. B. den Incroyables ganz gewichtige<br />
Knüppel in die<br />
Hand, mit denen diese<br />
imstande waren, sich<br />
gegen die Rüpelbanden<br />
der Jakobiner zur Wehr<br />
zu setzen, und diese<br />
Rowdies, die sich ja<br />
nur gegen Wehrlose<br />
mutig benahmen, zu<br />
Paaren zu treiben.<br />
Wie nötig wären uns<br />
solche Spazierstöckchen<br />
gegen die Rüpel<br />
unserer Tage! Die<br />
Incroyables, die sehr<br />
energische Leutchen<br />
waren und durchaus<br />
nicht die Moschushasen,<br />
die Muscadins,<br />
zu denen sie der<br />
Parteihaß der von ihnen<br />
Verhauenen gestempelt<br />
hat, hatten auch<br />
eine besondere Art,<br />
sich zu erkennen,<br />
einen freimauerischen<br />
Geheimgruß, indem<br />
sie ihre kurzen und<br />
dicken Stöcke in einer<br />
gewissen verabredeten<br />
Art und Weise<br />
hoben und senkten.<br />
Diese Jahre, die dem<br />
Gesindel so gute Tage<br />
brachten, förderten<br />
auch die Fabrikation von Degen- und Säbelstöcken,<br />
für die man die merkwürdigsten Formen gefunden hat.<br />
Die Stockmode überdauerte die<br />
Revolution mit allen ihren Phasen, vielleicht aus keinem<br />
anderen Grunde, als weil die Herren so glücklich<br />
waren, einen Gegenstand zu besitzen, mit dem sie<br />
die Hände beschäftigen konnten; die Damen, die zu<br />
diesem Zweck Fächer, Muff, Pompadour oder<br />
Sonnenschirm hatten, waren ihnen in dieser<br />
Beziehung bedeutend überlegen. Noch das Empire<br />
hielt daran fest, am Vormittag und Nachmittag verschiedene<br />
Stöcke zu benutzen. Graf Clary-Aldringen<br />
schreibt am 10. Mal 1810 seiner Frau aus Paris, daß<br />
er sich nach der Mode kleidet. "Morgens mit dem<br />
Spazierstock, den man ja nicht mit dem Abend-<br />
50