D E R S T O C K S A M M L E R - Injuka Kunst
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stöckchen verwechseln darf." Selbst Napoleon I., der<br />
doch meist Uniform trug, machte der Mode Konzessionen,<br />
er besaß einen Spazierstock aus Schildpatt<br />
mit Spieluhr.<br />
In England trennte sich der Gentleman<br />
so wenig von seinem Stöckchen wie der Franzose;<br />
ein unbekannt gebliebener Verfasser hielt es 1809 für<br />
notwendig, den Trägern von Spazierstöcken eigene<br />
Verhaltungsmaßregeln zu geben, damit sie sich und<br />
anderen so wenig Schaden zufügten wie möglich. Er<br />
erzählt als Warnung die Schreckensgeschichte von<br />
dem Jüngling, der sich um die Zuneigung seiner<br />
Wohltäterin und eine große Erbschaft<br />
bringt, weil er unachtsam<br />
genug ist, seiner Gönnerin die<br />
zwei letzten Zähne mit seinem<br />
Stock auszuschlagen. Da die alte<br />
Dame ihm das nicht verzeihen<br />
kann, verstößt sie ihn.<br />
Das ganze 19. Jahrhundert<br />
hindurch behauptete sich<br />
der Spazierstock in der Gunst des<br />
Herrn. Erst seitdem jeder bessere<br />
Herr sich verpflichtet fühlt, immer<br />
eine Aktentasche mit sich herumzuschleppen,<br />
mag er auch nichts<br />
anderes darin haben, als eine<br />
Zeitung und seine Frühstückssemmel,<br />
ist er ein wenig in den<br />
Hintergrund gedrängt worden,<br />
schon weil die wenigsten Herren<br />
geschickt genug sind, zwei Gegenstände<br />
tragen zu können, ohne<br />
sich und andere entsetzlich zu<br />
belästigen. Die Mode hat natürlich<br />
in Größe, Umfang und Form des<br />
Griffes häufig genug gewechselt,<br />
in Paris mußte der elegante Herr sogar im Theater<br />
seinen Stock mit der silbernen Krücke dabei haben.<br />
Da der Spazierstock von dem Manne<br />
nun einmal nicht zu trennen schien, so hat der<br />
Erfindungsgeist sich angestrengt, ihm dieses Utensil<br />
so reizvoll wie möglich zu gestalten. Als z. B. der<br />
Dichter de la Harpe in Paris seine langweiligen<br />
Tragödien aufführen ließ, kam ein Knotenstock auf,<br />
der in seinem Griff eine schrille Pfeife verbarg, man<br />
nannte ihn den Stab der Barmekiden, nach einem<br />
der ödesten Stücke dieses Dramatikers. Während<br />
der Restauration waren in Frankreich alle<br />
Erinnerungen an das Kaiserreich streng verpönt,<br />
Unvorsichtige zogen sich sogar Strafen zu. Da erfand<br />
man Stöcke mit Knäufen von seltsam mißgestalteter<br />
Form; ließ man aber bei künstlichem Licht ihren<br />
Schatten auf die Wand fallen, so erkannte man,das<br />
charakteristische Profil des "petit caporal". In<br />
Deutschland benutzten die Studenten ihre Stöcke als<br />
Stammbücher. Sie ließen ihre Freunde Namen und<br />
Inschriften darauf anbringen, die den Stock schließlich<br />
wie ein Band umzogen. Als in der Zeit der Demagogenverfolgungen<br />
Arnold Ruge in Berlin vor den<br />
berüchtigten Geheimrat von Kamptz zitiert worden<br />
war, hatte er bei dem Verhör einen solchen Stock bei<br />
sich gehabt und das Mißtrauen dieses üblen Demagogenriechers<br />
erregt. Der junge Student war schon<br />
lange wieder weitergewandert, da hetzte der preußische<br />
Geheimrat ihm Landjäger und Polizisten nach, um<br />
ihm dieses gefährliche Utensil abzunehmen.<br />
Erfinder und Industrielle haben einen<br />
staunenswerten Wetteifer entfaltet, um mit der gegebenen<br />
Form des Stockes tausend technische Möglichkeiten<br />
zu verbinden, für die sie entweder den Griff<br />
oder den Stab nutzbar zu machen versuchten. Ein<br />
gewisser J. J. Hemmer erfand einen<br />
Blitzstock, aus dem man oben und<br />
unten Drähte herauszieht, deren<br />
einer in die Erde gesteckt wird,<br />
während der andere 8 bis 9 Fuß<br />
hoch in die Luft ragt. Geht der<br />
Besitzer dann weit genug von dem<br />
Apparat weg, so ist er vor dem<br />
Blitz sicher. 1817 erfand Horn in<br />
Dresden den Spazierstock, der<br />
sich in eine Laterne verwandeln<br />
ließ, aber man ist dabei nicht stehengeblieben.<br />
1894 konnte eine<br />
französische Zeitung schon 22 verschiedene<br />
Konstruktionen abbilden,<br />
die erlaubten, den Spazierstock<br />
als Stativ für den Photographen,<br />
als Toilettetisch, als Staffelei<br />
des Malers, als Schemel, als Sessel,<br />
als Flinte, als Kerzenhalter, als<br />
Laterne zu benützen. Der Griff diente<br />
zum Bewahren eines Eßbestecks,<br />
eines Hammers für Mineralogen,<br />
einer photographischen Kamera,<br />
von Feder und Tinte, einer Pistole,<br />
eines Glases zum Trinken, einer Tabakdose, eines<br />
ärztlichen Bestecks, einer Schachtel Streichhölzer,<br />
eines Zigarettenetuis, eines Fernrohrs, eines<br />
Zündsteins usw. usw. Man hat seit der Zeit Spazierstöcke<br />
mit der Einrichtung einer Hausapotheke, solche,<br />
die als Hörrohr dienen können und viele scharfsinnige<br />
Erfindungen mehr, und man muß nur wünschen,<br />
daß die glücklichen Besitzer solcher praktischer<br />
Herrlichkeiten sie auch immer zur Hand haben, wenn<br />
sie sie gerade brauchen können und daß es ihnen<br />
nicht geht wie den Eigentümern von Regenschirmen,<br />
die man immer zu Hause gelassen hat, wenn es regnet.<br />
Die große Mannigfaltigkeit der Spazierstöcke<br />
hat die Sammler auf den Plan gerufen. Heine<br />
erzählt, daß Heinrich Beer in Berlin, ein Bruder des<br />
berühmten Komponisten Meyerbeer, eine Sammlung<br />
von Spazierstöcken im Werte von 6000 Talern<br />
besaß. 1880 kamen bei der Auktion des Schlosses<br />
San Donato bei Florenz auch die 26 kostbaren<br />
Spazierstöcke des Fürsten Anatol Demidoff zur<br />
Versteigerung. Sie erzielten Preise bis zu 1200<br />
Francs das Stück.<br />
Max von Boehn<br />
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