kurzgeschichte - SpecFlash
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<strong>kurzgeschichte</strong><br />
Strick, nackt und die Hände auf den Rücken<br />
gefesselt, der berühmte hingerichtete Chinese<br />
sachte im Luftzug hin und her. Weil seine Augen<br />
verbunden waren, konnte er seine verzweifelte<br />
letzte Erektion nicht mehr sehen, aber er<br />
streckte immerhin seinen Henkern noch seine<br />
chauchaublaue Zunge heraus. Rasch verdrängte<br />
ich den Gedanken, dass „chau-chau“ auf<br />
Chinesisch „Leckerbissen“ bedeutet.<br />
Mitten im Raum kniete die berühmte<br />
plastinierte nackte Frau mit der Boa um den<br />
Hals, die einen vor ihr liegenden Mann mit dem<br />
Mund befriedigte und von einem Mischwesen<br />
aus Mensch und Schimpanse à tergo bedient<br />
wurde. Zweieinhalb Millionen Drobniks hatte ein<br />
armer Irrer für diese perverse Laokoon-Gruppe<br />
hingeblättert. Seither war sie nicht mehr<br />
gesehen worden.<br />
Scheißgefühl, dachte ich noch, in Ewigkeit<br />
bekaut zu werden, ohne zum Schuss kommen<br />
zu dürfen! Andererseits – alle Lust will Ewigkeit,<br />
sagen die Philosophen. Diese bedauernswerten<br />
Plastikgestalten hatten sie. Gut, dass sie<br />
wenigstens richtig tot waren!<br />
Die kleine Priss saß nur mit einer Windel<br />
bekleidet auf dem Boden und herzte unablässig<br />
eine haarlose Ratte.<br />
»Eia«, machte das Kind, »Ratta eia.« Widerlich!<br />
Katschiragan war auch da.<br />
Nackt, zermergelt und ziemlich untot saß er auf<br />
einer Art Thron am Ende des Raumes. Offenbar<br />
hatte er gerade ein bisschen wichsen wollen.<br />
Ich stellte mich vor.<br />
»Einfach ¡Harlowe.«<br />
»Ich habe dich erwartet. Du hast also meinen<br />
Ghoul weggepustet? Und jetzt willst du das Kind<br />
holen? Na gut, dann hol es dir!«<br />
<strong>SpecFlash</strong> - das Portal in eine parallele Realität<br />
»Priss«, rief ich, »komm zum lieben Onkel!«<br />
Das Kind schüttelte den Kopf und drückte die<br />
Ratte an sich. »Papa bleiben.«<br />
»Priss, komm, wir gehen zur Mama! Kinder<br />
gehören nämlich zur Mutter! Gerade an<br />
Weihnachten. Außerdem kriegt das Kind in<br />
dieser Umgebung Diarrhoe.«<br />
Priss schüttelte den Kopf und drückte die<br />
zappelnde Ratte noch fester an sich. »Papa<br />
bleiben«, wiederholte sie.<br />
»Siehst du, Blechkopf, das Kind will nicht.«<br />
»Sag nicht immer Blechkopf zu mir, du Päderast.«<br />
Ich holte Wassums Gurkenglas heraus.<br />
Katschiragan machte einen Schritt rückwärts.<br />
»Nein! Nicht das!«<br />
Ich ließ das Glas auf den Steinfußboden fallen,<br />
wo es in tausend Stücke zersprang. Der Marakir<br />
schüttelte sich, entfaltete seine sechsfach<br />
gefalteten Flügel und erhob sich in die Luft. Ich<br />
hatte noch nie so'n Vieh starten sehen, aber es<br />
war wirklich beeindruckend. Nach anfänglichem<br />
Schlingern stieg es steil nach oben, drehte unter<br />
bedrohlichem Gesirre eine Runde durch den<br />
Raum und nahm Katschiragans Kopf ins Visier.<br />
Priss zeigte mit dem Finger auf den Marakir und<br />
machte »brmmm, brmmm.«<br />
Katschiragan hob abwehrend die Arme, doch der<br />
Marakir ließ sich genau auf ihm nieder.<br />
Katschiragan zuckte kurz, als ihm der lange<br />
Hinterleib mit dem Saugdorn geschmeidig in den<br />
Nacken drang und verdrehte die Augen. Es<br />
dauerte nur eine Minute. Dann war der Schädel<br />
leergezuzelt und die beiden gingen zu Boden,<br />
Katschiragan wie ein aufgeschlitztes<br />
Schlauchboot, der Marakir prall wie ein Fußball<br />
vor dem Anstoß. Eklig, an einer Überdosis<br />
Kotzbrockenhirn einzugehen!<br />
Aber mit dem Marakir war das eindeutig ein<br />
bedauerlicher Unfall, mit der 975er wär es<br />
glatter Mord gewesen. Dank dir, Wassum!