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kurzgeschichte - SpecFlash

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Es ist jene Zeit im Jahr, zu der selbst im<br />

finstersten Verlies die Lichter entzündet werden<br />

und alle, vom kleinsten Monster bis zur<br />

erlauchtesten Monstrosität in Feierstimmung<br />

sind. Jene entspannte Zeit zwischen den Jahren,<br />

in der einmal nicht jederzeit eine Gruppe<br />

selbsternannter Helden das Verlies stürmt, um<br />

Ruhm zu finden. Was genau das sein sollte,<br />

Ruhm, hatte den Monstern in dem kleinen aber<br />

altehrwürdigen Verlies unweit des<br />

Hügelfriedhofs nie so recht jemand erklären<br />

können. Leider hatten sie den Schwerter<br />

schwingenden Menschlein ebenso wenig<br />

erklären können, dass, was immer es war, sie im<br />

ganzen Verlies nichts davon versteckt hätten.<br />

Und so kamen die Helden immer wieder auf<br />

ihrer Suche, die einfach kein Ende nehmen<br />

wollte. Nur in einer kurzen Zeit wie dieser<br />

konnte man sich halbwegs darauf verlassen,<br />

dass sie ihre Zeit anders verbrachten. Vielleicht<br />

nicht einmal zwangsläufig sinnvoller. Aber doch<br />

anders.<br />

„Mama!“, schrie ein kleiner Zombie am<br />

Festbankett und versuchte seinen Hocker von<br />

seinem kleinen Bruder wegzubewegen. Ein<br />

vergebliches Unterfangen, schien der breite<br />

Körper des Trolls zu seiner Linken doch nicht die<br />

Absicht zu haben, sich nur ein Stück weit zu<br />

bewegen.<br />

„Bleib sitzen!“, forderte Mama-Zombie von<br />

ihrem Platz gegenüber, sichtlich bemüht, ihre<br />

Kinder zum wiederholten Male an diesem Tag<br />

zur Ordnung zu rufen. Und zur – für Zombies<br />

schicklichen – Gemächlichkeit.<br />

„Aber er knabbert an meinen Zehen!“<br />

<strong>kurzgeschichte</strong><br />

Simon Anhut - Ihr Zombielein kommet<br />

97<br />

Ihr Zombielein kommet<br />

„Er ist dein kleiner Bruder. Hab gefälligst etwas<br />

Verständnis. Der Braten sollte gleich serviert<br />

werden. Mehr als einen Zeh wirst du bis dahin<br />

schon nicht verlieren. Wie ich höre, machst du<br />

dich nicht besonders gut im Sportunterricht.<br />

Vielleicht wird dir das helfen endlich den<br />

schlurfenden Gang zu erlernen.“<br />

Fleisch gab es nur selten im Verlies. Man gab sich<br />

nicht der Barbarei hin, unfreiwillig Gestorbene<br />

zu essen. Bei Menschen allerdings zum Beispiel,<br />

die mit vielen Waffen und noch mehr<br />

Kampfschreien ins Verlies gestürmt kamen,<br />

konnte man nicht mehr wirklich von<br />

Unfreiwilligkeit reden. Menschen waren ja auch<br />

selbst nicht gerade zimperlich in ihren<br />

Essgewohnheiten – was viele Monster allerdings<br />

wegen der größeren Leibesfülle jener Menschen<br />

durchaus zu schätzen wussten.<br />

An diesem Tag aber gab es einen riesigen Braten.<br />

Ein Oger hatte sich freiwillig als Menü zur<br />

Verfügung gestellt. Er war von der Vorstellung<br />

fasziniert gewesen, so zum Geist werden zu<br />

können. Die meisten Verlies Bewohner waren<br />

damit sehr einverstanden, war der Oger mit<br />

seiner rüpelhaften Art doch nicht gerade beliebt<br />

gewesen. Anders verhielt es sich mit den<br />

Geistern, die nun mehr von seiner Gesellschaft<br />

würden genießen können – und deshalb bis<br />

zuletzt versucht hatten, die Selbstopferung des<br />

Ogers für inakzeptabel zu erklären, weil er ein<br />

Mitglied der Gemeinschaft war – und die aß man<br />

traditionsgemäß erst recht nicht. Zum<br />

Leidwesen der Geister hatte die Mehrheit der<br />

Gemeinschaft eifrig bekundet, ein wirkliches<br />

Mitglied aus ihrer Mitte sei er niemals gewesen.

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