kurzgeschichte - SpecFlash

verlagsportrait 89
Leseprobe aus “Mr. Pattapu und das Geheimnis der Morning Rose“
Sonnenstäubchen tanzten im Morgenlicht und kitzelten die rosa Nase des flauschigen
Katers, der sich auf der Rücklehne des Sofas lang ausgestreckt hatte. Er gähnte herzhaft und
öffnete vorsichtig ein Auge. Es war taghell draußen, die Vögel sangen im Garten, Möwenrufe
klangen vom nahe gelegenen Strand herüber. Dort reihten sich die Badekabinen in endlosen
Reihen hintereinander auf, in denen sich die Besucher umziehen konnten. Dann flanierten
Damen wie Herren in züchtigen Badekleidern und Anzügen am Strand entlang. Nur die
Kinder konnten sich etwas freizügiger bewegen.
Frank Roberts, der Strandwärter, war für die Belegung der hölzernen Kabinen, die wie
winzige Wohnwagen auf Rädern standen, zuständig. Im Winter hütete er sie in einer großen
Lagerhalle am Hafen, strich sie neu an und reparierte sie. In der Badesaison brachte er sie mit
seinem Pferdegespann wieder an den Strand zurück. Seine Frau war vor drei Jahren
verstorben. Seitdem kümmerten er und seine Tochter Jennifer sich alleine um das Geschäft.
Von der Promenade her drang Kinderlachen bis hinauf ins Haus. Sommerzeit.
Urlaubszeit. Es wimmelte von Touristen im nahegelegenen Seebad, und selbst hier in ihrer
kleinen Stadt, über der das Haus des verstorbenen Major Fowley auf einem Hügel thronte wie
ein riesiger steinerner Wächter. Offiziell hieß es Whitstable Manor.
Mr. Pattapu spürte, wie sein Magen knurrte und beschloss, vollständig aufzuwachen,
um in Rosies gemütlicher Küche ein erstes Frühstück einzunehmen. Hoffentlich hatte Melody
nicht schon wieder alles aufgefressen. Der große Perserkater liebte diese ruhigen Stunden,
wenn das Haus gerade erwachte. Sein Haus.
Zwei Monate war es nun her, seit er es laut Testament seines ehemaligen Herrn in
Besitz genommen und seit Königin Viktoria ihn persönlich geadelt hatte. Drei Wochen später
gab es einen weiteren Grund zu feiern: die frühere Haushälterin des Majors, die für die beiden
Katzen ihres verstorbenen Arbeitgebers bis zu deren Lebensende sorgen würde, heiratete den
Notar Henry Hainsworth.
Ach, war das eine Aufregung gewesen. So viele Gäste hatte das altehrwürdige,
mehrstöckige Gebäude lange nicht mehr beherbergt. Pattapu, Melody und ihre Freundin Lola,
die Ratte, durften sich noch tagelang an den Resten der Feier gütlich tun. Bis Lola mit ihrem
Bäuchlein nicht mehr durch die Tür des Puppenhauses passte, in dem sie wohnte. Ihr
hübsches Heim im alten Kinderzimmer unter dem Dach konnte sie erst wieder betreten,
nachdem sie zwei Tage lang gefastet hatte.
Auch seine silbergraue Gefährtin Melody hatte zugenommen, was für Pattapu ein
Grund war, sie tage- und wochenlang damit aufzuziehen. "Mollypop", nannte er sie
frecherweise. Darauf zog sie jedes Mal mit hocherhobenen Schwanz und Kopf beleidigt von
dannen.
Rosie, die nun offiziell als Verwalterin des Fowley-Anwesens eingesetzt worden war,
liebte die beiden Katzen heiß und innig. Nichts konnte ihr die Freude an dem Haus und ihren
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