kurzgeschichte - SpecFlash
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54<br />
<strong>kurzgeschichte</strong><br />
Der Weihnachtsmann fischte<br />
die zerknüllte Zigarettenpackung<br />
aus der Tasche seines<br />
verdreckten roten Mantels<br />
und steckte sich eine Fluppe<br />
zwischen die rauen Lippen. Er<br />
schnipste mit den nikotingelben<br />
Fingern. Eine kleine<br />
Flamme brannte zwischen<br />
Daumen und Zeigefinger. Er<br />
zündete den Glimmstängel an<br />
und inhalierte tief. Dann<br />
löschte er das Feuer und<br />
vergrub seine Hände wieder<br />
tief in den Manteltaschen. Ein<br />
eisiger Wind fuhr durch seine<br />
zerschlissene Kleidung und<br />
ließ ihn frösteln.<br />
© Crossvalley Smith<br />
„Arschkalt“, murmelte der<br />
dürre Mann und hampelte von einem Bein auf<br />
das andere. Inzwischen hätte er selbst bei einer<br />
leichten Sommerbrise gefroren. Sein Körper war<br />
so abgemagert, dass man auf seinen Rippen<br />
Xylophon spielen konnte. Die Haut hing wie ein<br />
altes Tuch schlaff über den morschen Knochen,<br />
die nur von Sehnen mit der Kraft ausgeleierter<br />
Gummibänder zusammengehalten wurden.<br />
Seine Füße steckten in ausgelatschten Turnschuhen,<br />
die er mit Zeitungspapier ausgestopft hatte.<br />
Er lehnte an einer Glühweinbude auf dem Weihnachtsmarkt,<br />
dessen bunt geschmückte Stände<br />
sich im Schatten der Kirche unter den Kastanien<br />
verteilten. In den Ästen hängende Lichterketten<br />
sorgten an diesem frühen Abend des einundzwanzigsten<br />
Dezembers für eine stimmungsvolle<br />
Der Tag, an dem der Weihnachtsmann verschwand<br />
<strong>SpecFlash</strong> - das Portal in eine parallele Realität<br />
Beleuchtung. Den rostigen<br />
Einkaufswagen, in dem sich<br />
seine wenigen Habseligkeiten<br />
befanden, hatte er direkt<br />
neben den Bretterverschlag in<br />
die Dunkelheit geschoben. Mit<br />
Argusaugen beobachtete er<br />
jeden, der sich zwischen den<br />
Ständen verdrückte. Aber<br />
niemand interessierte sich für<br />
seinen siffigen Plunder. Die<br />
meisten wollten einfach nur<br />
ihre Blase entleeren.<br />
Dicke Flocken fielen von<br />
einem grauen Himmel. Der<br />
Schnee legte sich wie ein<br />
eisiger Zuckerguss auf die<br />
Buden des Weihnachtsmarktes. Die winterliche<br />
Nässe schmolz auf seinem Gewandt. Der feuchte<br />
Stoff scheuerte unangenehm auf seiner von<br />
Leberflecken übersäten Haut. Einzelne Bartstoppeln<br />
stachen wie drahtige Spinnenbeine aus der<br />
pergamentartigen Haut seines Gesichtes hervor.<br />
Auf seinem Kopf kämpften nur noch wenige<br />
Haarbüschel um ihr Überleben, wie Sträucher in<br />
einer kargen Wüstenlandschaft.<br />
Bei seinem nächsten Zug an der Zigarette schüttelte<br />
ihn ein Hustenanfall. Die Kippe tanzte in<br />
seinem rechten Mundwinkel auf und ab,<br />
während er röchelnde Laute von sich gab. Dann<br />
räusperte er sich vernehmlich und spie einen<br />
Batzen grünlichen Schleims auf den Boden.<br />
Niemand beachtete ihn. Für die Gäste des Weihnachtsmarktes<br />
war er nur ein unrasierter Penner