kurzgeschichte - SpecFlash
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<strong>kurzgeschichte</strong><br />
Das entspricht genau der Regel. Ich stoße zu. Der<br />
fette Junge kracht gegen die linke Schulter des<br />
rotblonden Mädchens. Der Winkel des Stifts zu<br />
dem rotblonden Mädchen verändert sich. Ich<br />
werde sie verfehlen. Der fette Junge entschuldigt<br />
sich und zieht ab. Das rotblonde Mädchen<br />
lächelt. Wagt aber nicht ihn anzusehen. In dem<br />
Augenblick trifft sie der Stift. Unterhalb des<br />
dritten Halswirbels. Ich drücke den Knopf an<br />
dem Stift. Die Kapsel sprüht ein paar Milliliter<br />
Flüssigkeit auf ihre Haut. Die zieht sofort ein. Die<br />
Härchen in ihrem Nacken stellen sich auf. Ihre<br />
Muskeln spannen sich an. Dann passiert es. Sie<br />
dreht sich um.<br />
»Hey!«, sagt sie und ihre Hand nimmt meine.<br />
»Lust auf eine Tasse Kaffee?«<br />
So verhalten sich alle Zielpersonen nach dem<br />
eindringen der Kapsel.<br />
»Klingt gut«, sage ich.<br />
»Dann komm.«<br />
Klingt ihre Stimme zu aufgeregt? Lächelt sie zu<br />
schüchtern? Etwas ist eigenartig an ihr. Besser<br />
ich bin vorsichtig.<br />
Sie öffnet die Haustür des siebenstöckigen<br />
Wohnhauses. Wir steigen die Steinstufen hinauf<br />
in den dritten Stock. Hier riecht es muffig, als<br />
wäre seit einer Ewigkeit nicht mehr gelüftet<br />
worden. An der Wand hängen bleiche Sonnenblumenbilder.<br />
»Ich heiße Isabel«, sagt das rotblonde Mädchen,<br />
als sie die Wohnungstür aufschließt.<br />
Regel 3: Es ist nicht gut den Namen der<br />
Zielperson zu kennen.<br />
Wenn schon. Kenne ich eben ihren Namen.<br />
Ändert nichts an dem was ich gleich tun werde.<br />
»Wie heißt du?«, fragt sie, als sie mich den Gang<br />
zum Wohnzimmer hinunter führt.<br />
<strong>SpecFlash</strong> - das Portal in eine parallele Realität<br />
Regel 2: Dem Sammler ist es verboten der<br />
Zielperson seinen Namen zu nennen.<br />
»Karl«, flüstere ich. Warum verstoße ich gegen<br />
die Regel? Nur weil ich mag wie sie lächelt?<br />
»Karl, was möchtest du?«, fragt sie. »Kaffee oder<br />
Bier. Oder selbstgemachten Holundersaft.«<br />
»Saft wäre großartig«, sage ich.<br />
Die Glasspitze in meiner Hosentasche fühlt sich<br />
eiskalt an. Ich bringe es hinter mich. Ohne von<br />
dem Saft zu trinken.<br />
Isabel stellt zwei Halblitergläser mit hellgelben<br />
Saft auf den gläsernen Couchtisch und lässt sich<br />
in das abgewetzte Ledersofa fallen. Könnte ich<br />
nicht einfach eine zeitlang neben ihr sitzen.<br />
Einfach ihre Wärme spüren. Ich muss es ja nicht<br />
gleich tun.<br />
»Ich weiß was du tun wirst«, sagt sie.<br />
Hat sie die Glasspitze gesehen? Na und? Sie wird<br />
sich nicht daran erinnern. Die Kapsel sorgt dafür.<br />
»Isokaton…«, sagt sie. »…eliminiert die Wirkung<br />
der Kapsel.«<br />
Ich starre sie an. Begreife nicht was sie sagt.<br />
»Du hast meine Hand genommen.«, sage ich.<br />
»Mich gefragt ob ich mitkommen will. Das zeigt,<br />
dass die Kapsel wirkt.«<br />
»Ich hab dir was vorgespielt.«, sagt sie.<br />
Meine Finger umschließen die Glasspitze fester.<br />
Ich werde es hinter mich bringen. Sofort. Ohne<br />
zögern. Ich pack sie an der Schulter. Spüre die<br />
Knochen unter dem Rollkragenpullover. Drücke<br />
sie zurück ins Sofa. Sie sieht mich an wie ein<br />
verletztes Tier. Kaut mit dem schiefen Schneidezahn<br />
auf ihrer Lippe. Ich fühle mich wie ein Stück<br />
Scheiße.